| # taz.de -- Leitlinien des Hightech-Forums: Alter Wein in neuen Schläuchen | |
| > Das „Hightech-Forum“ der Bundesregierung stellte seine | |
| > innovationspolitischen Leitlinien vor. Dabei geht es auch um Akzeptanz | |
| > für neue Technologien. | |
| Bild: Vor zehn Jahren schon beschäftigten sich Wissenschaftler in Deutschland … | |
| Berlin taz | Im Berliner Gasometer, der längst vom einstigen | |
| Energiespeicher zur postindustriellen Eventstätte mutiert ist, traf sich | |
| diese Woche die deutsche Innovationscommunity aus Wissenschaft und | |
| Wirtschaft. Anlass war die Übergabe des Abschlussberichts des | |
| Hightech-Forums an die Bundesregierung. Doch der innovative Anspruch konnte | |
| nicht eingelöst werden. In einem ermüdend konventionellen Redemarathon | |
| wurden Vorschläge präsentiert, die sich im Wesentlichen in | |
| innovationspolitischem Recycling erschöpfen: alter Wein in neuen | |
| Schläuchen, aber keine wirklich zündend neue Idee im Gasbehälter. | |
| Das Forum ist ein Beratungsgremium, das die „Hightech-Strategie“ der | |
| Bundesregierung, die Forschungs- und Innovationspolitik ihrer | |
| Bundesministerien, seit drei Jahren begleitet. Dem Hightech-Forum gehören | |
| 20 Experten an: aus Wissenschaft und Wirtschaft sowie erstmals sechs | |
| Vertreter der Zivilgesellschaft. Diese „dritte Bank“ war eingerichtet | |
| worden, nachdem in den Vorjahren Kritik laut wurde, dass die Leitlinien die | |
| Innovationspolitik nur von Wirtschaft und Wissenschaft unter sich | |
| ausgekungelt würden. | |
| „Diese Beteiligung der Zivilgesellschaft war eine Bereicherung, die neue | |
| Elemente und Themen in unseren Diskurs eingebracht haben“, sagte der | |
| Präsident des Stifterverbandes, Andreas Barner. Der Pharmaunternehmer | |
| hatte zusammen mit dem Chef der Fraunhofer-Gesellschaft, Reimund | |
| Neugebauer, das Gremium geleitet. 400 weitere Fachleute waren in 60 | |
| Sitzungen des Forums gehört worden. „Einen solchen intensiven Dialog kenne | |
| ich aus anderen Ländern nicht“, bemerkte Neugebauer. | |
| Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen | |
| Gewerkschaftsbunds, war mit der Beteiligung der Zivilgesellschaft | |
| zufrieden. „Ich stand dem Prozess anfangs skeptisch gegenüber, bin aber zum | |
| Schluss eines Besseren belehrt worden“, sagte Hannack gegenüber der taz. | |
| Vor allem die für die Arbeitnehmervertreter wichtigen Vorschläge zur | |
| Modernisierung der beruflichen Bildung und besseren Ausstattung der | |
| Berufsschulen seien vom Forum voll übernommen worden. | |
| Heraus kamen zwei Empfehlungshefte zu „innovationspolitischen Leitlinien“ | |
| und „Umsetzungsimpulsen“, die Bundesforschungsministerin Johanna Wanka | |
| überreicht wurden. Deren lyrische Titel „Gemeinsam besser“ und „Gute Ide… | |
| zur Wirkung bringen“ verbalisieren das derzeitige Problem deutscher | |
| Innovationspolitik: Zu sehr wird von den Kreativ-Akteuren nebeneinander her | |
| innoviert, zu wenig wird auf die praktische Anwendung gedrängt. Wanka | |
| berichtete, dass die Basistechnologie für das autonome Fahren schon 2008 in | |
| der deutschen Wissenschaft vorhanden gewesen sei. „Das Interesse der | |
| Autoindustrie daran war gleich null“, hatte der betroffene Professor der | |
| Politikerin geklagt. | |
| ## Experimentierräume und Bürgerbeteiligung | |
| Neuen Schwung sollen nun Vernetzung und offene Innovationsprozesse bringen. | |
| „Reallabore“ war der Begriff des Tages: „Experimentierräume, in denen | |
| unter Bürgerbeteiligung neue Techniken erlebbar gemacht werden“, beschrieb | |
