# taz.de -- Unterkunft für Geflüchtete in Berlin: Die allerletzte Turnhalle | |
> Im März verkündete die Sozialsenatorin, dass keine Halle mehr als | |
> Notunterkunft genutzt werde. Das stimmt nicht: In Friedrichsfelde leben | |
> dort weiterhin Menschen. | |
Bild: Offiziell war diese Turnhalle in Pankow die letzte, die als Notunterkunft… | |
Es ist ein Ort, den es nach offizieller Darstellung gar nicht mehr geben | |
sollte: eine Turnhalle als Notunterkunft, in der die BewohnerInnen die | |
Doppelstockbetten mit Laken und Bettbezügen zugehängt haben, um wenigstens | |
ein bisschen Privatsphäre zu schaffen. Und noch immer leben 77 Menschen, | |
darunter 28 Kinder, in dieser Halle – mehr als einen Monat nachdem | |
Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke), Finanzsenator Matthias | |
Kollatz-Ahnen (SPD) und die Leiterin des Landesamts für | |
Flüchtlingsangelegenheiten (LAF), Claudia Langeheine, gemeinsam öffentlich | |
verkündet hatten, sie hätten ihr Ziel erreicht und alle Notunterkünfte in | |
Turnhallen im ersten Quartal des Jahres aufgelöst. | |
Die Turnhalle befindet sich auf dem Gelände der Hochschule für Wirtschaft | |
und Recht in Friedrichsfelde. Auf der internen Liste des Landes mit allen | |
Unterkünften, die der taz vorliegt, war die Unterkunft Ende März noch als | |
Turnhalle ausgewiesen; auf der Liste von Mitte April wird sie dann nicht | |
mehr als Turnhalle bezeichnet. | |
Das LAF erklärte dazu, dass in der Halle, schon lange bevor sie zu einer | |
Notunterkunft wurde, kein Sportunterricht mehr stattgefunden habe. Das | |
Gebäude sei marode und werde auch in Zukunft nicht mehr als Sporthalle | |
genutzt. Kurz gesagt: Dass dort Flüchtlinge leben, stört den Ablauf des | |
Schul- oder Vereinssports nicht – anders als bei den anderen rund 60 | |
Turnhallen, die meist mehr als ein Jahr lang als Notunterkünfte dienten. | |
## Endstation vor Abschiebung | |
Die Halle ist noch aus einem weiteren Grund besonders: Sie dient der | |
Sozialverwaltung als Sammelstelle für Menschen mit geringer | |
Bleibeperspektive. Im Juni 2016 hatte sie der damalige Sozialsenator Mario | |
Czaja (CDU) als Unterkunft eröffnet, um dort nur Menschen aus sogenannten | |
sicheren Herkunftsländern unterzubringen und von dort effektiver abschieben | |
zu können. Für die meisten BewohnerInnen war die Unterkunft damit eine | |
Endstation, bevor sie abgeholt und im Sammelcharterflieger in ihre | |
Herkunftsländer abgeschoben wurden. | |
Neun Monate lebe er schon in der Unterkunft, wahrscheinlich müsse er bald | |
nach Serbien zurückkehren, erklärt einer der Bewohner. In gebrochenem | |
Deutsch berichtet er, dass letztens viele BewohnerInnen abgeholt worden | |
seien. Auch die Kinder, die auf klapprigen Rädern vor der Unterkunft auf | |
und ab fahren, verstehen kaum Deutsch. | |
## Viele Menschen aus Moldau | |
Die Senatsinnenverwaltung bestätigt, dass die Turnhalle zu den Adressen | |
gehöre, „unter denen eine Vielzahl vollziehbar ausreisepflichtiger Personen | |
aus Moldau registriert worden ist“. Konkrete Informationen darüber, wie | |
viele Menschen explizit aus der Notunterkunft Alt-Friedrichsfelde | |
abgeschoben worden sind, lägen ihnen nicht vor. | |
Sozialsenatorin Breitenbach erklärte auf Anfrage der taz, die Unterkunft | |
schließen zu wollen – wann, blieb offen. „Eine solche Art der Belegung wie | |
in Alt-Friedrichsfelde wird es mit dem neuen Senat nicht mehr geben.“ Es | |
sei eine Entscheidung des Vorgängersenats gewesen, Menschen mit geringer | |
Bleibeperspektive an einem Ort unterzubringen. | |
Der Flüchtlingsrat hat bereits mehrfach gefordert, die Turnhalle zu | |
schließen – zuletzt im März. Sie sei allein zur Abschreckung eingerichtet | |
worden. Auch Canan Bayram, flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen im | |
Abgeordnetenhaus, findet es nicht richtig, dass das LAF die Unterkunft | |
weiterhin betreibt. „Diese Turnhalle ist eines der ersten Dinge, die man | |
als linke Regierung angehen muss. Die Senatorin muss sie jetzt schließen“, | |
fordert sie. | |
Überhaupt sei es nicht rechtens, im Verfahren zwischen Asylsuchenden mit | |
geringer und mit guter Bleibeperspektive zu unterscheiden und Flüchtlinge | |
aufgrund ihres Herkunftslandes in einer bestimmten Unterkunft zu sammeln. | |
„Auch wenn viele Menschen aus den Balkanländern negative Asylbescheide | |
bekommen, muss jeder Einzelfall geprüft werden und müssen alle | |
Asylsuchenden gleich behandelt werden“, so Bayram zu taz. | |
5 May 2017 | |
## AUTOREN | |
Uta Schleiermacher | |
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