# taz.de -- US-Raketenangriff in Syrien: Viel Schall und Rauch | |
> Der US-Raketen trafen eine von Assads wichtigsten Basen. Was richteten | |
> sie an? Wie empört ist Russland wirklich? | |
Bild: Die Tomahawk-Raketen werden von der USS Ross abgeschossen | |
Berlin/Genf/Kairo taz | Es war noch tief in der Nacht, als im östlichen | |
Mittelmeer die ersten Marschflugkörper in den Himmel stiegen. 59 | |
Tomahawk-Raketen insgesamt starteten ab etwa 4.40 Uhr Ortszeit am frühen | |
Freitagmorgen von den US-Kriegsschiffen „Ross“ und „Porter“ in Richtung | |
einer der wichtigsten Luftwaffenbasen Syriens: Schayrat, 31 Kilometer | |
südlich der Stadt Homs. Es war der erste gezielte Raketenangriff der USA | |
gegen das Assad-Regime, über sechs Jahre nach Beginn eines Bürgerkrieges | |
mit fast einer halben Million Toten. | |
US-Präsident Donald Trump hatte den Angriff als Vergeltung für den | |
Chemiewaffenangriff gegen den syrischen Ort Chan Scheichun am vergangenen | |
Dienstag angeordnet. Der Abschuss der Raketen erfolgte zur besten | |
US-Sendezeit am Donnerstagabend. „Assad hat das Leben unschuldiger Männer, | |
Frauen und Kinder abgewürgt“, erklärte er. „Es war ein langsamer und | |
brutaler Tod für so viele. Sogar wunderschöne Babys wurden in diesem sehr | |
barbarischen Angriff grausam ermordet. Kein Kind Gottes sollte je einen | |
solchen Horror erleiden. Heute Abend habe ich einen gezielten Militärschlag | |
auf den Flugplatz angeordnet, von dem aus der Chemieangriff startete.“ | |
Von den sechs Militärflughafen unter Kontrolle des syrischen Assad-Regimes | |
gilt Schayrat nach Angaben des Militärexperten Neil Hauer als „einer der | |
größten und aktivsten“. Die Basis mit zwei Pisten und 40 befestigten | |
Hangars ist das Hauptquartier einer syrischen Brigade sowie dreier | |
Luftwaffenschwadrone; es sind auch 12 russische Militärhubschrauber samt | |
Personal stationiert. Bis 2013 wurden dort auch chemische Kampfstoffe | |
gelagert. Viele syrische und russische Luftangriffe auf Zivilisten sind von | |
Schayrat aus geflogen worden. | |
Die US-Marschflugkörper zielten laut Pentagon auf „Flugzeuge, befestigte | |
Hangars, Öl- und Logistiklager, Munitionsbunker, Luftabwehr und Radar“. Was | |
sie anrichteten, ist unklar. Auf in sozialen Netzwerken verbreiteten Fotos | |
waren mehrere verkohlte Flugzeuge zu sehen. Das syrische Staatsfernsehen | |
zeigte eine von Geröll übersäte Flugpiste. | |
Die Freie Syrische Armee (FSA), wichtigste nichtislamistische | |
Rebellengruppe, sprach von 14 zerstörten Flugzeugen und sagte, der | |
Flugplatz sei nicht mehr benutzbar und es seien hochrangige | |
Militärangehörige getötet worden, darunter der für Luftabwehr zuständige | |
Brigadegeneral. Berichte, wonach die Basis zerstört sei, wurden später | |
allerdings von allen Seiten relativiert. | |
## Russen wurden offenbar vorab informiert | |
Bestätigt ist die Zerstörung von sechs MiG-23-Kampfflugzeugen, die sich in | |
Reparatur befanden. Die anderen rund 30 syrischen Kampfjets und Bomber | |
blieben entweder heil oder wurden rechtzeitig weggebracht, ebenso wie die | |
russischen Kampfhubschrauber. | |
Das russische Militär, das Syriens Assad-Regime schützt, wurde offenbar | |
vorab von den USA vor dem Angriff gewarnt, um eine direkte | |
russisch-amerikanische Konfrontation zu vermeiden. Der größte Teil des | |
Kampfgeräts in Schayrat konnte so in Sicherheit gebracht werden. Nach | |
US-Angaben schaltete das russische Militär außerdem seine Luftabwehr ab, | |
die im Hafen Latakia mit dem hochmodernen S-400-Raketenabwehrsystem – das | |
erst 2011 entwickelt wurde – stationiert ist und selbst hoch fliegende | |
Raketen abschießen kann. Nach russischen Militärangaben trafen zwar nur 23 | |
der 59 US-Raketen ihr Ziel, aber es ist keine Rede von abgeschossenen oder | |
abgefangenen Flugkörpern. | |
Die meisten Kommentatoren und US-Politiker gehen davon aus, dass dies ein | |
