# taz.de -- 3. Berliner Klimatag: „Cremes machen wir einfach selbst“ | |
> Auf dem 3. Berliner Klimatag gibt es am Sonntag viele Vorträge und | |
> Workshops. Darunter einen von Andrea Mewes über plastikarmes Leben. Ein | |
> Vorgeschmack. | |
Bild: Plastik den Kampf angesagt: wie's geht, erfährt man Sonntag auf dem 3. B… | |
taz: Frau Mewes, Sie leben seit über zwei Jahren fast ohne Plastik. Haben | |
Sie das einfach über Nacht entschieden? | |
Andrea Mewes: Ja, das war tatsächlich in etwa so. Ich habe mit meinem | |
Lebensgefährten die Dokumentation „Plastic Planet“ von Werner Boote | |
gesehen. Ich war dann überrascht und schockiert, welche Auswirkungen die | |
Plastikverschmutzung des Meers hat – und vor allem: dass ich noch nie zuvor | |
davon gehört hatte! Ich dachte vorher ja immer, dass ich schon ganz toll | |
ökologisch lebe. Ich habe nie ein Auto gehabt, viel im Bioladen eingekauft | |
und so was. Doch da habe ich dann beschlossen, dass etwas anders werden | |
muss. | |
Wie ging es am nächsten Morgen los? | |
Ich wollte mit den Dingen anfangen, die als Erstes nachgekauft werden | |
müssen – also Lebensmittel. Ich habe versucht, Läden zu finden, in denen | |
man ohne Verpackung einkaufen kann. Wo ist der nächste Markt? Wo gibt es | |
einen Unverpackt-Laden? Im Bioladen bei mir um die Ecke habe ich versucht, | |
auf die Bioplastiktüten zu verzichten. Ich musste einen Bäcker finden, der | |
mir das Brot und den Kuchen ohne Verpackung gibt. Ich habe mir also viele | |
kleine Nischen gesucht. Gerade mit den Lebensmitteln ging das recht | |
reibungslos. Für die Aufbewahrung zu Hause haben wir mittlerweile viele | |
Gläser, Porzellanbehälter und Bienenwachstücher für den Käse. | |
Das ist ja eine Wissenschaft für sich. Wie haben Sie sich über all das | |
informiert? | |
Da hilft vor allem das Internet. Es gibt Foren, Seiten und Tipps von | |
Menschen, die das schon lange machen. Jedes Ding, das kaputt geht und aus | |
Plastik ist, versuche ich durch eine umweltschonendere Variante zu | |
ersetzen. Die Infos dazu bekomme ich dann im Netz. | |
Was waren denn die größten Herausforderungen? | |
Bei Elektronik und Kleidung ist es wirklich schwer. Interessant wird es bei | |
den Einwegverpackungen der Körperpflege und Putzmittel. Haarpflege und | |
Zahncreme haben wir ohne Plastik gefunden, Cremes jedoch nicht. Deswegen | |
machen wir die jetzt einfach selbst. Unser Ziel war, dass sie essbar sind, | |
da wir uns nichts auf die Haut schmieren wollten, was man nicht auch essen | |
könnte. Deswegen verwenden wir nun Sheabutter und verschiedene Öle, die | |
wir aufschlagen. | |
Braucht man mehr Geld, um so zu leben? | |
Am Anfang investiert man ein bisschen mehr, zum Beispiel in Brotdosen aus | |
Edelstahl. Mittlerweile leben wir aber günstiger als vorher. Insbesondere | |
für die Körperpflege habe ich früher viel Geld ausgegeben, jetzt reichen da | |
etwa zwei Euro pro Monat für zwei Personen. | |
Braucht man mehr Zeit? | |
Ja, am meisten Zeit braucht es, alles zu lernen und zu suchen. Die Creme | |
selbst zu machen, dauert alle fünf Monate eine halbe Stunde. Aber die | |
Inhaltsstoffe zu finden und zu den Läden zu gehen, die sie verkaufen, | |
dauert. | |
Was treibt Sie an, so zu leben? | |
Zum einen ist es der Umweltschutz. Ich weiß, wie sehr Plastik der Umwelt | |
und auch den Tieren schadet. Und zum anderen geht es mir aber auch um die | |
Schadstoffe im Plastik, die dem Menschen schaden. Also Umweltschutz und | |
Schutz meiner eigenen Person. Auch, dass ich meinen ökologischen Fußabdruck | |
verkleinere, wobei das am Anfang gar nicht ausschlaggebend war. | |
Ist Plastik denn so schädlich für die Umwelt? | |
Das ist ein sehr komplexes Thema. Was man bisher sicher weiß, ist, dass | |
Plastik große Schäden in den Meeren verursacht. Dort gefährdet es Fische | |
und Vögel, die das Plastik mit Futter verwechseln oder sich darin | |
