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# taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Macron Président!
> Ist Emmanuel Macron tatsächlich nur das „kleinere Übel“ im Vergleich zu
> Le Pen? Quatsch mit Soße: Er ist eine kleine Chance für patriotische
> Europäer.
Bild: Emmanuel Macron bei einer Wahlkampfveranstaltung in Rodez (Frankreich)
Der Salonlinke ist zu einer gestrigen und damit traurigen Gestalt geworden.
Letztens stand ein klassisches Exemplar bei einer taz-Veranstaltung an der
Berliner Schaubühne auf und wetterte gegen den französischen
Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron. „Neoliberal“, Agenda, alles
noch schlimmer. Erst dachte ich, es sei ein Schauspieler, der zu
Aufklärungszwecken den starren Mann von gestern mimt. Aber es war der
chargierende Intendant, und er meinte es ernst.
Bitter.
Auch der Classic-Salonlinke kriegt seinen Universalismus einfach nicht mehr
mit der Arbeiterprotektion zusammen, beziehungsweise läuft Letzteres in der
Regel – zwangsläufig – auf einen nationalen Protektionismus hinaus. Morbus
Wagenknecht.
Rudolf Balmer hat in der taz [1][das Problem auf den Punkt gebracht], als
er über den sich als links verstehenden Kandidaten Mélenchon und die
Linkspopulismusdenkerin Chantal Mouffe sagte, dass bei ihnen „die
nationale Identität zwangsläufig der Rahmen der Verteidigung des Volkes
gegen die Globalisierung“ bilde. In diesem nationalistischen Denken
verteidigt der Europäer Macron das „Volk“ nicht, sondern liefert es den
vaterlandslosen „Eliten“ aus.
## Der dumme Teil der Linken
Robert Misik hat, [2][auch in der taz], das Notwendige geschrieben zum
„dummen Teil der Linken“, der doch tatsächlich behauptet, wer Macron
wähle, wähle Le Pen. Das Argument geht so: Der böse Neoliberalismus hat zum
Aufstieg der autoritären Nationalisten geführt, Macron ist ein böser
Neoliberaler, also wird ein Präsident Macron den Front National in den
nächsten Jahren noch stärker machen. Und ich hab’s, wie immer, schon immer
gesagt.
Wir haben es im Moment mit einem doppelten Sehnsuchtskonservatismus zu tun:
der guten alten Zeit der Rechten und der guten alten Zeit der Linken. Beide
Zeiten hat es selbstverständlich nie gegeben. Es gab allerdings totalitären
Faschismus und totalitären Sozialismus, das schon. Und es gibt die beste
Zeit ever in einem Europa des Friedens und der Freiheit durch liberale
Demokratie – das ist unsere Zeit. Aber sie läuft ab, wenn wir jetzt nicht
den Arsch hochkriegen und uns neu sortieren.
Daran knüpft Emmanuel Macron an. Gegen die autoritäre nationale
Souveränität setzt er die liberale europäische Souveränität. Die Fahne der
EU weht ja gern, aber das Neue bei Macron ist die positive Emotion, ist
der Glaube an eine bessere Zukunft unter dieser Fahne.
Die entscheidende Frage ist nicht, ob Macron zu viel ändert, um damit die
Ungerechtigkeit voranzubringen. Sondern, ob er zu wenig ändern kann und
alles beim Alten bleibt – also dem Politiksimulationsmodell der beiden
Volksparteien. Das würde Le Pen wirklich nützen.
Der Kampf für und gegen eine liberale Demokratie hat zu zwei neuen Polen
geführt. Die zunehmend irrelevantere Konfrontation „halb links – halb
rechts“ ist zumindest in Frankreich abgewählt. Das ist nicht das Problem,
sondern die zentrale Voraussetzung für neue Politik angesichts der realen
Herausforderungen, einschließlich einer guten Zukunft der Arbeiter. Die
Frage lautet: Autoritärer, protektionistischer Nationalstaat oder offen
lebende, Handel treibende und zusammen die Probleme lösende Gesellschaften
– in einem starken Europa?
Die Hände in Unschuld waschen geht nicht mehr. Wer Le Pen wählt, wählt Le
Pen. Wer nicht Macron wählt, wählt auch Le Pen.
Ja, das wird schwierig mit den Parlamentswahlen und sowieso. Aber für
patriotische Europäer ist Macron nicht das kleinere Übel, sondern eine
kleine, aber unerwartete und dadurch umso wunderbarere Chance. Macron
Président!
5 May 2017
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[2] /!5401542
## AUTOREN
Peter Unfried
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