isolierter Militärschlag war und nicht der Beginn eines US-Krieges gegen | |
Assad in Syrien. Laut Analysten entsprach der Angriff ziemlich genau dem, | |
was das US-Militär im Sommer 2013 als Vergeltung für die damaligen | |
Chemiewaffenangriffe des syrischen Regimes ausgearbeitet hatte. Bei diesen | |
waren östlich von Damaskus 1.400 Menschen umgekommen. Barack Obama zuckte | |
schließlich zurück. Donald Trump nicht. | |
Ob das jetzt zu einer Eskalation führt, hängt von den Reaktionen ab. Trump | |
hat den syrischen Tisch umgestoßen und alle, die daran vor sich hin dösten, | |
sind aufgeschreckt und überlegen sich, was das zerbrochene Porzellan für | |
sie bedeutet. | |
Die westliche Welt hat den Militärschlag vorsichtig abgenickt. Es lässt | |
sich auch kaum dagegen argumentieren, dass auf einen Giftgasangriff | |
reagiert wurde. In Europa hofft man jetzt, dass das den Beginn eines | |
Friedensprozesses in Syrien darstellen könnte, seien Assad doch endlich | |
einmal seine Grenzen aufgezeigt worden. | |
## „Initialzündung für eine produktive Lösung“ | |
So äußerte der außenpolitische Sprecher der konservativen EVP-Fraktion im | |
Europaparlament, Elmar Brok, einerseits Besorgnis: „Wenn Moskau jetzt auf | |
den amerikanischen Angriff militärisch reagiert und dieses wiederum | |
Reaktionen auf amerikanischer Seite auslöst, kann dies zu einer Eskalation | |
zwischen zwei Atommächten führen, die sich schnell hochschaukelt und | |
unkontrollierbar werden könnte.“ | |
Der US-Angriff könne aber auch eine „Initialzündung für eine produktive | |
Lösung“ im Syrienkrieg darstellen, so Brok weiter: „Um weitere | |
Konfrontationen zu vermeiden, könnte Russland den Angriff als Signal | |
verstehen, sich als Konfliktpartei in Syrien zurückzuziehen und die | |
faktische Blockade der Genfer Friedensgespräche endlich aufzugeben.“ | |
Dadurch würde Europa eine wichtige Mittlerrolle übernehmen. | |
Die erste Reaktion Syriens kam am Vormittag. Ein Militärsprecher erklärte, | |
dass sich die USA zum Partner der Dschihadisten gemacht hätten. So weit, so | |
absehbar: Das syrische Regime bellt – aber es weiß genau, dass es nicht | |
beißen kann. Das muss es seinen Verbündeten Russland und Iran überlassen. | |
## „Eine Aggression gegen einen souveränen Staat“ | |
Kremlsprecher Dmitri Peskow nannte den US-Militärschlag in Moskau „eine | |
Aggression gegen einen souveränen Staat, gegen das Völkerrecht, dazu noch | |
unter einem erdachten Vorwand.“ Die syrische Armee habe „keine Chemiewaffen | |
mehr“. In einer ersten Reaktion setzte die Regierung Putin eine aus dem | |
Oktober 2015 stammende Vereinbarung mit dem US-Militär aus, nach der sich | |
beide Großmächte vorab gegenseitig über Militärflüge über Syrien | |
verständigen, um Kollisionen zwischen ihren Flugzeugen zu vermeiden. | |
Iran sagte, solche Angriffe würden „die Lage in dem Bürgerkriegsland und | |
der Region schwieriger machen“ und warnte vor negativen Auswirkungen im | |
Irak. De facto arbeiten Washington und Teheran dort nämlich gegen den IS | |
zusammen. In der Schlacht um Mossul lenkt der Iran mit US-Luftunterstützung | |
zum Teil die irakischen Bodentruppen. | |
Syriens Rebellen sind naturgemäß entzückt. Die Syrische Nationalkoalition | |
(SNC) sagte, der Angriff zeige, „dass es noch Menschlichkeit auf dieser | |
Welt gibt“. Trump ist der neue Held. Es wurde schon angekündigt, dass in | |
den Rebellengebieten Neugeborene demnächst den Namen „Donald“ erhalten. | |
Ein erster Militärschlag ist immer der leichteste Teil der Übung. Lange | |
epische Geschichten in der arabischen Welt haben schon mehrmals mit dem | |
Aufstieg von Tomahawk-Raketen von US-Kriegsschiffen begonnen, | |
beispielsweise im Irak 2003. Sooft sie ihr militärisches Ziel getroffen | |
haben, so oft haben sie am Ende ihr politisches Ziel verfehlt. | |
7 Apr 2017 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
Andreas Zumach | |
Karim El-Gawhary | |
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