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# taz.de -- der rote faden : Emmanuel Macron, Marine Le Pen und die dumme Linke
Bild: nächste wocheJohanna Roth
durch die woche mit
Robert Misik
Macron schlägt Le Pen in der Stichwahl, mit sicherem Abstand – so wollen es
uns die Meinungsumfragen vor der zweiten Runde der französischen
Präsidentschaftswahlen am kommenden Sonntag weismachen. Aber man soll sich
da nicht in allzu großer Sicherheit wiegen. In einer Stichwahl werden die
Karten neu gemischt, und es ist mindestens genauso gut möglich, dass es
noch einmal knapp wird. Dass die Sache dann doch zu so etwas wie einem
Kopf-an-Kopf-Rennen wird.
Zumal Marine Le Pen und ihre Verbündeten – die von ihrer Partei, dem Front
National, bis nach Moskau reichen – ja durchaus geschickt vorgehen. Da wird
jetzt über alle Kommunikationskanäle der Gegenkandidat schlecht gemacht.
Dass Macron ein Mann der Eliten, des Systems ist. Ein glattes, neoliberales
Innenstadt-Bubi. Ein Banker. Einer, der zu rechts ist (in ökonomischen
Fragen), einer, der zu links ist (in gesellschaftspolitischen Fragen).
Da ist für jeden etwas dabei. Für die katholische Rechte, oder simpler
gesagt, für die traditionsorientierte Landbevölkerung. Für die Linken, die
doch nicht einen Banker wählen wollen, einen von den neoliberalen Eliten,
ich bitte euch. Man musste nur den Wahlabend beobachten. Jeder
FN-Funktionär setzte diese Strategie ein. Mit einer klaren Absicht. So
viele Stimmen von den Konservativen wie möglich auf Le Pens Seite zu ziehen
und so viele Stimmen wie möglich von den Linken zu demobilisieren – was
heißt: dafür sorgen, dass die, wenn sie schon nicht für Le Pen stimmen,
zumindest auch nicht für Macron stimmen. Ist ja durchaus verständlich,
jeder, der strategisch nicht übertrieben unterschlau ist, würde das auch so
machen.
Womit wir – Stichwort: unterschlau – schon bei der Silly Left sind, dem
dummen Teil der Linken. Die übernimmt das Wording der Le Pens, Trumps,
Putins vollends und stellt Macron als kalten, neoliberalen Finsterling dar.
Aber so einfach ist die Sache nun auch wieder nicht. Klar, in ökonomischen
Fragen ist auch nach meinem Dafürhalten Macron eine Spur zu weit „in der
Mitte“, also rechts. Auch dass seine Selbstpositionierung in einem
weltoffenen linksliberalen Modernismus es ihm weitgehend verunmöglicht, die
unteren Mittelschichten und die Arbeiterklasse anzusprechen, die sich als
Vergessene fühlen. All das ist schon richtig. Nur: So eindimensional ist
Macron auch wieder nicht. Innenpolitisch ist sein Weltbild eher gemäßigt
blairistisch, europapolitisch aber eher keynesianisch. Das sollte man schon
auseinanderhalten können.
Und vor allem: Was folgt denn daraus? Weder gibt es einen dritten
Kandidaten noch wird Macron in den verbleibenden zwei Wochen diese
Defizite beheben können.
Vor allem aber: Es stehen nun einmal diese beiden in der Stichwahl, und die
beiden trennen Welten, eine Tatsache, die der dummlinke Slogan von der
Auswahl „zwischen Pest und Cholera“ verniedlicht. Das ist nicht einfach
doof, sondern fast kriminell dumm und kommt, wie Daniel Cohn-Bendit hier
sagte, einer Neuauflage der Sozialfaschismustheorie schon sehr nahe: Der
Linksliberale ist auch nicht besser als die Faschistin. Gewissermaßen der
Steigbügelhalter der Faschistin, also irgendwie objektiv Faschist.
Ich meine: Die Welt ist nicht mehr so, dass man sich solch kriminelle
Dummheit einfach erlauben kann. Natürlich muss man sich nicht kritiklos auf
die Lippen beißen, aber es sollte einem schon klar sein: Den
Mitte-links-Kandidaten schlechtzureden, sogar dann, wenn man am Ende eh für
ihn stimmt, bleibt heute nicht mehr folgenlos. Stimmungen, die in den
sozialen Netzwerken dominant werden, haben direkten Einfluss auf den
Wahlausgang.
Interessant ist auch die auftrumpfende Dummdreistheit, die hierzulande weit
verbreitet ist und die superschlau behauptet: Die Wahlen werden in
Frankreich entschieden, was man in Deutschland so an Kommentaren
verbreitet, habe doch keinen Einfluss. Aber das ist natürlich Unsinn. Wenn
sich ein globaler Strom des Schlechtredens durchsetzt, hat das auch seinen
Einfluss auf die französischen Diskurse, und wenn er nur ohnehin
Vorhandenes ver- und bestärkt.
Letzte Spielart der Dummheit: Die Behauptung, Macron heute bedeute Le Pen
in fünf Jahren. Was für ein Unsinn. Macron heute bedeutet nur, dass die
Linke es im Jahr 2017 nicht geschafft hat, einen glaubwürdigen Pol
aufzubauen. Kann sein, dass sie das bis 2022 auch nicht schafft. Muss aber
nicht sein (und wenn ja, dann ist sie daran selbst schuld). Für die
akzentuiertere Linke war es noch nie gut, wenn die extreme Rechte herrscht.
Kurzum: Niemand kann wissen, was 2022 sein wird. Alles, was man weiß, ist:
Le Pen 2017 ist scheiße.
29 Apr 2017
## AUTOREN
Robert Misik
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