Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Behandlung von Festgenommenen bei G20: „Das war für mich wie ein…
> Knapp 24 Stunden verbrachte ein städtischer Beamter in der
> Gefangenensammelstelle. Er wurde stündlich geweckt und bekam in 14
> Stunden nur Wasser und Knäckebrot.
Bild: Hier wurden Gefangene über Stunden ohne Kontakt zu Anwälten gehalten: P…
taz: Herr Schneider*, hatten Sie öfter mit der Polizei zu tun?
Marc Schneider*: Nein, bisher noch nie. Keine Vorstrafen, gar nichts. Ich
gehe gelegentlich auf Demos, habe aber mit der linken Szene nichts zu tun.
Ich arbeite in einer Leitungsposition im öffentlichen Dienst.
Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz hat sich bei der Polizei bedankt, die in
seinen Augen alles richtig gemacht hat. Teilen Sie die Einschätzung?
Letztlich war es für die Polizei mit Sicherheit nicht einfach. Die standen
auch unter immensem Druck. Für mich ist es irgendwo auch normal, dass
Polizisten unter solchen Bedingungen Fehler machen und ihre Gewalt
ausnutzen. Ein Dank auch angebracht ist. Trotzdem gibt es Kritikpunkte.
Sie saßen während des G20-Gipfels 30 Stunden in der Gefangenensammelstelle
(Gesa). Wie sind Sie dahin gekommen?
Ich wurde am Samstagmorgen gegen 1.30 Uhr im Stadtteil Eimsbüttel
festgenommen, also relativ weit weg von der Schanze. Die Polizei hatte dort
geräumt und ich hatte mich in diese Richtung entfernt und war auf dem
Heimweg. Ich war sogar von der Polizei dorthin gelotst worden.
Was wurde Ihnen vorgeworfen?
Landfriedensbruch. Sie haben gesagt, dass ich zu einer Gruppe gewalttätiger
Leute gehöre, die Gegenstände geworfen und Barrikaden errichtet haben. Ich
habe immer wieder beteuert, dass ich damit nichts zu tun habe und diese
Leute nicht kenne. Ich habe mich kooperativ verhalten, dachte, das wäre nur
ein kurzes Gespräch. Dann saß ich stundenlang in einem
Gefangenentransporter. Erst um halb sieben bin ich in der Gesa angekommen.
Wie war es da?
Ich musste mich bis auf die Unterhose ausziehen und wurde abgetastet, auch
die Genitalien. Meine persönlichen Gegenstände wurden konfisziert. Dann
wurde ich in eine Zelle geführt, wo schon vier Leute waren.
Wie lange waren die anderen schon da?
Einer schon seit 16 Stunden, ein anderer 24 Stunden. Als ich mitbekam, dass
sie dem Richter noch nicht vorgeführt worden waren, dachte ich: „Ach, du
Scheiße!“ Keiner meiner Angehörigen wusste, wo ich bin. Da fängt man an,
sich Gedanken zu machen.
Durften Sie nicht telefonieren?
Doch, jeder hat einen einzigen Anruf. Ich habe ihn genutzt, um einen Anwalt
anzurufen.
Wie würden Sie die Bedingungen in der Gesa beschreiben?
Man musste nach allem fragen, man bekam nichts einfach so. Ich habe die
ersten 14 Stunden nichts außer Wasser und zwei oder drei Knäckebrote
bekommen. Auch meinen Anwalt konnte ich erst gegen Mittag sehen, obwohl die
ganze Zeit auch Juristen des anwaltlichen Notdienstes vor Ort waren, die
aber nicht zu den Gefangenen gelassen wurden.
Waren Sie die ganze Zeit in einer Zelle?
Ich war kurz alleine in einer Sammelzelle. Die Gesa, die ja für 400 Leute
ausgelegt war, war nur etwa zur Hälfte gefüllt. In der Zelle habe ich es
nicht ausgehalten. Die Situation war emotional total heftig für mich. Ich
war erschöpft, habe nicht geschlafen und wollte einfach nicht alleine sein.