| Neugebauer die vermeintlich neue „soziale Innovation“, die freilich in | |
| Baden-Württemberg schon seit Jahren in zwei Reallabor-Programmen gefördert | |
| wird. Auf diese Weise solle auch die Akzeptanz in der Bevölkerung für neue | |
| Technologien verbessert werden, hoffte neben dem Technikforscher auch der | |
| Staatssekretär aus dem Bundeswirtschaftsministerium, Matthias Machnig. | |
| Eine Position, der von anderen Forumsmitgliedern dagegen offen | |
| widersprochen wurde. Bei „Open Innovation“, so die Präsidentin der | |
| Goethe-Universität Frankfurt, Birgitta Wolff, „muss es um Partizipation | |
| gehen und nicht um Akzeptanz“. | |
| Der Bundesregierung werde es nicht gelingen, mit den Empfehlungen des | |
| Hightech-Forums aus ihrer „innovationspolitischen Endlosschleife“ | |
| herauszukommen, bemängelte der wissenschaftspolitische Sprecher der Grünen | |
| im Bundestag, Kai Gehring. Beispiel sei die seit zwölf Jahren erhobene | |
| Forderung nach einer steuerlichen Forschungsförderung. Auch die Verengung | |
| auf rein technologische Innovationen sei „längst überholt“, so der | |
| Oppositionspolitiker. „Es ist höchste Zeit, auf sozialökologische | |
| Innovationen zu fokussieren“. | |
| In der Summe seien die Empfehlungen wenig innovativ, urteilte Gehring: „Ein | |
| großer Mehrwert des Forums gegenüber der seit vielen Jahren kontinuierlich | |
| arbeitenden Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) ist kaum | |
| erkennbar.“ | |
| 21 May 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Manfred Ronzheimer | |
| ## TAGS | |
| Innovation | |
| Politikberatung | |
| Akzeptanz | |
| Hightech-Forum | |
| Forschungspolitik | |
| Innovation | |
| Forschungsförderung | |
| Uni | |
| Forschung | |
| Umverteilung | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Ergebnisse des Hightech-Forums: Eine Glasphiole für die Menschheit | |
| Seine Empfehlungen an die Bundesregierung konnte das Hightech-Forum nur | |
| digital präsentieren. Ministerin Karliczek sagte kurzfristig ab. | |
| EFI-Kommission über Forschungspolitik: Neue Strukturen gesucht | |
| Die Forschungspolitik müsse breiter aufgestellt werden, fordern die | |
| EFI-Experten. Die Zivilgesellschaft soll eingebunden werden. | |
| Innovationsjournalismus vernachlässigt: Ein Phantomressort | |
| Die Unterstützung von Innovationen ist ein Schwerpunkt in der | |
| EU-Forschungsförderung. In den Medien ist darüber wenig zu erfahren. | |
| Universum und Materie: Große Geräte für große Forscherfragen | |
| Teilchenbeschleuniger und Teleskope: Rund 15 Milliarden Euro stehen in den | |
| nächsten 10 Jahren für den Betrieb von Großforschungsanlagen bereit. | |
| Urheberrecht in der Wissensgesellschaft: Der Kampf um das digitale Studium | |
| Verlage und die Union wollen verhindern, dass Dozierende Teile von Büchern | |
| lizenzfrei in ihren „digitalen Semesterapparat“ stellen können. | |
| Woche der Innovationspolitik in Berlin: Die sozialen Innovationen fehlen | |
| Die deutsche Forschung bringt zwar wirtschaftliche Erfolge und trägt zur | |
| Wohlstandssicherung bei, vernachlässigt aber die planetare Verantwortung. | |
| Umfrage zur Zukunft der Arbeit: Angst vor der Digitalisierung | |
| Die Arbeitswelt der Zukunft bringt Jobverlust und treibt die soziale | |
| Spaltung noch weiter voran. Das glaubt zumindest die Mehrzahl der | |
| Deutschen. | |
| Wie sich Innovationen verkaufen: Revolutionäres schreckt ab | |
| Innovationen setzen sich auf dem Markt durch? Stimmt nicht. Je | |
| revolutionärer ein Produkt, desto mehr Marketing ist notwendig. |