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# taz.de -- Briten beim Theatertreffen: Die Magie der alltäglichen Sprache
> Das Theaterkollektiv Forced Entertainment, seit über zwanzig Jahren in
> Deutschland präsent, ist erstmals zum Theatertreffen eingeladen.
Bild: Szene aus der Show „Real Magic“ von Forced Entertainment
Berlin taz | Am 6. Mai beginnt das Theatertreffen in Berlin. Simon Stone,
ein junger Regisseur aus Australien, wird das Festival eröffnen mit „Drei
Schwestern“, die er in Basel inszeniert hat. Wenige Tage später folgt „Real
Magic“, von der britischen Gruppe Forced Entertainment, koproduziert von
gleich drei deutschen Theatern: Pact Zollverein aus Essen, dem HAU in
Berlin und dem Mousonturm Frankfurt.
Dass diese englischsprachige Gruppe unter den „10 bemerkenswerten
Inszenierungen des deutschsprachigen Theaters“, die eine Kritikerjury jedes
Jahr auswählen darf, ihren Platz gefunden hat, ist an sich schon
bemerkenswert.
Mein Englisch ist mittelprächtig, aber die Performances von „Forced
Entertainment“, gegründet 1984 in Sheffield, liebe ich nicht zuletzt, weil
ihre Sprache mir suggeriert, doch ziemlich gut Englisch zu verstehen. Ob
diese Einfachheit der Sprache dem Umstand geschuldet ist, dass sie seit 30
Jahren so viel in Europa unterwegs sind, auf Bühnen in Deutschland,
Belgien, den Niederlanden, Österreich?
## „I'm not dead“
Das frage ich Tim Etchells, Regisseur und einer der Autoren im
sechsköpfigen Kollektiv. Vielleicht auch deswegen, sagt er, aber vor allem,
weil sie in ihren Erzählungen von Anfang an nach einer alltäglichen Sprache
suchten, die direkten Kontakt zum Zuschauer herstellt und Bilder in ihm
wachruft. Und das gelang ihnen von Anfang an.
Ich gebe zu, ich habe in einem ihrer Stücke, „From the Dark“ (2016) auch
schon ein wenig geschlafen, ein Bändchen um das Handgelenk mit der
Aufschrift „I’m not dead“. Von der Dämmerung spielten sie bis zum
Morgengrauen durch, Geschichten vom Wegzaubern, von Tod und Auferstehung
und von persönlichen Ängsten. Später fühlte es sich an, als hätte man das
geträumt, wie da als Skelette angemalte Performer auf der Bühne ungeschickt
mit einem Tuch hantieren, um den Tod wegzuzaubern, aber der Tod lässt sich
nicht wegzaubern. Das war großartig, clownesk, grotesk, tiefsinnig.
Auch in „Real Magic“, dem Stück, mit dem sie zum Theatertreffen eingeladen
sind, geht es um das Scheitern, die Wiederholung, die Vergeblichkeit. Viel
davon hat Forced Entertainment in das deutsche Theater hineingetragen und
mit ihrer Erzählweise die Entwicklung des postdramatischen Theaters
angestoßen. Und ein ganz spezieller Punkt war für sie von Anfang an, den
Einfluss der Massenmedien auf die persönliche Befindlichkeit zu fassen zu
bekommen, die Veränderung des Erwartungshorizonts durch das Spektakel.
„Wie sich das durchdringt, das nimmt ja noch zu“, sagt Tim Etchells. Schon
deshalb nehmen sie oft ihre alten Performances und erzählen sie neu. Jung
und innovativ waren sie vor langer Zeit. Jetzt stärkt sie das Wissen, ein
Werk und ein Instrumentarium entwickelt zu haben, das weiterhin zur
Beschreibung der Gegenwart taugt.
## Kollektiv seit 1984
Ihre Basis ist in Sheffield, doch präsent sind sie an vielen Bühnen in
Europa. „Wir hatten immer das Gefühl, von einem Ort zu kommen, der sich vom
Kontinent unterscheidet“, sagt Etchells. Sie haben in einer sehr
konservativen Zeit, der Thatcher-Ära, in Großbritannien begonnen, die
Arbeit in Europa machte sie freier. Hier war das Publikum bereit, mit ihnen
über die Bedingungen von Theater nachzudenken, individuellen Stimmen der
Erzähler zu folgen.
Ihr Erfolg als britische Performer ist durch ein Netzwerk vieler
europäischer Partner entstanden. Das weiß das HAU in Berlin zu feiern und
zeigt aus Anlass des Theatertreffens gleich noch weitere Arbeiten von
ihnen.
Die taz hat, so zeigt das Archiv, seit 20 Jahren oft über dieses Kollektiv
geschrieben. Sicher nicht zuletzt auch deshalb, weil es so viele
erfolgreiche Kollektive ja nicht zu bewundern gibt.
5 May 2017
## AUTOREN
Katrin Bettina Müller
## TAGS
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Schwerpunkt Coronavirus
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