# taz.de -- Debatte AfD nach den Wahlen: Solide im einstelligen Bereich | |
> Der Partei ist der 13. Einzug in Folge in einen Landtag gelungen. Gefahr | |
> droht ihr allenfalls vom eigenen völkisch-nationalistischen Flügel. | |
Bild: Frauke ist erst einmal raus, aber ob Alexander, Alice, Jörg und Marcus k… | |
Der Höhenflug der AfD scheint vorbei. Im vergangenen Jahr haben die | |
Rechtspopulisten auch im Westen noch zweistellige Ergebnisse eingefahren, | |
in Mecklenburg-Vorpommern zogen sie sogar mit 20,8 Prozent der Stimmen als | |
zweitstärkste Kraft in den Schweriner Landtag ein. Und jetzt: 6,2 Prozent | |
im Saarland, 5,9 in Schleswig-Holstein, gerade 7,4 Prozent in | |
Nordrhein-Westfalen. Doch wer schon einen Abgesang auf die AfD anstimmt, | |
könnte sich zu früh freuen. | |
Die Ausgangsbedingungen in allen drei Ländern waren für die AfD suboptimal. | |
In NRW und Schleswig-Holstein ist die Partei zerstritten, der | |
Bundesvorstand hat versucht, den saarländischen Landesverband wegen enger | |
Kontakte zu Rechtsextremisten aufzulösen. In allen drei Ländern standen | |
realistische Machtalternativen zu den jeweiligen Landesregierungen zur | |
Wahl. Die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen lief in | |
Schleswig-Holstein und im Saarland weitgehend problemlos, selbst in NRW war | |
nur ein gutes Drittel in diesem Feld mit der alten Landesregierung | |
unzufrieden. | |
Ohnehin: Das Hauptthema der AfD – die Flüchtlinge – rutschte aus dem Fokus | |
der Öffentlichkeit, die Unterstützung für die Kanzlerin stieg wieder an, | |
mit der Nominierung von Martin Schulz als SPD-Kanzlerkandidat schien | |
plötzlich eine Alternative zu vier Jahren Weiter-So greifbar nah. Hinzu kam | |
die Dresdener Rede von AfD-Rechtsaußen Björn Höcke, die den | |
Rechtsextremismusverdacht gegen die AfD bestärkte und zu einem massiven | |
Streit in der Bundesspitze der Partei führte. An dessen vorläufigen Ende | |
war Parteichefin Frauke Petry, die gleichzeitig das Gesicht der AfD ist, | |
demontiert. | |
Man kann nun auf eine erneute Spaltung der Partei hoffen und in all dem den | |
Anfang vom Ende der AfD sehen. [1][Wahrscheinlicher aber ist, dass sich die | |
Partei als sechste politische Kraft etabliert]. Nicht satt zweistellig, wie | |
viele in der AfD das im vergangenen Jahr betrunken vom Erfolg noch | |
prognostizierten. Sondern auf einem realistischen Niveau wie bei den drei | |
Landtagswahlen in diesem Jahr: solide einstellig und mit dem Potential, in | |
die Höhe zu schießen – je nach politischer Gemengelage und Erregungszustand | |
der Bevölkerung. | |
## Am rechten Rand ist noch Platz | |
Fakt ist: Es gibt Menschen, die fühlen sich politisch nicht mehr | |
repräsentiert. Ein Teil der Union-WählerInnen ist den Weg der CDU in die | |
Mitte nicht mitgegangen. Sie fremdeln mit Frauenförderung und eingetragener | |
Lebenspartnerschaft, mit Doppelpass, Windrädern und Freiwilligenarmee. | |
Merkels Flüchtlingspolitik im Sommer 2015 hat ihnen den Rest gegeben. Am | |
rechten Rand des demokratischen Parteienspektrums ist so Platz entstanden, | |
den die AfD besetzt. | |
Doch auch WählerInnen, die traditionell für die SPD gestimmt haben, fühlen | |
sich von ihrer Partei nicht mehr vertreten. Die Sozialdemokraten haben in | |
NRW herbe Verluste bei den erwerbstätigen Arbeitern zu verzeichnen, die | |
AfD, die sich als Vertreter der „kleinen Leute“ inszenierte, stieg unter | |
