| # taz.de -- LGBT-Demonstration in Bulgarien: Diplomaten schützen Gay Pride | |
| > Nazis hatten sich angekündigt. Doch dank internationalem Druck blieb die | |
| > Gay-Pride-Parade in Bulgariens Hauptstadt Sofia friedlich. | |
| Bild: Am Ende kamen 3.000 Pride-Demonstrierende und nur 50 Nazis in den Park | |
| Sofia taz | Wenn heute Menschen ganz offen als Müll bezeichnet werden, wenn | |
| das Leben von Schwulen und Lesben von Neonazis bedroht wird, dann hat | |
| unsere Gesellschaft ein Problem. Wenn die Behörden sich dann auch weigern, | |
| klar Stellung zu beziehen und sich schützend vor ihre Minderheiten, vor | |
| ihre Bürger*innen zu stellen, dann ist es eine Bankrotterklärung für die | |
| Demokratie. | |
| Wenn sich all das dann auch noch innerhalb der Europäischen Union ereignet, | |
| dann müssen wir dringend darüber reden. Dann müssen wir hinterfragen, was | |
| in diesem Falle Bulgarien über Europa und ihre Werte nicht verstanden hat | |
| oder verstehen will. | |
| Am Wochenende hat in Sofia der 10. Pride stattgefunden. Die LGBTI-Community | |
| musste sich seit ihrem ersten Marsch für Gleichheit jedes Jahr in | |
| Bulgariens Hauptstadt mit Anfeindungen durch rechte und patriotische Kräfte | |
| abfinden. Oft angefeuert durch die religiösen Kräfte, die in der Diversität | |
| der Bevölkerung, in der Emanzipation der Jugend und vor allem der Frauen | |
| teuflische Machenschaften ausmachten und das Ende der sogenannten | |
| klassischen Familie, gar das Ende der Welt prophezeiten. Aber dieses Jahr | |
| war die Bedrohungslage für die LGBTI-Community viel realer, viel | |
| angsteinflößender als sonst. | |
| Ein paar Tage vor der Regenbogen-Demonstration hat sich die | |
| ultra-nationalistische Gruppe „Nationaler Widerstand“ mit einer | |
| Videobotschaft in den sozialen Netzwerken zu Wort gemeldet. Darin hat sie | |
| angekündigt, dass sie zeitgleich mit dem Pride und dann auch noch am | |
| gleichen Versammlungsort, nämlich im Park des sowjetischen Kriegsdenkmals, | |
| eine Säuberungsaktion planen, um „den Müll Sofias zu entsorgen“, ein für | |
| allemal. | |
| Die Aktion wurde sogar von der Stadtverwaltung genehmigt. Sofias | |
| Bürgermeisterin Yordanka Fandakova fand auch nicht alarmierend, dass die | |
| Neonazis ihre Kameraden aufriefen, „Werkzeuge mit langen Holzstangen“ | |
| mitzubringen. Schließlich hätten diese Patrioten nicht mit Gewalt gedroht, | |
| sondern sich für eine gemeinnützige Aufgabe angemeldet. | |
| ## Eltern mit Kindern in der Parade | |
| Alarmiert waren dafür andere: Europäische Parlamentarier*innen, | |
| verschiedene Organisationen aus aller Welt und Anrufe bei den Botschaften | |
| Bulgariens weltweit haben die Behörden vor Ort zum Handeln bewegt. Die | |
| Polizeipräsenz wurde erhöht. Immerhin. Als echter Schutzschild diente der | |
| LGBTI-Community auf dem Pride aber erst das persönliche Erscheinen der | |
| Botschafter*innen von Großbritannien, Israel und Belgien sowie weiterer | |
| Diplomaten u.a. aus den USA, Frankreich, Brasilien, Spanien und Finnland. | |
| Aus Deutschland hatte der stellvertretende Botschafter sein Kommen | |
| angekündigt, wurde aber nicht gesehen. | |
| Trotz der jährlichen Gewaltandrohungen ist in Sofia jedoch etwas | |
| Erfreuliches zu beobachten: Es kommen immer mehr Menschen zusammen, immer | |
| mehr junge Leute entscheiden sich aus der Dunkelheit des patriarchalen | |
| Systems auszubrechen und für gleiche Rechte zu demonstrieren. Am Wochenende | |
| waren es rund 3.000 Menschen, darunter mehrere heterosexuelle Elternpaare, | |
| die mit einer Hand Kinderwagen vor sich her schoben und mit der anderen | |
| eine kleine Regenbogenfahne schwenkten. Zum Parkputz der Nazis kamen nur 50 | |
| Menschen. | |
| Die Community in Sofia wächst zusammen. Die Community lässt sich nicht | |
| einschüchtern, und sie fragt sich, womit sie nächstes Jahr zu rechnen hat, | |
| wenn Bulgarien den Vorsitz des Europarates übernehmen wird. Darüber muss | |
| dringend gesprochen werden. | |
| 11 Jun 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Alfonso Pantisano | |
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