Dann haben sie mich irgendwann auf Bitten hin mit einem Italiener in eine
Zelle gelassen. Der Mann wusste überhaupt nicht, was mit ihm geschieht. Ich
habe ihm dann vieles erklärt. Die Beamten haben großteils kein Englisch
gesprochen. Deshalb lag er stundenlang ohne Decke auf dem Boden und hatte
nichts zu essen bekommen.
Sie haben gesagt, die Zustände seien nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.
Woran machen Sie das fest?
Es gab keine Fenster in den Zellen. Es gab keine Matratze. Auf Nachfrage
hat man eine Wolldecke bekommen. Es war stickig. Die Klimaanlage hat von
außen gegen die verschlossene Tür der Zelle geblasen. Zudem wurde man jede
Stunden von den Polizeibeamten geweckt. Das war für mich wie eine Folter.
Ich habe 24 Stunden nicht geschlafen, jede Stunde haben die laut gegen die
Tür geklopft und man musste den Arm heben.
Warum?
Ich habe mich im Nachhinein informiert, es bestand angeblich Suizidgefahr.
Wie sind Sie wieder rausgekommen?
Knapp 24 Stunden nach meiner Ankunft wurde ich dem Richter vorgeführt. Man
hat von einer weiteren Ingewahrsamnahme abgesehen. Ich musste dann noch
warten, bis mir meine beschlagnahmten Sachen wiedergegeben wurden.
Verändert diese Erfahrung Ihren Blick auf den Staat?
Ja, sehr. Ich war total erschöpft und ich wusste nicht, was mit mir
geschieht. Ich bin berufstätig und habe die ganze Zeit daran gedacht, dass
ich am Montag arbeiten muss. Ich war der Staatsgewalt ausgesetzt. Das wird
mich noch lange beschäftigen.
* Name geändert
14 Jul 2017
## AUTOREN
Lena Kaiser
Katharina Schipkowski
## TAGS
Schwerpunkt G20 in Hamburg
G20-Gipfel
Polizei
Grundrechte
Schwerpunkt G20 in Hamburg
Schwerpunkt G20 in Hamburg
Schwerpunkt G20 in Hamburg
Schwerpunkt G20 in Hamburg
Schwerpunkt Polizeikontrollen in Hamburg
Protest
## ARTIKEL ZUM THEMA
Nach dem G20-Gipfel in Hamburg: Die Konfrontation geht weiter
Die Kritik am Polizeieinsatz gibt es auch unter Polizisten. Politiker
fordern härteres Vorgehen gegen gewaltbereite Linksextreme – zur Not mit
Fußfesseln.
G20-Drehbuch per Twitter: „Das Wunder von Hamburg“
Aus einem Tweet zu G20 entsteht auf Twitter der Plot für die beste deutsche
TV-Serie, die nie gedreht werden wird. Oder doch, ZDF?
Linken-Politiker van Aken über Olaf Scholz: „Was ist in den gefahren?“
Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) sagt, es habe während des
G20-Gipfels keine Polizeigewalt gegeben. Jan van Aken (Die Linke) nennt das
eine Lüge.
Inhaftierte nach dem G20-Gipfel: Hamburg macht Gefangene
51 Personen sitzen wegen der Krawalle beim Gipfel in U-Haft. Den meisten
wird Körperverletzung vorgeworfen, einem sogar Mordversuch.
taz-Liveblog zum G20-Gipfel: Die Polizei will sich Mühe geben
Der Tag nach den Krawallen verläuft in Hamburg friedlich und die
Staatschefs formulieren im Abschlusspapier zumindest den Status Quo.
G20-Gipfel: 1,8 qm Verweilraum
In der Gefangenensammelstelle in Harburg sollen Festgenommene untergebracht
werden. Die Linke kritisiert den minimalen Platz und fehlende Toiletten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.