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# taz.de -- Petition der Woche: Schweine als Nachbarn
> Ein Kindergarten im Hessischen soll nicht erweitert werden, weil nebenan
> ein Viehstall zu sehr stinkt. Der Ortsvorsteher kämpft für den Ausbau.
Bild: Je Schwein desto Stink
Landluft ist gesund, heißt es immer. Großstadteltern planen deshalb gern
Kurzurlaube auf Bauernhöfen und übernachten mit ihren Kindern auf Heuböden.
Stallgeruch gehört dann natürlich dazu. Die rund 500 Bewohner im hessischen
Mardorf haben diesen Geruch allerdings jeden Tag. Sie leben mit 100
Hühnern, 10 Kühen und 1.500 Schweinen eng zusammen.
Zu eng, findet die Bauaufsicht des zuständigen Schwalm-Eder-Kreises dieses
Zusammenleben von Mensch und Tier. Weil der Mardörfer Kindergarten unweit
eines Schweinemastbetriebs liegt, hat die Bauaufsicht im Zuge des
Baugenehmigungsverfahrens für den geplanten Neubau des Kindergartens ein
Geruchsimmissionsgutachten gefordert.
Das Ergebnis: Die Geruchsimmissionen an dem Standort sind zu hoch. Die
Bauaufsicht hat deshalb eine Ablehnung des Bauantrags in Aussicht gestellt.
Der Ortsvorsteher Fritz Vaupel erklärt nun, dass die Mardöfer sich an dem
Stallgeruch nicht stören. Mardorf sei eben ein landwirtschaftlich geprägter
Ort. „Im Dorf ist das so“, sagt Vaupel. Für den Ortsvorsteher ist die
Beurteilung der Bauaufsicht unbegreiflich. „Ich selbst wohne seit fast 70
Jahren in diesem Dorf und habe in dieser Zeit noch nie von irgendjemandem
Kritik an der Lage unseres Kindergartens gehört, geschweige denn von der
Rücknahme eines Kindes aufgrund einer Geruchsbelästigung aus dem
Kindergarten“, so Vaupel. Der Kindergarten bestehe seit 45 Jahren, genauso
lang wie der Mastbetrieb in der Nachbarschaft.
## Es gibt einen Mehrbedarf an Plätzen
Die Erweiterung des Kindergartens ist in den Augen des Ortsvorstehers
dringend nötig. Der Neubau sei wichtig, um das Betreuungsangebot des
Kindergartens auszuweiten, sagt er: Es gibt einen Mehrbedarf an Plätzen –
und in Zukunft soll der Kindergarten auch am Nachmittag verstärkt zur
Verfügung stehen. Anders als Thomas Horn von der Bauaufsicht geht Vaupel
auch nicht davon aus, dass sich ein geeignetes Alternativgrundstück findet.
Der Ortsvorsteher hat deshalb eine Petition an den Hessischen Landtag
eingereicht, um den Kindergarten an dem nun umstrittenen Standort zu
erhalten. 854 Unterschriften sind nach eigenen Angaben zusammengekommen.
Das sind mehr, als das Dorf Einwohner hat. Die Anzahl der Unterschriften
zeige, dass das Betreuungsangebot auch für Nachbardörfer wichtig sei, sagt
Vaupel: „Viele junge Familien mit Kindern bleiben gerade wegen der
ortsnahen Kinderbetreuung in unserem Dorf oder sind deshalb zu uns
gezogen.“
Aber die Bauaufsicht entscheidet hinsichtlich des Bauantrags auf Grundlage
gesetzlicher Geruchsimmissionsrichtlinien (GIRL). Die Geruchsimmissionen
werden prozentual in Jahresstunden angegeben, der Wert korreliert mit der
Anzahl der Tiere, der Haltungsform, der Art des Betriebes, der
Beschaffenheit des Geländes und meteorologischen Daten wie zum Beispiel der
Windrichtung. Entscheidend ist auch, ob es sich um Dorf-, Wohn- oder
Gewerbegebiet handelt.
## Ist zu viel Landluft ungesund?
Ein Geruchsimmissionsgutachten einzufordern sei ein „ganz normaler
Schritt“ des Baugenehmigungsverfahrens, sagt Thomas Horn von der
Bauaufsicht. Ob es Beschwerden über den Geruch gebe oder nicht, sei dabei
nicht von Belang. Allein das Gutachten zeige jedoch, dass der Stallgeruch
in diesem Fall eine „unzumutbare Belästigung“ sei, so Horn. Der
Kindergarten selbst wollte sich gegenüber der taz.am Wochenende leider
nicht äußern.
Ist zu viel Landluft vielleicht doch ungesund? „Natürlich ist der Geruch
von Ställen selbst nicht gesundheitsschädlich“, sagt Uwe Rösler, Professor
am Institut für Tier- und Umwelthygiene der Freien Universität Berlin.
Schadstoffe wie zum Beispiel ein hoher Ammoniakanteil könnte zu
Schleimhautreizungen führen, allerdings erst in hoher Konzentration.
Zu viel Landluft kann also tatsächlich der Gesundheit schaden. Ob die
Landluft in Mardorf ungesund ist oder nicht, gehe aus dem
Geruchsimmissionsgutachten allerdings nicht hervor, erklärt Volker Kummer
vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie, der das
Gutachten geprüft hat. Am Ende geht es also nur darum, ob es stinkt oder
nicht.
14 May 2017
## AUTOREN
Lea Diehl
## TAGS
Petition
Landwirtschaft
Kindergarten
Schweinemast
Geruch
Umwelt
Kinderbetreuung
Abschiebung Minderjähriger
Müll
Inklusion
Online-Petition
Ungarn
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