den Arbeitern zur drittstärksten Kraft auf. Besonders gute Ergebnisse mit | |
bis zu 15 Prozent bescherten die WählerInnen den Rechtspopulisten in | |
einigen Ruhrgebietsstädten wie Gelsenkirchen und Essen, Duisburg und | |
Recklinghausen – eigentlich Kernland der Sozialdemokratie. | |
Bundesweit ist die Hemmschwelle, eine rechte Partei zu wählen, gesunken. | |
Der gesellschaftliche Diskurs hat sich radikalisiert. Islamfeindliche | |
Positionen, wie sie die AfD vertritt, finden in breiten Kreisen Zustimmung. | |
Um die 20 Prozent der Bevölkerung, das sagen wissenschaftliche Studien, | |
sind hierzulande anfällig für rechtspopulistische Positionen. | |
In dieser Ausgangslage kann die AfD ihre Struktur weiter aufbauen. 7,4 | |
Prozent für die AfD in NRW bedeuten den Einzug in den 13. Landtag in Folge | |
– und 16 neue Mandate. Insgesamt hat die Partei bundesweit auf Landesebene | |
inzwischen fast 170 Abgeordnete, die von Staat bezahlt AfD-Politik machen, | |
hinzu kommen zahlreiche MitarbeiterInnen und ReferentInnen. | |
Nun ist der Streit in der Führungsspitze der AfD sicher nicht hilfreich für | |
den Erfolg der Partei und Frauke Petry, das bekannteste Gesicht der AfD, | |
wird an vorderster Front im Bundestagswahlkampf fehlen. Aber die AfD wird | |
nicht wegen ihres Personals gewählt, das zeigen alle Umfragen. | |
Problematisch allerdings könnten neue völkisch-nationalistische | |
Einlassungen aus dem Höcke-Lager sein, die geeignet sind, bürgerliche | |
WählerInnen zu verprellen. Dieser Gefahr aber ist sich die AfD bewusst. „Er | |
will unseren gemeinsamen Erfolg, dem wird er sich unterordnen“, bemerkte | |
dazu Spitzenkandidat Alexander Gauland. | |
## Streit um Grundsätze | |
Entscheidend für das künftige Abschneiden der AfD wird zweierlei sein: zum | |
einen die innenpolitische Lage. Ein großer Terroranschlag, steigende | |
Flüchtlingszahlen oder ein Ereignis vergleichbar mit der Kölner | |
Silvesternacht könnten das Vertrauen in den Staat erneut erschüttern und | |
die Bevölkerung für eine weitere Angstkampagne anfällig der AfD machen. | |
Darauf aber kann die Partei nicht setzen. Die andere Frage ist deshalb, wie | |
die AfD auf die abflauende Flüchtlingsdebatte reagiert. Gelingt es ihr, ein | |
anderes Thema zu besetzen, das ähnlich emotionsgeladen ist? Einmal ist die | |
AfD treffsicher von der Antieuro- zur Antiflüchtlingspartei umgeschwenkt. | |
Geschickt war – aus ihrer Sicht – auch die Verknüpfung mit dem Thema Islam. | |
Doch danach kam nicht mehr viel. | |
AfD-Vizechef Gauland will die Partei auf einen sozialpolitischen Kurs | |
festlegen, intern ist das aber umstritten. Im Grundsatzprogramm findet sich | |
zwar ein Bekenntnis zum Mindestlohn, im Wahlprogramm zusätzlich die | |
Einschränkung der Leiharbeit. Aber weiterhin stehen dort auch Forderungen | |
aus den neoliberalen Anfängen der Partei wie die Abschaffung der | |
Erbschaftssteuer und ein klares Nein zur Wiedereinführung der | |
Vermögenssteuer. Die Ökonomin Alice Weidel, gerade mit Gauland zur | |
Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl gekürt, vertritt diesen Kurs. | |
Gauland aber wird nicht müde zu betonen, dass die AfD „die Partei der | |
kleinen Leute“ sei. Andere europäische Rechtspopulisten wie der Front | |
National haben mit diesem Kurs großen Erfolg. | |
20 May 2017 | |
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## AUTOREN | |
Sabine am Orde | |
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