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# taz.de -- Angriffe auf Opposition in Russland: Säure ins Auge
> Nicht nur den Politiker Alexei Nawalny trifft es. Immer mehr Kritiker des
> Kreml werden zum Opfer von Chemikalienangriffen.
Bild: Lässt sich hoffentlich nicht unterkriegen: Putinkritiker Alexei Nawalny …
Moskau taz | Zunächst hielt er es für einen Witz. Am Donnerstag forderte
die russische Passbehörde Alexei Nawalny auf, sein neues
Auslandsreisedokument abzuholen. Seit fünf Jahren war Russlands
bekanntestem Antikorruptionsaktivisten dies verweigert worden.
Anlass für die behördliche Nachsicht muss der Angriff in der Vorwoche
gewesen sein. Beim Verlassen seines Büros lauerte ihm jemand auf und
schüttete ihm eine grüne Flüssigkeit ins Gesicht: „Seljenko“ (Brillantgr…
– ein Antiseptikum, das in keiner russischen Hausapotheke fehlen darf.
Es färbte sich nicht nur das Gesicht grün. Die Mixtur landete in Nawalnys
rechtem Auge, es hat nur noch 15 Prozent Sehkraft und könnte erblinden.
Klar ist, dass der Tinktur noch ein anderes ätzendes Mittel beigemischt
worden sein muss.
Kremltreue Aktivisten haben das grüne Desinfektionsmittel neuerdings zur
Allzweckwaffe erkoren. Vergangene Woche wurden der Blogger Ilja Warlamow in
Stawropol und Natalja Fjodorowa von der Partei Jabloko in Moskau Ziel
ähnlicher Attacken. Seit Jahresbeginn zählt der „Fonds für den Kampf mit
der Korruption“ neun Opfer chemischer Überfälle.
Feige Überfälle statt Diskussionen
„Statt Wahldebatten wird dir permanent irgendein Scheiß ins Gesicht
geworfen“, sagte Nawalny, der eigentlich 2018 zu Russlands
Präsidentschaftswahl antreten will. Ärzte rieten dem unbeugsamen
Putin-Herausforderer, sich im Ausland behandeln zu lassen. Die Passbehörde
spielte mit. Aber noch am selben Tag meldete sich die Staatsanwaltschaft
bei Nawalnys Anwalt und warnte: Sein Klient solle nicht auf die Idee
kommen, als rechtskräftig Verurteilter Russland zu verlassen. Wegen
vermeintlichen Betrugs im Holzhandel ist Nawalny zu einer Bewährungsstrafe
verurteilt, was der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in
Straßburg als politisch motiviert beanstandet hat.
Nachdem die Polizei die Angreifer nicht auffinden konnte, ermittelte der
Stab von Nawalnys „Antikorruptionsfonds“ auf eigene Faust.
Überwachungskameras am Tatort waren zur Tatzeit seltsamerweise nicht im
Einsatz. Doch über den Server eines Senders, der den Vorfall aufzeichnete
und vom Täter vorab wohl eingeweiht worden war, wurden die Fondsmitarbeiter
fündig.
Hinter dem Angriff steht demnach die nationalistische Gruppe SERB, die
„traditionelle russische Familienwerte gegen den vom Westen und den USA
aufgezwungenen moralischen Verfall“ unterstützt. Das sind echte
Überzeugungstäter. Gelegentlich zerstört SERB das Mahnmal für den
ermordeten Kremlkritiker Nemzow, wenn nichts Brennenderes ansteht.
Alexander Petrunko, der den Aufnahmen nach Nawalny überfiel, saß im
vergangenen Herbst in Haft, nachdem er ausgestellte Fotos des US-Künstlers
Jock Sturges mit Fäkalien übergossen hatte. 2014 hatte er mit
Gleichgesinnten vergeblich versucht, im ukrainischen Charkiw eine
„Volksrepublik“ wie in Donezk und Lugansk zu errichten.
Petrunko und seine Mitstreiter verfügen über gute Kontakte in den Kreml.
Fotos zeigen ihn mit dem Vizevorsitzenden der Duma, Pjotr Tolstoi, und
Putins rechtslastigem Wirtschaftsberater Sergei Glasew.
6 May 2017
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
## TAGS
Russland
Kreml-Kritiker
Opposition
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