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# taz.de -- Kenia-Koalition in Sachsen-Anhalt: Regieren mit „Achterbahnqualit…
> Seit einem Jahr regieren in Magdeburg erstmals CDU, SPD und Grüne
> gemeinsam. Die Zusammenarbeit knirscht bisweilen.
Bild: Eingeklemmt? Claudia Dalbert neben Reiner Haseloff (r.) und dem Chef des …
Magdeburg taz | Die Grünen sind wieder einmal die Bösen. Pünktlich zum
ersten Jahrestag der ersten Kenia-Koalition in Sachsen-Anhalt häufen sich
Konflikte, die die Ökos und Idealisten als Verhinderungspartei erscheinen
lassen.
In dem vom Zusammenbruch des Fahrradbauers Mifa schon gebeutelten
Sangerhausen droht ein Industriepark am Feldhamster zu scheitern. Die SPD
fürchtet ein grünes Veto für ein geplantes Skigebiet in Schierke/Harz. Und
die CDU hat nur schwer verdaut, dass die Koalitionsdisziplin im Bundesrat
eine Enthaltung bei der Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere
Herkunftsländer verlangte.
Eingeklemmt wirkt der kleinste Partner des ungewöhnlichen Dreierbündnisses.
Mit 5,2 Prozent hatten die Grünen im März 2016 den Einzug in den Landtag
gerade so geschafft. Die Verluste von CDU und SPD, die außer einer
Koalition von Christdemokraten und AfD nur die Kenia-Option zuließen,
verschafften den Grünen aber eine starke Verhandlungsposition. „Ein grüner
Koalitionsvertrag“ sei herausgekommen, verkündeten diese damals. Keine
neuen Tagebauaufschlüsse und Kohlekraftwerke, kein Elbeausbau, mehr
Radwege.
Die Grüne Claudia Dalbert übernahm das Ministerium für Umwelt,
Landwirtschaft, Energie und Verbraucherschutz. „Eingeklemmt“ fühle sie sich
dort überhaupt nicht, resümiert die 62-jährige Psychologieprofessorin.
Gelassenheit und ein „dickes Fell“ seien allerdings vonnöten, vehemente
Kritiker von grüner Politik zu überzeugen. Mit Genugtuung erwähnt Dalbert
eine Fernsehdiskussion im MDR, bei der ihr am Ende auch Gegner Konzilianz
bescheinigten. „Der Ministerpräsident steht hinter mir“, erwähnt sie auch
die Rückendeckung des Regierungschefs Reiner Haseloff (CDU).
## Sofortprogramm Umwelt
Wie er, ist auch Dalbert überzeugt, dass die Dreierkoalition mit der
Fünfstimmenmehrheit „bis zum letzten Tage halten wird“. Das klang im
Spätherbst bei der Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann noch anders.
Gerade hatte sie hinnehmen müssen, dass für ihre routinemäßige Wahl in die
Verfassungsschutz-Kontrollkommission nicht einmal die Koalitionsmehrheit
zustande kam. Niemand wolle auf den Bestand der Koalition wetten, sagte
Lüddemann damals. Denn die größte Gefahr für die schwarz-rot-grüne
Koalition geht nicht von den angeblichen Stänkerern bei den Grünen aus,
sondern von den ultrakonservativen U-Booten in der CDU, auf die sich nicht
einmal Regierungschef Haseloff verlassen kann.
Die SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Pähle attestiert der Koalition nach
einem Jahr eine „Achterbahnqualität“. Die Fraktionsspitzen würden
vertrauensvoll zusammenarbeiten. Aber die „großen politischen Unterschiede
zwischen den drei Parteien“ bestünden natürlich fort.
Auch die SPD teilt aber eher Richtung Grüne aus: Es dürfe nicht um
Grundsatzkonflikte zwischen Mensch und Hamster gehen, sondern um praktische
Lösungen. Und über den Tourismus im Harz würden die Gäste und nicht
Parteien entscheiden, heißt es unter Anspielung auf die von Umweltverbänden
und Grünen attackierte geplante Skiarena auf 600 Meter Seehöhe bei
Schierke.
Auf das Raumordnungsverfahren habe sie keinen Einfluss, betont
Umweltministerin Dalbert. Auch die Verbände würden sich ungern von ihr
hineinreden lassen, entgegnet sie Forderungen etwa aus Sangerhausen, doch
mehr Einfluss auf die Naturschützer zu nehmen. Unbeirrt zählt sie auf, was
im ersten Jahr schon auf den Weg gebracht wurde: ein Sofortprogramm
Umweltschutz, Umstellungsprämien für den Ökolandbau, eine Landbörse für
junge Landwirte, Förderung von Streuobstwiesen, ein Wolfs-Kompetenzzentrum.
Und warum giften die Bauern und Förster trotz eines Plus von 120
Verwaltungsstellen so gegen sie? „Ich habe schlichtweg das falsche
Parteibuch“, sagt Dalbert. In die Erarbeitung des
Landwirtschafts-Leitbildes 2030 seien jedenfalls alle Interessenverbände
einbezogen.
Auch den Bundestagswahlkampf werde die Koalition überstehen, verkünden alle
drei Kenia-Partner. Genau darauf ist Swen Knöchel von der oppositionellen
Linken sehr gespannt. Ansonsten verblüfft er mit partiellem Lob, nicht nur
für Dalbert, sondern auch für die CDU-Entscheidung, die Kulturzuständigkeit
in der Staatskanzlei anzusiedeln. Von der zerstrittenen AfD dürfte trotz
ihrer Sympathisanten in der Union kaum Gefahr für die Koalition ausgehen.
Niemand könnte sich derzeit eine Koalition mit ihr leisten. Und
AfD-Landeschef André Poggenburg setzt voll auf Fundamentalopposition.
20 Apr 2017
## AUTOREN
Michael Bartsch
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Sachsen-Anhalt
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CDU
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