# taz.de -- Naturschutz in Albanien: Die Vjosa darf wild bleiben | |
> Ein sensationelles Urteil in Albanien: Das Verfassungsgericht untersagt | |
> den Bau eines Staudammes. Ökologen sind entzückt. | |
Bild: Protestaktion am Fluss Vjosa im April 2016 | |
SPLIT taz Darüber können sich die Umweltschützer aus ganz Europa freuen: | |
Die Richter des albanischen Verwaltungsgerichtshofs haben jetzt den Bau des | |
Wasserkraftwerkes Pocem gestoppt, das einen der letzten Wildflüsse Europas | |
zerstört hätte: die Vjosa, die, von Griechenland kommend, durch Albanien | |
fließt. | |
Vor allem freuen sich aber die Einwohner des Dorfs Kute, die bei einem Bau | |
des Staudamms Hunderte von Hektar fruchtbaren landwirtschaftlich genutzten | |
Landes verlieren würden. Ihre Aktionen, die von Aktivisten von Eco-Albania, | |
Riverwatch und EuroNatur unterstützt wurden, haben schließlich doch vor | |
Gericht Erfolg gehabt. | |
Vladimir Meci, der Rechtsanwalt der Umweltverbände und Anrainer: „Das ist | |
ein wichtiger Schritt zum Schutz der Vjosa und auch ein ermutigender Tag | |
für die Rechtstaatlichkeit in unserem Land.“ Betroffene Bürger und Verbände | |
könnten nun hoffen, dass ihre Anliegen vor Gericht ernsthaft geprüft | |
werden. Die Grundlagen für die Baugenehmigung, die | |
Umweltverträglichkeitsprüfung und die Bürgerbeteiligung, seien äußerst | |
mangelhaft und widersprächen albanischem Recht, so das Gericht. | |
Die Vjosa gilt als der letzte große Wildfluss Europas außerhalb Russlands. | |
Von den Pindusbergen in Griechenland fließt sie 270 Kilometer ungestört und | |
völlig unverbaut durch unzugängliche Schluchten und Abschnitte mit riesigen | |
Schotterbänken und Inseln hin zur Adria. Das macht sie auch für | |
Paddeltouristen, die Geld in das arme Balkanland bringen, höchst | |
interessant. | |
## Berufung möglich | |
Das Kraftwerksprojekt sollte am Mittellauf von einer türkischen Firma | |
gebaut werden. Die albanische Regierung unter Premier Edi Rama hatte bei | |
einem Besuch in der Türkei dem türkischen Präsidenten Recep Erdoğan die | |
Federführung für die türkischen Firma an dem Projekt versprochen. In der | |
albanischen Öffentlichkeit wurde dieses Versprechen als eine Art | |
„Gastgeschenk“ Albaniens an die Türkei interpretiert. | |
Nach den Worten des Präsidentenberaters Shkelzen Maliqi gegenüber der taz | |
beleuchte der Konflikt die widersprüchlichen Interessen von Umweltschutz | |
und dem steigenden Energiebedarf, der für die weitere Entwicklung des | |
Landes gedeckt werden müsse, zumal der Bau neuer Kohlekraftwerke nicht in | |
Betracht käme. | |
Umso bedeutsamer ist nun die Entscheidung des Verfassungsgerichts. Sie | |
kommt in einem Land, das bisher autokratisch regiert wurde und dessen | |
Gerichte nicht gerade den Ruf hatten, rechtsstaatlich zu agieren, einer | |
Sensation gleich. Der Fall Vjosa war das erste Gerichtsverfahren zu einem | |
Umweltprojekt in Albanien überhaupt. | |
Das Umweltministerium und die türkische Baufirma haben nun 15 Tage Zeit, um | |
Berufung einzulegen. Eine Entscheidung der zweiten Instanz wäre im Herbst | |
dieses Jahres zu erwarten. „Es ist zumindest ein Etappensieg. Falls | |
notwendig, werden wir den gesamten juristischen Weg bestreiten, um den | |
letzten großen Wildfluss Europas zu erhalten“, so Ulrich Eichelmann von | |
Riverwatch. | |
5 May 2017 | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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