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# taz.de -- Die Arbeit eines Herpetologen: Den Froschrufen auf der Spur
> Es pfeift, knarzt, quietscht im Büro von Martin Jansen. Der Biologe muss
> genau hinhören, denn er nutzt die sogenannte Bioakustik zur Bestimmung
> von Arten.
Bild: Der Herpetologe Martin Jansen an seinem Schreibtisch. Die Froschrufe auf …
Frankfurt dpa | In der Hand von Martin Jansen ist der Pfeiffrosch völlig
verstummt. Nur die Kinnblase bewegt sich, während das Tier zu dem Forscher
des Frankfurter Senckenberg-Instituts für Naturforschung empor starrt. Dass
Leptodactylus syphax sich im heimischen Paraguay weit weniger zurückhaltend
gibt, demonstriert der Frosch-Experte wenig später an seinem Arbeitsplatz:
Rhythmisches Pfeifen klingt aus dem Computerlautsprecher, während Jansen
die Lautkurve auf dem Bildschirm verfolgt. „Hier kann man sehr schön die
Frequenz erkennen, die den Ruf prägt“, sagt er zufrieden. Das sei wichtig
in der Bioakustik, um Verwechslungen zu vermeiden.
Der Biologe Jansen ist ein Forscher, der den Sound der Frösche analysiert –
und der Klang aus dem Dschungeltümpel hat schon wiederholt zur Entdeckung
neuer Arten geführt. Rein äußerlich seien sich viele Froscharten
buchstäblich zum Verwechseln ähnlich, erläutert Jansen, der erst kürzlich
wieder in Bolivien Feldforschung betrieben hatte.
Den Studenten, die Artenbestimmung mit Hilfe von Akustik lernen sollten,
gab er einen kleinen Ordner als Arbeitshilfe. „Das ist sozusagen Froggish
für Anfänger“, lächelt der Wissenschaftler. „Es gibt eine gewisse
Kakophonie am Tümpel, da wollen wir den Studenten helfen, sich zu
strukturieren.“
Klingt alles höchst kompliziert, doch Jansen versichert: „Die Frösche rufen
alle so extrem unterschiedlich, da ist das Erfolgserlebnis relativ schnell
da, auch ohne absolutes Gehör.“ Und in der Tat, die isolierten Einzelrufe
aus dem Computer sind leicht auseinander zu halten. Es gibt pfeifende
Frösche, knarzende, gurgelnde, und einer klingt wie ein Rennwagen in der
Überholkurve. „Das ist der Ferrari-Frosch“, sagt Jansen.
## Artenvielfalt dokumentieren
Im vergangenen Jahr machte er in Brasilien einen weiteren Frosch aus,
dessen Ruf wie ein kleiner, allerdings eher schnurrender Motor klingt. Da
lag „Motorzinho“ als neuer Name nahe.
Trotz des niedlichen Namens – eine wissenschaftliche Spielerei ist die
Klangforschung im Sumpf keineswegs. „Wir sind überzeugt, dass es wichtig
ist, die Artenvielfalt der Erde zu dokumentieren, gerade im Wettlauf mit
Klimawandel und der Abholzung der Regenwälder“, betont Jansen. „Da stehen
wir einfach unter dem Druck, möglichst viele Arten noch zu beschreiben, ehe
sie verschwunden sind.“
Denn die Identifizierung der Frösche nicht nur nach ihrem Äußeren, sondern
auch nach DNA-Material und ihren Rufen kann Überraschungen bergen: „Da
denkt man vielleicht, eine Froschart ist in Südamerika weit verbreitet, und
dann stellt sich heraus, es handelt sich tatsächlich um neun verschiedene
Arten, von denen sich mehrere nicht in Schutzgebieten oder in klimatisch
sehr sensiblen Gebieten befinden“, beschreibt Jansen.
Bioakustik ist eine relativ junge Wissenschaft. „Aber eine mit Zukunft“,
ist Karl-Heinz Frommolt, Kustos des Tierstimmenarchives am Berliner
Naturkundemuseum, sicher. Mit rund 120 000 Tonaufnahmen ist das seit 1951
aufgebaute Archiv nach eigenen Angaben eine der größten Sammlungen dieser
Art weltweit.
## Die Entdeckung neuer Arten
In der Anfangszeit seien Stimmen als Teil des Tierverhaltens untersucht
worden, sagt Frommolt. „Die Erkenntnis, dass die Stimme auch ein sehr
entscheidendes taxonomisches (Artbestimmungs-)Merkmal ist, kam eigentlich
erst später.“
Während Bioakustik bei Fröschen wegen der teilweise sehr großen äußeren
Ähnlichkeit besonders wichtig ist, sorgten Stimmenaufnahmen auch bei
anderen Tieren zur Entdeckung neuer Arten. Meisen, Fledermäuse und
Heuschrecken zählt Frommolt als Beispiel auf. „Noch verrückter ist es bei
einigen Zikaden“, sagt er. „Da sind bei einigen Arten nur die Tonaufnahmen
vorhanden und man weiß noch nicht einmal, wie die aussehen.“ Die in den
Baumgipfeln lebenden Tiere seien noch nicht gesichtet worden – nur ihre
Rufe seien der Beweis für die Existenz der Art.
Auf das genaue Hinsehen legt Froschforscher Jansen wiederum großen Wert.
„Mein bioakustischer Anspruch ist, einzelne Individuen aufzunehmen und
deren Ruf klar auf der Aufnahme zu haben“, betont er und beschreibt den
Forscher-Alptraum: „Stellen Sie sich vor, Sie fahren in ein Gebiet, dass
sie nicht gut kennen, und es gibt zwei Frösche, die sich zum Verwechseln
ähnlich sehen. Sie nehmen einen auf und sammeln einen daneben sitzenden
ein, der nicht gepfiffen hat. Dann haben Sie den Ruf von der Art A, aber
die Art B gesammelt.“
2 May 2017
## AUTOREN
Eva Krafczyk
## TAGS
Biologie
Fauna
Veganismus
Fischerei
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