Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kommentar zu Gewalt bei G20: Eine verlogene Diskussion
> Trump wirft Bomben, aber Linke sollen sich von jedem Steinwurf
> distanzieren. In einem Gastbeitrag hält die Interventionistische Linke
> dagegen.
Bild: Warum darf Trump gewaltige Bomben werfen, ein Demonstrant aber nicht mal …
Die gesamte Diskussion um Gewalt ist verlogen, durchzogen von Auslassungen
und blinden Flecken. Ein Blick in die Nachrichten genügt, um die
tatsächliche Gewalt zu sehen: Ein narzisstischer weißer Mann im Weißen Haus
prahlt damit, in Afghanistan die „Mutter aller Bomben“ abgeworfen zu haben.
Im G20-Mitgliedstaat Argentinien wird durchschnittlich jeden Tag eine Frau
von Männern ermordet. Im G20-Staat Mexiko gelten mittlerweile 27.000
Menschen als verschwunden. Kaum ein Krieg auf der Welt, in den nicht
mindestens ein G20-Staat verwickelt ist. Menschen verhungern, Obdachlose
erfrieren, obwohl der globale Reichtum ein historisch beispielloses Ausmaß
erreicht hat.
Die Welt ist von unzähligen Gewaltverhältnissen durchzogen, ja, der
Kapitalismus ist als solcher Gewalt. Viel zu allgegenwärtig ist sie, als
dass dieser Text sie angemessen beschreiben könnte. Aber darum geht es
nicht im öffentlichen Diskurs. Nicht Angela Merkel wird die Frage gestellt,
wie sie es mit der Gewalt hält und ob sie sich distanziert von Diktatoren,
Kriegsverbrechern und Minderheitenhassern oder von der Grenzschutzagentur
Frontex. Stattdessen sind es die Proteste gegen den Wahnsinn der Welt, für
die wir uns ständig und bis zur Ermüdung rechtfertigen sollen. Nicht die
herrschende Gewalt gilt als erklärungspflichtig, sondern der Versuch, sie
zu beenden.
Die Gewaltfrage ist falsch gestellt. Es geht den meisten Fragenden
überhaupt nicht um Gewalt. Sie wollen nichts hören von den 5.000 Menschen,
die auf ihrer Flucht nach Europa allein im letzten Jahr im Mittelmeer
ertranken. Wenn ich über Kriegsopfer rede, Abschiebungen nach Afghanistan,
Hinrichtungen in Saudi-Arabien, dann heißt es, ich würde der Frage
ausweichen. Ich soll nicht sprechen von der Militarisierung Hamburgs, den
Marinehubschraubern am Himmel, dem Kriegsschiff im Hafen, den
Scharfschützen auf den Dächern, den Wasserwerfern und Räumpanzern.
## Wieso Menschen das Recht absprechen, sich zu wehren?
Mehr noch: Bei jedem Vorfall von Polizeibrutalität wird nach
Entschuldigungsgründen gesucht, Einzelfälle, wahrscheinlich sind die Opfer
selber schuld. Nicht um die Gewalt an sich geht es also, sondern darum, wer
sie ausführt. Eigentlich lautet die Frage: Ein bisschen Protest ist ja
okay, aber wie hältst du es grundsätzlich mit dem Staat und seinen
Gesetzen? Auf welcher Seite stehst du? Doch ich will weder abstumpfen noch
mich in die bequeme Ohnmacht flüchten, sowieso nichts ändern zu können. Der
Motor des Fortschritts waren immer die Menschen, die wagten, die
Ungerechtigkeiten nicht länger zu akzeptieren.
Wie käme ich also dazu, Menschen das Recht abzusprechen, sich zu wehren und
sich aufzulehnen? Ihnen vorzuschreiben, auf welche Weise sie ihrer Wut und
Empörung Ausdruck verleihen dürfen? Vor wem muss ich mich rechtfertigen,
wenn in Hamburg irgendwer eine Scheibe einwirft? Der Opposition, die zu
Tausenden in der Türkei inhaftiert wird, oder der Flüchtlingsfamilie, die
in ein überfülltes Schlauchboot steigt, stellt sich diese Frage nicht. Wenn
ich eine Seite wählen muss: ich wähle ihre. Und deshalb muss ich immer
wieder auf die Gewaltfrage antworten: Nein, ich unterwerfe mich nicht.
Nein, ich distanziere mich nicht. Ich weigere mich, harmlos zu sein.
Dabei stehen wir als Linke vor dem grundsätzlichen Widerspruch, dass wir
gegen die Gewalt und Unterdrückung sind und sie dauerhaft beenden wollen –
während wir uns doch in gewalttätigen Verhältnissen bewegen müssen.
