# taz.de -- Serienkolumne Die Couchreporter: Jede Ordnung kann verschwinden | |
> Erschreckend aktuell: „The Handmaid’s Tale“ nach Margaret Atwoods Roman | |
> wurde als Serie beim US-Streamingdienst Hulu verfilmt. | |
Bild: Offred (Elisabeth Moss) muss als Magd zu Diensten sein – und Kinder geb… | |
Veränderungen geschehen nicht spontan, sondern vollziehen sich schleichend. | |
Und meist hätte man die kleinen Veränderungen, die irgendwann in eine große | |
münden, sehen können, hätte man nur genau hingesehen. Aber dann ist es | |
längst zu spät. | |
Für Offred scheint das der Fall zu sein. Man hat ihr alles genommen: den | |
Job, das Geld, Freiheiten, über die sie als Frau unter den neuen Gesetzen | |
der totalitären und christlich fundamentalistischen Regierung von Gilead | |
nicht mehr verfügen darf, den Mann (auf der Flucht erschossen), die Tochter | |
(wo sie ist, weiß man nicht), sogar ihren Namen. | |
Sie ist jetzt nur noch „of Fred“, ein Ding, das eine Funktion erfüllt. | |
Nämlich Kinder zu gebären, für eine fromme und im neuen Staate hoch | |
angesehene Familie, die das aufgrund von Unfruchtbarkeit nicht mehr kann. | |
Offred sei „eine Blume, die darauf wartet, besamt zu werden“, wie man ihr | |
unter Androhung von Elektroschocks erklärt – in dem wohl traurigsten und | |
grausamsten Dreier der Filmgeschichte: zwischen den Beinen der Ehefrau | |
liegend, der sie nun gehört, während der Herr des Hauses mechanisch den | |
Gürtel löst und unter ihrem blutroten Rock in ein Loch rammelt, wie es | |
unbeteiligter kaum möglich ist. Alles daran ist pures Leid, und zwar für | |
alle Beteiligten. | |
## Geschrieben in Deutschland | |
Margaret Atwoods dystopischer Roman „The Handmaid’s Tale“ („Der Report … | |
Magd“), der diese Geschichte ursprünglich erzählt, stammt aus dem Jahr | |
1985, geschrieben unter dem Eindruck des Ost-West-Konflikts. | |
Die kanadische Autorin lebte damals in Westdeutschland, wie sie erst | |
kürzlich in einem [1][Interview mit der New York Times] berichtete. Dass | |
Atwood nun plötzlich Interviews in renommierten Zeitschriften geben darf – | |
[2][auch im SZ Magazin] –, liegt am US-amerikanischen Streamingdienst Hulu. | |
Der hat „The Handmaid’s Tale“ jetzt nah am Originaltext und deshalb | |
ziemlich packend als Serie verfilmt. In Deutschland ist „The Handmaid’s | |
Tale“ bislang nur illegal zu sehen. Die Ausstrahlungsrechte wurden | |
hierzulande noch nicht verkauft. | |
Die Aufregung um die Serie, die trotzdem bereits durch die sozialen | |
Netzwerke schwappt, ist berechtigt. Ganz plötzlich – in Zeiten, in denen | |
ein ahnungsloser Populist im Weißen Haus regiert, dem Minderheitenrechte | |
und das tatsächliche Wohlergehen von Menschen so egal sind, wie nur | |
irgendwas – ist Atwoods Klassiker geradezu beängstigen aktuell. | |
## „Wir sind nicht aufgewacht“ | |
„Geboren 1939 und sozialisiert während des Zweiten Weltkriegs, war mir | |
immer bewusst, dass jede noch so etablierte Ordnung über Nacht verschwinden | |
kann“, sagt Atwood. Und ihre Protagonistin Offred, gespielt von Elisabeth | |
Moss (Peggy Olson aus „Mad Men“), verstärkt die Mahnung: „Wir haben es | |
geschehen lassen“ und „wir sind nicht aufgewacht“, sagt sie, als sie | |
endlich den Willen findet, gegen das System aufbegehren. | |
Was die Serie überdeutlich zeigt, ist, dass es stets die Schwächsten einer | |
Gesellschaft sind, die ein unmenschliches System am härtesten trifft. Aber | |
auch, dass selbst diejenigen leiden, die glauben, davon zu profitieren. | |
Nolite te bastardes carborundorum lautet ein lateinisches Bonmot, dass | |
Offreds Vorgängerin im Schrank hinterließ, bevor sie sich das Leben nahm; | |
„Don’t let the bastards grind you down“. | |
17 May 2017 | |
## LINKS | |
[1] https://www.nytimes.com/2017/03/10/books/review/margaret-atwood-handmaids-t… | |
[2] http://www.sueddeutsche.de/kultur/margaret-atwood-wir-machen-grosse-fortsch… | |
## AUTOREN | |
Marlene Halser | |
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