# taz.de -- Religion und Vögel: Wandern, beten, Störche | |
> Unterwegs mit der katholischen Hochschulgruppe auf einem | |
> biblisch-ornithologischen Spaziergang. Theologische Zoologie ist in. | |
Bild: Hat nach allem, was wir wissen keine Konfession: Storch | |
Bin verkatert, muss fast kotzen, später geht es dann. Um 11.20 Uhr fährt | |
die katholische Hochschulgruppe in Wagen Eins des RE Frankfurt-Kassel zum | |
„Biblischen Birding“. Wandern, Beten, Vögelschauen? Ob da viele Schwule | |
sind? Oder gerade keiner? Wer wird wen missbrauchen? | |
Auftritt Dirk und Petra. Dirk ist „naturwissenschaftlicher Referent“ der | |
Gruppe, Mitte vierzig, war „weder Ministrant noch Pfadfinder“. Hat Biologie | |
und Theologie studiert, zweimal promoviert. Fachgebiet: Begräbniswesen. | |
Streckt die Zunge keck halb raus, wenn er Witze macht. Petra arbeitet an | |
einem Juralehrstuhl, Mitte fünfzig, Haare grau, amorph. Lacht bei jedem | |
Satz, gar jedem Wort, das fällt. „Mehr“, sagt Dirk, „werden wir nicht“. | |
Alle anderen hätten abgesagt. Petra entschuldigt sich dafür, dass sie ihr | |
Brötchen so ungeschickt esse. Die Prothese falle sonst raus. Petra sagt: | |
„Ich wähle die Grünen.“ Und lacht. | |
Umstieg in Friedberg: Kaffee, aber nicht bei „Mäc Doof“. „Großkonzern�… | |
meint Dirk. Petra erzählt von einem Kumpel ihres Onkels, der nach Tauben | |
süchtig sei. Jedes Jahr wolle er aufs Neue seinen Taubenschlag loswerden, | |
schaffe es aber nicht. Dann von einer 77-jährigen, hilflosen | |
Großstadtseniorin. Petra hat früher neben einer JVA gewohnt. Jetzt, nach | |
Umzug, wieder. Bald hat sie alle Knäste Frankfurts durch. Dirk schlägt mir | |
vor: „Du kannst deine Mutter umbringen und dann ein Buch darüber | |
schreiben“, so wie ein Typ aus den Achtzigern, das sei ja eine ganz | |
passable Berufsaussicht. | |
Dann Beginn der Wanderung. Naturschutzgebiet Pfaffensee, dahinter | |
Teufelssee. Etwa zwei Dutzend Mal bleiben wir stehen, um Bibelzitate zu | |
hören. Es gebe 273 Referenzen auf Vögel in der Bibel, sagt Dirk. Tierethik | |
ist in. Mafiös-kulturwissenschaftliche Konglomerate radikaler Veganisten | |
schieben sich die Posten zu. In Kassel „Geschichte der | |
Mensch-Tier-Beziehungen“, in Münster das „Institut für theologische | |
Zoologie“. Das reinste Petwashing. | |
Petra reicht eine etwas angefaulte Banane. Vom Aussichtsturm sieht man: | |
Graugänse, Nilgänse, Stockenten, Kiebitze, Reiher, Störche, Bachstelzen, | |
Leute vom Naturschutzbund. Vögel, sagt Dirk, zeigen in der Bibel deren | |
Ursprung im Mythos: Natur als Bedrohung. Tobit, der durch Sperlingskot | |
erblindet. Aber auch die bis zur Besinnungslosigkeit getriebene Vernunft: | |
Beherrschung der Wildnis; Besänftigung durch Opfertiere. Reinheitsregeln, | |
Identitätsbildung. Nachhaltigkeit, aber aus Nützlichkeitsdenken: Man solle | |
nur die Eier, nicht die Muttertiere essen. | |
Wir essen Brötchen mit Geflügelsalami, allerdings Bio. „Etwas makaber“, | |
gibt Dirk zu. Die katholische Hochschulgruppe kaufe nur noch Bio. Ich | |
erzähle von Mike, dem kopflosen Huhn, das nach missglückter Schlachtung | |
anderthalb Jahre mit nur einem Fetzen Hirn überlebte. Petra und Dirk | |
blicken auf, leicht irritiert. Petra schimpft auf „Gendermenschen“. Eine | |
Passantin erwähnt einen russischen Zahnarzt. Vor dem Turm liegt ein | |
gerupfter Vogel. | |
Später kommen wir zu einem Schild, auf dem „Speiballen des weißen Storches�… | |
abgebildet sind. Ein Vogel fliegt auf, doch weiß niemand, welcher. „Dann | |
müssen wir halt dumm sterben“, sagt Dirk. | |
Es war ein schöner Tag. | |
2 May 2017 | |
## AUTOREN | |
Adrian Schulz | |
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