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# taz.de -- Friedenspreis an Margaret Atwood: Eine Art tollpatschiges Staunen
> Der Buchhandel ehrt Margaret Atwood mit dem Friedenspreis. In ihrer
> Dankesrede sieht sie sich nicht als Aktivistin – und wirkt doch
> politisch.
Bild: Margaret Atwood wird für „Humanität, Gerechtigkeitsstreben und Tolera…
Frankfurt a. M. taz | 1984, im Jahre Orwells, saß Margaret Atwood an einem
Schreibtisch in West-Berlin. Auch sie schrieb eine dystopische Geschichte:
„A Handmaid's Tale“ lautete der Titel, auf Deutsch „Der Report der Magd�…
Daran erinnerte sich die Schriftstellerin in ihrer Dankesrede zur
Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels in der Frankfurter
Paulskirche am Sonntag.
Die 1939 im kanadischen Ottawa geborene Atwood erzählte auch, wie sie ihre
Schriftstellerkarriere im Alter von sieben Jahren aufgab, als sie mit ihrem
ersten Romanprojekt strandete: „Die Heldin war eine Ameise. Sie saß auf
einem Floß und ließ sich einem Abenteuer entgegentreiben, das nie konkrete
Formen annahm.“ Die junge Margaret versuchte sich fortan als Malerin und
Botanikerin.
Auszeichnungen wie der Friedenspreis dienen der Selbstvergewisserung der
Gesellschaft. Angesichts der „Gräueltaten des Naziregimes und der
Tatenlosigkeit, wenn nicht sogar Anbiederung der Buchbranche“ riefen
Verleger und Buchhändler 1950 den Friedenspreis ins Leben. Das hatte
Heinrich Riethmüller, der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen
Buchhandels, vor Atwoods Rede gesagt. Und angesichts der lauter werdenden
Teile der westlichen Gesellschaften, die ihre angstgetriebene, regressive
Mentalität der vitalen, offen in die Zukunft schauenden Mehrheit aufzwingen
wollen, ist dieser Preis ein Symbol, das an Dringlichkeit gewinnt.
Seine Entgegennahme bringt Schriftstellerinnen aber auch in die missliche
Lage, ihre Kunst gegen die Ansprüche des Politischen verteidigen zu müssen.
Atwood tat das mit Bravour und Selbstironie. „Eine echte Aktivistin würde
ihr Schreiben als Vehikel für ihren Aktivismus sehen, und das war bei mir
nie der Fall“, sagte die Frau mit den grauen Locken und der knallroten
Brille. „Was nach Aktivismus meinerseits aussieht, ist meist eine Art
tollpatschiges Staunen. Warum hat denn der Kaiser nichts an, und warum wird
es so oft als unhöflich empfunden, wenn man einfach damit herausplatzt?“
Mit Blick auf die USA, auf Großbritannien, „in Anbetracht der jüngsten
Wahlergebnisse“ aber auch auf Deutschland, sprach Atwood von einer Gruft,
die man bislang für verschlossen gehalten habe. „Doch irgendjemand besaß
den Schlüssel und hat die verbotene Kammer geöffnet – was für ein Ungeheuer
wird daraus geboren?“ Romane zu schreiben ist für Atwood der Versuch zu
ergründen, warum Menschen tun, was sie tun.
Die politische Dimension dieses Tuns wird in „A Handmaid's Tale“ deutlich,
das die Geschichte einer „Magd“ erzählt: So werden in der theokratischen
„Republik von Gilead“ auf dem ehemaligen Territorium der USA jene Frauen
genannt, die ihren Körper Männern zur Verfügung stellen müssen, um ihnen
Kinder zu gebären.
Atwoods Roman wird gerade wiederentdeckt. Wegen [1][seiner Verfilmung als
TV-Serie], aber vor allem wegen seiner antitotalitären, feministischen
Perspektive: „Heute, gut dreißig Jahre später, ist dieses Buch wieder
aktuell“, sagte Atwood in Frankfurt.
15 Oct 2017
## LINKS
[1] /Serienkolumne-Die-Couchreporter/!5406725
## AUTOREN
Ulrich Gutmair
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Friedenspreis des Deutschen Buchhandels
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