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# taz.de -- Kommentar US-Luftschlag in Syrien: Naives Mittel der Disziplinierung
> Endlich, sagen jetzt manche, weist jemand Assad in die Schranken. Das
> greift zu kurz. Der US-Angriff in Syrien ist nicht mehr als ein riskantes
> Signal.
Bild: Eine Strategie für Syrien hat Donald Trump nicht – er wollte nur mal s…
Zweifelsohne ist [1][der US-Raketenangriff auf die syrische Luftwaffenbasis
Al-Schairat], von der aus nach Aussage des US-Präsidenten Donald Trump am
Dienstag ein Giftgasangriff auf die Stadt Chan Scheichun in der Provinz
Idlib geflogen worden sein soll, eine Etappenwende. Nie zuvor seit Beginn
des syrischen Krieges hatten die USA auf diese Weise direkt Einrichtungen
der syrischen Regierung attackiert.
Für all jene, die es 2013 einen Skandal fanden, dass der damalige Präsident
Barack Obama [2][trotz der von ihm selbst gezogenen „roten Linie“], also
trotz des Einsatzes von Giftgas, nicht zu einem militärischen Eingreifen
bereit war, mag das eine Genugtuung sein. Endlich, werden sie sagen, weist
jemand den Diktator Bashar al-Assad in die Schranken.
Aber das ist zu einfach gedacht, und vor allem zu kurz. Und zwar nicht nur,
weil es bislang zwar viele Indizien, aber keine handfesten Beweise dafür
gibt, dass es tatsächlich die syrische Regierung war, die da Giftgas
eingesetzt hat. Sondern auch, weil der US-Militäreinsatz nicht mit einer
auch nur wenigstens mittelfristigen Strategie einhergeht. Die hatte schon
Barack Obama nicht, Trump hat sie erst recht nicht.
Das Lamentieren darüber, dass die Welt den Syrien-Konflikt so lange hat
eskalieren lassen, bis eine solche Strategie selbst theoretisch kaum noch
zu erfinden ist, hilft an der Stelle nicht weiter. Denn „die Welt“, die da
nur zugeschaut habe, gibt es nicht. In Syrien sind mit Russland, der
Türkei, den Golfstaaten, dem Iran und einigen europäischen Ländern bereits
mehr Konfliktparteien mit eigenen Interessen involviert, als es für eine
Lösungsstrategie gesund sein kann. Politisch, moralisch und humanitär ist
das russisch-chinesisch-iranische Festhalten an Assad genauso wenig zu
rechtfertigen wie jedwede Unterstützung für die verschiedenen
dschihadistischen Gruppierungen, die inzwischen den Großteil der
bewaffneten Rebellen ausmachen. Beide haben keine Zukunftsvision für
Syrien, die guten Gewissens unterstützt werden könnte.
## USA-Angriff war völkerrechtswidrig
Einzig der UN-Sicherheitsrat hätte, wären die Veto-Mächte sich einig, die
Kraft, im Sinne einer strikt humanitären Zielvorgabe zu agieren. Sind sie
aber nicht.
Der ohne UN-Mandat erfolgte Angriff der USA auf syrische
Militäreinrichtungen ist völkerrechtswidrig. Nun wäre der Verstoß gegen ein
Völkerrecht, das immer dann Diktaturen schützt, wenn mindestens eine der
Vetomächte im Sicherheitsrat hinter ihnen steht, womöglich noch
moralphilosophisch zu rechtfertigen – wenn denn im Ergebnis eines solchen
Verstoßes weiteres menschliches Leid verhindert werden würde. Das aber ist
überhaupt nicht erkennbar. Trumps Erklärung, er wolle mit dem Angriff auf
Assads Verhalten einwirken, ihn quasi durch den Einsatz militärischer
Mittel disziplinieren, ist gegenüber einem Diktator mit jahrzehntelanger
Erfahrung mit Unterdrückung und Mord bestenfalls als naiv zu bezeichnen.
An Trumps Grundhaltung, nicht aktiv auf einen Sturz Assads hinzuarbeiten,
hat sich nichts geändert. Das tut insbesondere jenen syrischen
Oppositionellen weh, die 2011 mit Demonstrationen begonnen haben, dann
erleben mussten, wie der Konflikt von Seiten des Regimes zum Krieg
eskaliert wurde, und die sich immer noch nicht vorstellen können und
wollen, dass am Ende Assad an der Spitze Syriens bleibt.
Aber der Westen, allen voran die USA, hat zuletzt im Irak, in Afghanistan
und in Libyen erkennen müssen, dass bewaffnetes Nation Building nach dem
gewaltsamen Sturz diktatorischer Regime nicht funktioniert. Der friedliche
und demokratische Wiederaufbau des besiegten Deutschlands nach der
Niederlage des Nazi-Regimes und der militärischen Besetzung Deutschlands
ist in der Geschichte eher einmalig geblieben, denn ein beliebig
wiederholbarer Präzedenzfall geworden. Niemand, auch die USA nicht, wäre im
übrigen dazu bereit, auf lange Frist mit einer starken Militärpräsenz am
Boden in feindlicher Umgebung eine zunächst friedenserzwingende, dann
friedenserhaltende Mission anzuführen. Und auch die könnte nur Erfolg
haben, wenn die externen Konfliktparteien sich auf ein gemeinsames Vorgehen
einigen könnten.
Donald Trump, der zwar noch 2013 [3][getwittert hatte], Obama möge sich
bloß aus Syrien heraushalten, um ihm dann jetzt rückwirkend Schwäche und
Inaktivität im syrischen Konflikt vorzuwerfen, hat viele Gründe, gerade
jetzt Stärke zeigen zu wollen, die meisten davon innenpolitisch. Und etwas
anderes ist der US-Raktenangriff zunächst nicht: Ein Symbol. Ein
drastisches und riskantes Signal, militärisch unbedeutend, und politisch
nur dann bedeutsam, wenn damit eine diplomatische Offensive einherginge.
Dass die aber ausgerechnet Trump und sein unerfahrenes Kabinett
bewerkstelligen sollte, ist kaum vorstellbar.
7 Apr 2017
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[3] https://twitter.com/realDonaldTrump
## AUTOREN
Bernd Pickert
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