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# taz.de -- Die Wahrheit: Die Chemie der Völkerverständigung
> „Bus-Begegnungszone“ und „Parkplatz für Einspurige“: Als Gast aus Lo…
> Saxony auf einem europäisch ausgerichteten Kulturfestival in Österreich.
Ich habe mich gefreut, ein europäisch ausgerichtetes Kulturfestival in
Österreich besuchen zu dürfen. Ein inoffizielles Thema des Treffens war die
Frage nach der Heimat und was sie bedeuten mag, persönlich und politisch.
Zu mir waren alle nett und fragten mich, ob ich aus Berlin komme. Deutsche,
die kulturell was hermachen wollen, leben ja auf keinen Fall in der
Provinz.
„Nee, äh, ich bin mehr so aus Norddeutschland.“ Ratloses Schweigen.
Wahrscheinlich hatte ich noch Glück, das keiner gefragt hat: „Und was um
Himmels willen tust du dort, in diesem finsteren Landstrich ohne
Kulturförderung, Stipendien und Festivals, ohne Kollegenstammtische und
Off-Theater?“
Die anderen dann aber auch so: der Schweizer aus Zürich, der Belgier aus
Brüssel. Als ob es in diesen Ländern keine anderen Städte gäbe. Der Belgier
bewunderte die Slowenin für ihre weite Anreise. Das Festival fand
allerdings in der Steiermark statt und sie war mit dem Fahrrad gekommen. Wo
liegt Europa eigentlich noch mal genau?
Die Theaterkantine lockte mit „Faschiertem Laiberl“, in der Stadt wies ein
Schild auf eine „Bus-Begegnungszone“ hin und der Fahrradständer hieß
„Parkplatz für Einspurige“. Ich war nicht mehr sicher, ob ich der
Landessprache überhaupt mächtig bin. Aber meist wurde ohnehin Englisch
geredet.
Der Schwede fragte mich auch mal was. Wie nett. „Where are you from?
Berlin?“ No, Lower Saxony. Das klingt besser als die grausige deutsche
Wahrheit. Lower Saxony ist mein Serviervorschlag für Niedersachsen,
jedenfalls auf internationalen Festivals. Der Schwede nickte, als ob er
wisse, wovon ich spreche.
Die Jugendlichen vom Workshop interessierte es erfreulicherweise dann
nicht, wo ich her bin. Sie stammten aus Syrien und Afghanistan. Und aus dem
Krieg. Da hat man andere Probleme.
Das nächste Kriegsopfer, das mir begegnete, war ein Taxifahrer, Bosnier und
schon vor zwanzig Jahren nach Österreich geflohen. „Gib einem Menschen ein
Maschinengewehr in die Hand, gib ihm freie Hand über 200 Gefangene, und du
weißt, was er für einen Charakter hat. – Ich habe es vorher auch nicht
geglaubt. Es war furchtbar.“
Ganz beduselt von der tagelangen Völkerverständigung, wollte ich mich auf
dem Rückflug großzügig um die junge indische Austauschschülerin neben mir
kümmern. Ja, es sei ihre erste Reise nach Deutschland. Nein, sie komme zum
Bewerbungsgespräch, nachdem sie vor Kurzem in Chemie promoviert habe. In
Cambridge. O, äh, well.
Noch ehe ich erwähnen konnte, dass ich als Kind auch mal einen
Chemiebaukasten besessen hatte, was sie gewiss interessiert hätte, fragte
sie mich leider, wo ich wohne. Ich überlegte kurz, ob ich angesichts ihrer
geballten jugendlichen Weltläufigkeit „Berlin! Of course!“ rufen sollte,
entschied mich aber doch für die Wahrheit, vor allem, weil wir im Flugzeug
nach Hannover saßen: „In a small village.“ – „O, well, that’s nice!�…
Die Inder sind unsere Zukunft. Habe ich immer schon gesagt.
14 Jun 2017
## AUTOREN
Susanne Fischer
## TAGS
Österreich
Niedersachsen
Europa
Niedersachsen
Biologie
Möbel
Schwerpunkt Syrien
Kanaren
Celle
Kirche
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