# taz.de -- Schwangere Teenager in Tansania: Mädchen, ihrer Zukunft beraubt | |
> Tansania will schwangere Teenager von der Schule werfen. Eine junge | |
> Mutter in Kenia, die sich auf die Oberschule freut, ist empört. | |
Bild: Racheal Kache in Nairobi | |
NAIROBI taz | Für Racheal Kache brach die Welt zusammen, als sie schwanger | |
wurde am Ende ihrer achtjährigen Grundschulzeit. Sie war erst siebzehn, | |
freute sich auf die weiterführende Schule und träumte davon, später einmal | |
Anwältin zu werden. „Das erste Mal Liebe machen – und all meine Träume | |
verschwanden. Es schien, als ob ich keine Zukunft mehr hatte“, sagt die | |
heute 20-jährige Kenianerin bei einem Schokoladenmilchshake in einem | |
Straßencafé in der Hauptstadt Nairobi. | |
Ihre Eltern waren geschieden, und ihre Mutter schämte sich für die | |
Schwangerschaft ihrer Tochter. Sie verlangte, dass sie ihre Ausbildung | |
stoppte. Ihr Vater wollte, dass sie weiter zur Schule geht. Die Teenagerin | |
folgte dem Rat ihrer Mutter. Dass das Mädchen erst mit 17 die Grundschule | |
abschloss, ist keine Ausnahme in Kenia. Vielen Familien mangelt es an | |
genügend Finanzen für das Schulgeld. Wenn gerade nicht genug Geld da ist, | |
bleiben Kinder halt ein Jahr oder manchmal länger zu Hause. | |
„Als mein Sohn Luka geboren wurde, ging ich das erste Jahr ganz auf in der | |
Mutterschaft. Mein Leben stand Kopf“, erzählt Kache. „Aber der Wunsch, | |
wieder zur Schule zu gehen, wurde stärker und stärker. Mein Leben konnte | |
doch nicht nur aus Muttersein bestehen.“ Sie beschloss, mit ihren Eltern zu | |
sprechen. Die Mutter kann sich das Schulgeld nicht leisten, sorgt dafür | |
aber jetzt für den drei Jahre alten Luka. Der Vater verkaufte ein | |
Grundstück, und mit dem Erlös zahlt er die Schulgebühren. | |
„Es ist nicht einfach, zurück auf die Schulbank zu gehen. Aber es ist es | |
wert. Deshalb bin ich so wütend auf den tansanischen Präsidenten, der | |
angeordnet hat, dass schwangere Schülerinnen nie wieder zur Schule gehen | |
können.“ | |
## „Sie hatten ihre Chance“ | |
Tansania ist Kenias Nachbarland. Der dortige Präsident John Magufuli sagte | |
vor Kurzem: So lange er im Amt ist, werden Schülerinnen, die schwanger | |
werden, von der Schule fliegen und können nicht mehr zurückkehren. Denn, | |
meinte der 57-Jährige, die Schwangeren ermutigten andere Studenten, Sex zu | |
haben. „Sie hatten ihre Chance, und die bekommt man nur einmal.“ Wer die | |
Schülerinnen schwängert, fügte er hinzu, solle ins Gefängnis. | |
In Tansania sorgten Magufulis Worte für Entsetzen. Frauenorganisationen und | |
Menschenrechtsgruppen haben seine Äußerungen scharf verurteilt. In Tansania | |
ist es zwar sowieso üblich, schwangere Mädchen von der Schule zu schicken. | |
Aber wenn sie es wollen, können sie bisher nach der Geburt ihrer Kinder | |
zurückkommen. | |
„Die tansanische Regierung sollte besser etwas unternehmen gegen die weit | |
verbreitete sexuelle Gewalt im Land, und angemessene Informationen bieten | |
über Sex und Verhütung“, reagiert die Menschenrechtsorganisation Human | |
Rights Watch. | |
Kenia, wo jedes fünfte Mädchen zwischen 15 und 19 schwanger wird, hat schon | |
lange eine besondere Regelung für Teenager-Mütter, um sie wieder zurück in | |
die Schule zu bringen. Sie können zum Beispiel ihre Ausbildung an einer | |
anderen Schule abschließen, um Stigmatisierung an der alten Schule zu | |
entgehen. Aber oft ist die Rückkehr zur Schule nicht finanzierbar. Ein Baby | |
und Schule – das ist einfach unbezahlbar für viele. | |
Die Kenianerin Racheal Kache hat sich nun für eine Schule auf der anderen | |
Seite Nairobis entschieden. Sie fühlt sich durch die Debatte in Tansania in | |
ihrem Wunsch bestärkt, Anwältin zu werden. Sie will sich einsetzen für die | |
Rechte von Frauen und Mädchen. „Magufuli will Mädchen ihrer Zukunft | |
berauben, wegen eines Fehlers. Es ist doch so im Leben, dass jeder manchmal | |
einen Fehler macht, aber dann auch die Chance bekommt, es wieder gut zu | |
machen. Präsident Magufuli nimmt tansanische Mädchen die Chance. Ich bin | |
froh, dass ich in Kenia lebe und nicht in Tansania.“ | |
29 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Ilona Eveleens | |
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