Für den Augenblick ist der massenhafte Ungehorsam, für den die
Interventionistische Linke bekannt ist, eine gute Antwort. „Block G8“ gegen
den Gipfel von Heiligendamm 2007, „Castor Schottern“ 2010 , „Dresden
Nazifrei“ „Ende Gelände“ ab 2015, um den Klimaschutz in die eigenen Hän…
zu nehmen. Daran haben sich Tausende beteiligt, wir haben Wirkung gezeigt
und eine ganze Generation von AktivistInnen geprägt.
## Hoffnung entsteht aus Rebellion
Für die Aktion BlockG20, die morgen mit Tausenden den Gipfel blockieren
will, haben wir jedenfalls eine feste Vereinbarung getroffen: Wir
eskalieren nicht. Die Polizei ist nicht das Ziel –wir umfließen sie, wo sie
uns im Weg steht. Wir dringen in die 38 Quadratkilometer große
Demoverbotszone vor und setzen sie damit außer Kraft. Wir weigern uns,
demokratiefreie Zonen hinzunehmen. Wir wollen keine kleine, entschlossene
Minderheit sein.
Um die bestehenden Gewaltverhältnisse zu überwinden, müssen wir Mehrheiten
gewinnen, aber solche, die sich auflehnen. Die Erfahrungen der Auflehnung,
der Handlungsfähigkeit und des gemeinsamen Muts werden ebenso abgespeichert
wie sonst die Erfahrungen Fremdbestimmung im kapitalistischen Alltag. Im
massenhaften Ungehorsam der Blockaden und in der Weigerung, sich das
Demonstrieren verbieten zu lassen, finden wir gegenwärtig die beste
Verbindung aus Kollektivität und Widerständigkeit.
Vom Gipfel der G20 geht keinerlei Hoffnung aus. Hoffnung entsteht aus
Rebellion. Diese Hoffnung wächst, wenn wir uns morgen mit Tausenden dem
Wahnsinn der Welt in den Weg stellen. Denn so, wie es ist, bleibt es nicht.
5 Jul 2017
## AUTOREN
Emily Laquer
## TAGS
G20-Gipfel
Schwerpunkt G20 in Hamburg
Donald Trump
Gewalt
G20-Gipfel
Schwerpunkt G20 in Hamburg
Schwerpunkt G20 in Hamburg
G20-Gipfel
Schwerpunkt Polizeikontrollen in Hamburg
Schwerpunkt G20 in Hamburg
G20-Gipfel
G20-Gipfel
G20-Gipfel
G20-Gipfel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Blockadeaktionen in Hamburg: Kein Durchkommen?
AktivistInnen wollen in Hamburg am Freitag die Konvois der G20-Gäste
stoppen und die Logistik im Hafen blockieren.
Sonderzug zum G20-Gipfel: Drei-Klassen-System mit Durchgang
Sie kommen aus ganz Deutschland und wollen in Hamburg gegen den G20-Gipfel
demonstrieren. Eine Reise im bestbewachten Zug des Landes.
Autonome Demo frei von Auflagen: Böse Vorahnung
Die Polizei hat die autonome Demo gegen den G20-Gipfel ohne Auflagen
genehmigt. Das kommt vielen merkwürdig vor. Soll es vielleicht gar nicht
erst losgehen?
Gesundheit beim G20-Gipfel: Die nächste Pandemie
Ohne einen umfassenden, weltweiten Gesundheitsschutz wird es keine gute
soziale, politische und wirtschaftliche Entwicklung geben können.
Überwachung beim G20-Gipfel: Hamburg von oben
Die Polizei wird während des Gipfels Drohnen einsetzen, so viel steht fest.
Aber was die filmen und was mit den Aufnahmen geschieht, will keiner sagen.
G20-Protestcamps: Schlafen bleibt politisch
Die Stadt Hamburg geht weiter gegen Protestcamps vor. Dafür öffnen andere
ihre Tore. Und die Polizei räumt die Straße mit Wasserwerfern.
Bundeswehreinsatz bei G20: Sie. Dienen. Dem Gipfel.
Die Bundeswehr stellt ein Kriegsschiff, Hubschrauber und
Unterwasserdrohnen. Für die Streitkräfte ist das ein schwieriges Terrain.
Kreativer Protest in Hamburg: Ein Spiegelbild der Gesellschaft
Die Kunstperformance „1.000 Gestalten“ möchte die Gesellschaft im Vorfeld
des G20-Gipfels auf ihre Verkrustung hinweisen.
Kommentar G20-Proteste in Hamburg: Professionelle Eskalation
Im Vorfeld des G20-Gipfels gibt sich die Polizei alles andere als
deeskalativ. Im Gegenteil: Willkürlich probt sie den Ausnahmezustand.
G20-Proteste in Hamburg: Das sind die Alternativen
Massive Polizeieinsätze, friedliche Proteste. Bislang ist die Stimmung in
Hamburg ruhig. Heute startet der „Gipfel der Alternativen“. Was noch?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.