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# taz.de -- Zoff bei Borussia Dortmund: Tuchels Fühlung
> Der BVB siegt sich über Hoffenheim (2:1) in Richtung Champions League.
> Zugleich eskaliert der Streit zwischen Trainer und Geschäftsführer.
Bild: Jubel hinterrücks? Thomas Tuchel freut sich mit Marco Reus (vorne) über…
Dortmund taz | Gute Gründe hatten die Dortmunder, mit Gelassenheit auf die
Aufregung zu reagieren, die ihnen am Samstagnachmittag aus dem Lager von
1899 Hoffenheim entgegenschlug. Die Borussen hatten dieses Spiel voller
strittiger und falscher Schiedsrichterentscheidungen gewonnen, sie hatten
hervorragend verteidigt, und sie haben nach diesem 2:1 gegen den lästigen
Emporkömmling aus Nordbaden beste Chancen, das offizielle Saisonziel zu
erreichen: die direkte Qualifikation für die Champions League.
„Ohne Hilfe des Schiedsrichters hatte der BVB keine einzige Torchance“,
behauptete Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann zwar etwas provokant, bei
den Dortmundern lösten solche Spitzen jedoch kaum mehr als ein müdes
Schulterzucken aus.
Die Männer aus dem Revier bewegte ein ganz anderes Thema längst viel mehr
als Marco Reus’ Abseitstor zum 1:0, als der unberechtigte Elfmeter, den
Pierre-Emerick Aubameyang verschoss, und die vielen anderen streitbaren
Aktionen des Schiedsrichtergespanns um Dr. Felix Brych.
Am Tag des Spiels war nämlich ein Interview mit BVB-Geschäftsführer
Hans-Joachim Watzke erschienen, das deutlich zeigt, wie schwerwiegend die
Verwerfungen zwischen Trainer Thomas Tuchel und seinem Chef sind. Der BVB
ist auf dem Weg in die Champions League, im Pokalfinale ist ein Titelgewinn
möglich, das Spieljahr könne als „Topsaison“ in die Geschichte eingehen,
sagte Tuchel. Und doch ist nach diesem Wochenende schwer vorstellbar, dass
dieser Trainer auch nach der Sommerpause beim BVB arbeiten wird.
## Tuchel als der Betrogene?
Watzke hatte in dem Interview erzählt, dass ihn die öffentliche Kritik des
Trainers und einiger Spieler an der Spielverlegung nach dem
Sprengstoffanschlag „teilweise“ irritiert habe. Kühl bestätigte er, dass
rund um den Anschlag „ein klarer Dissens“ zwischen ihm und Tuchel sichtbar
geworden sei: „Das ist so, ja.“
Seit Monaten ist bekannt, dass die Beziehung zwischen Watzke und Tuchel
schwierig ist, im Winter hat der Klubchef verschiedene Interviews gegeben,
die seine Zweifel am Coach deutlich machten, zugleich sind aus dem Umfeld
des Trainers Geschichten lanciert worden, in denen es hieß, Tuchel sei
schwer enttäuscht über Transfers, das Management habe Versprechen
gebrochen.
Nun, am Samstag, reagierte der Trainer erschüttert, als er auf das neueste
Interview angesprochen wurde. „Wir können uns nicht mehr ablenken lassen,
und das ist heute noch etwas schwerer als sonst“, sagte Tuchel und
erklärte, der klubinterne Konflikt sei „ein großes Thema für einen
Spieltag“. Statt zu beschwichtigen, präsentierte sich Tuchel als der
Betrogene, dem übel mitgespielt werde.
## Ausnahmsweise nicht die Bayern
Dabei dürfte Tuchel genau wissen, wie sehr er Watzke kränkte, als er nach
dem Anschlag öffentlich den Eindruck erweckte, der habe kaltherzig und ohne
Rücksicht auf das Befinden der direkt vom Attentat Betroffenen einer
Spielverlegung auf den nächsten Tag zugestimmt. Mit oder ohne Kalkül:
Tuchel inszenierte sich selbst als feinfühliger Krisenmoderator, während
Watzke wie auch Präsident Reinhard Rauball wie unsensible Technokraten
erscheinen. In Dortmund kursieren allerdings unterschiedliche Versionen
über den wahren Verlauf der Kommunikation rund um die Spielverlegung.
Watzkes Interview vom Wochenende jedenfalls muss als Gegenschlag betrachtet
werden. Immer deutlicher zeigt sich ein Muster: Jeder öffentlichen Kritik
des einen folgt zuverlässig ein Gegenschlag des anderen. An diesem
Wochenende war das mit Watzkes Aussagen und den umgehend (übrigens vor
jeder Kamera bereitwillig aufs Neue) vorgetragenen Antworten Tuchels so
komprimiert zu sehen, wie nie zuvor.
Ausnahmsweise könnten es in diesem Sommer mal nicht die Bayern sein, die
den BVB zum x-ten Umbruch zwingen.
7 May 2017
## AUTOREN
Daniel Theweleit
## TAGS
Thomas Tuchel
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BVB
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