verfangen. Und ein neues Bewusstsein gibt es für Mikroplastik, das aus | |
Fleecejacken ausgewaschen wird, aber auch von Schuhsohlen und Bremsbelägen | |
kommt. Fische essen dies mit dem Plankton zusammen, und so gelangt es | |
wieder in die Nahrungskette, also auch zu uns Menschen. Auch über die | |
Additive, also Weichmacher zum Beispiel, kommen wir Menschen täglich in | |
Kontakt mit diesen Schadstoffe. Wenn die Tupperdose zerkratzt ist, treten | |
diese eben aus. | |
Macht es denn für das Klima einen Unterschied, ob meine Brotdose aus | |
Plastik oder aus Edelstahl hergestellt wird? | |
Ja, denn Plastik kann man schlechter recyceln als Edelstahl zum Beispiel. | |
Und außerdem wird Plastik aus Erdöl hergestellt, ein fossiler Rohstoff, der | |
die Umwelt stark belasten kann. Und zuletzt verwendet man Plastikprodukte | |
auch weniger lange. | |
Komplett plastikfrei, ist das überhaupt möglich? | |
Nein, ich stoße auch oft an Grenzen. In unserer Mietwohnung, mein Fahrrad, | |
der Bus, den ich benutze, Medikamente, die ich nehme. Laptop und Handy. | |
Überall ist Plastik drumherum oder sogar drin. Bei Kleidung ist es fast am | |
schwierigsten. Und im Urlaub – da muss man irgendwie locker sein. | |
Schließlich ginge ein wirklich plastikfreies Leben zumindest momentan nur | |
als Einsiedler im Wald, ohne all die Fortschritte. Ich möchte auch nicht | |
wieder ins Mittelalter zurück, in der Medizin zum Beispiel ist es wichtig, | |
dass wir Plastik haben. Ich möchte nur darauf verzichten, wo es möglich ist | |
– bei Einwegverpackungen zum Beispiel. | |
Stoßen Sie manchmal auf Widerstand? | |
Im Allgemeinen wird es positiv aufgenommen. Oft gibt es aber auch | |
Verkäufer, die nicht darüber diskutieren wollen, das Brot ohne Verpackung | |
rauszugeben. Aber dann ist das so, und ich gehe weiter – ich versuche | |
nicht, jemanden zu überzeugen. | |
Am Sonntag auf dem Klimatag werden Sie einen Workshop halten. Was geben Sie | |
den Menschen mit? | |
Ich möchte zeigen, dass es geht, so zu leben, auch wenn es in unserer | |
Gesellschaft eigentlich nicht vorgesehen ist. Wir sind ja seit Jahrzehnten | |
dazu erzogen, es uns möglichst bequem zu machen, und dabei kann Plastik ja | |
helfen. In meinem Workshop versuche ich die Teilnehmer zu animieren, auch | |
die Vorteile einer anderen Lebensweise zu entdecken. | |
22 Apr 2017 | |
## AUTOREN | |
Fabian Franke | |
## TAGS | |
Plastik | |
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland | |
Umwelt | |
Klima | |
Plastik | |
Verschmutzung | |
Mikroplastik | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Schwerpunkt Pestizide | |
Ökostrom | |
Nachhaltigkeit | |
Atomkraftwerk | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kosmetik in Schweden: Kein Mikroplastik mehr im Duschgel | |
Schweden verbietet Kunststoffteilchen in kosmetischen Produkten. | |
Umweltschützer hoffen, dass Brüssel mit einem EU-weiten Verbot nachzieht. | |
Messungen des Kraftfahrt-Bundesamtes: Das Märchen vom Diesel | |
Autos mit Dieselmotor gelten als Klimaschützer. Doch interne Messungen der | |
Behörden belegen längst, dass das nicht stimmt. | |
Bio-Lebensmittel: Weitgehend frei von Pestiziden | |
Laut einer Untersuchung enthalten Bioprodukte deutlich weniger Spritzmittel | |
als konventionelle Lebensmittel. Die Europäische Kommission hatte das | |
bezweifelt. | |
Energie – und damit Geld – einsparen: Hand anlegen fürs Klima | |
Christian Habermann ist freiwilliger Energie- und Abfallberater. Nach | |
Feierabend erklärt er BerlinerInnen, wie Mülltrennen wirklich funktioniert. | |
Wiederverwendbare Umzugskartons: Lieber mieten als kaufen | |
Pappkartons sind zwar in der Herstellung umweltfreundlicher. Aber | |
Plastikboxen können öfter verwendet werden. | |
Atomkraftwerk Fessenheim: Stilllegung? Nein, danke! | |
Die französische Umweltministerin will das AKW im Elsass 2018 wie geplant | |
stilllegen. Das sei Augenwischerei, schimpfen die Grünen. |