# taz.de -- UN zum Angriff auf Chan Scheichun: Syriens Regime verübte Chemiean… | |
> Erneut bestätigt eine UN-Untersuchung: Im April gab es einen | |
> Sarin-Angriff mit 90 Toten. Verantwortlich ist Syriens Regierung. | |
Bild: Hat er sich verhört? Er soll schuld sein an dem Giftgasanfriff auf Chan … | |
BERLIN taz | Syriens Regierung ist für den Giftgasangriff verantwortlich, | |
bei dem am 4. April im Ort Chan Scheichun [1][über 90 Menschen starben]. | |
Darauf legt sich die gemeinsame Syrien-Untersuchungsmission der Vereinten | |
Nationen und der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen in ihrem | |
Abschlussbericht fest, der am Donnerstag an [2][den UN-Sicherheitsrat] | |
geleitet wurde. | |
Das Führungsgremium des Gemeinsamen Investigativmechanismus (JIM) von UNO | |
und OPCW zu Chemiewaffeneinsätzen in Syrien sei „sich sicher, dass die | |
Arabische Republik Syrien für die Freisetzung von Sarin in Chan Scheichun | |
verantwortlich ist“, heißt es in dem unveröffentlichten 33-seitigen | |
Bericht, der der taz vorliegt. | |
Die Erkenntnisse des Ermittlerteams decken sich mit denen der | |
Untersuchungskommision des UN-Menschenrechtsrats zur Lage in Syrien, die | |
Anfang September [3][in einem eigenen Bericht] bereits Syriens Regierung | |
für den Giftgasangriff auf Chan Scheichun verantwortlich gemacht hatte. | |
Der Bericht vom September hatte im Detail den Hergang des Angriffs am | |
frühen Morgen des 4. April 2017 rekonstruiert, verübt von einer Sukhoi-22 | |
(Su-22) der syrischen Luftwaffe, die bei zwei separaten Überflügen vier | |
Bomben auf Chan Scheichun – ein von Rebellen gehaltenen Ort in der Nähe der | |
Kriegsfront nördlich von Hama an einer der wichtigsten Überlandstraßen | |
Syriens – geworfen habe. | |
## Einsatz aus der Luft ist einzige Erklärung | |
Eine der Bomben explodierte nicht konventionell, sondern hinterließ nur | |
einen unüblich kleinen Krater in einer Straße; der Aufprall aktivierte eine | |
Zündungsmechanismus und dieser „setzte eine Wolke frei, die sich über eine | |
Entfernung von 300 bis 600 Meter vom Einschlagsort ausdehnte und mindestens | |
83 Personen tötete, darunter [4][28 Kinder] und 23 Frauen“, so der Bericht | |
vom September. Die meisten Toten habe es innerhalb von 200 Metern südlich | |
und westlich des Einschlagsorts gegeben. | |
Diese Befunde wrden im neuen Bericht bestätigt. Nach detaillierter | |
Überprüfung der verschiedenen Hypothesen und Belege kommt die Untersuchung | |
zum Schluss, dass die vorliegenden Informationen „ausreichend glaubwürdig | |
und verlässlich“ seien, um folgendes zu belegen: | |
„- Flugzeuge warfen zwischen 6 Uhr 30 und 7 Uhr am 4. April 2017 über Chan | |
Scheichun Munition ab. | |
- Flugzeuge der Arabischen Republik Syrien befanden sich zwischen 6 Uhr 30 | |
und 7 Uhr am 4. April 2017 in der unmittelbaren Nachbarschaft von Chan | |
Scheichun. | |
- Der Krater, aus dem das Sarin hervorstieg, wurde am Morgen des 4. April | |
2017 geschaffen. | |
- Der Krater wurde durch eine mit hoher Geschwindigkeit landende | |
Fliegerbombe verursacht. | |
- Eine große Anzahl Menschen war zwischen 6 Uhr 30 und 7 Uhr am 4. April | |
2017 von Sarin betroffen. | |
- Die Anzahl der Menschen, die am 4. April 2017 von der Freisetzung von | |
Sarin betroffen waren, und der Umstand, dass Sarin Berichten zufolge noch | |
zehn Tage nach dem Vorfall am Ort des Kraters vorhanden war, deuten darauf | |
hin, dass vermutlich eine große Menge Sarin freigesetzt wurde, was mit der | |
Freisetzung durch eine chemische Fliegerbombe im Einklang steht. | |
- Die Symptome der Opfer und ihre medizinische Versorgung, ebenso das | |
Ausmaß des Vorfalls, stehen mit einer großflächigen Vergiftung mit Sarin im | |
Einklang. | |
- Es hat sich herausgestellt, dass das Sarin, das in den von Chan Scheichun | |
entnommenen Proben festgestellt wurde, höchstwahrscheinlich mit einem | |
Kampfstoff aus den ursprünglichen Lagerbeständen der Arabischen Republik | |
Syrien hergestellt wurde.“ | |
Mögliche Unklarheiten, so der Bericht weiter, seien nicht geeignet, diese | |
Befunde in Frage zu stellen, und daher sei die Verantwortung der syrischen | |
Regierung ausreichend nachgewiesen. | |
Ein Team der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) hatte | |
bereits kurz nach dem Angriff Autopsien der in der Türkei gestorbenen Opfer | |
beigewohnt sowie überlebende Opfer interviewt und Tests an in der | |
Anwesenheit von OPCW-Mitarbeitern gesammelten Proben durchgeführt, ebenso | |
Bodenproben aus Chan Scheichun, die die syrische Regierung zusammen mit | |
einem Video der Entnahme vor Ort zur Verfügung gestellt hatten. Alle | |
Untersuchungen wiesen den Einsatz von Sarin oder einer ähnlichen Substanz | |
nach, wie bereits Ende Juni die OPCW berichtete. | |
Es gibt keine auf Fakten basierende detaillierte Untersuchung des Angriffs | |
auf Chan Scheichun, die zu einem anderen Schluss kommt als die, dass | |
Syriens Regime den Angriff mit Sarin verübte. Gegenteilige Behauptungen, | |
wie sie von Moskau, Damaskus [5][und westlichen Kritikern wie Seymour | |
Hersh] in die Welt gesetzt worden sind, ignorieren sämtlich die öffentlich | |
bestätigten Fakten und setzen diesen keine eigenen Belege entgegen. Die | |
immer wieder zu lesende Darstellung, der Angriff auf Chan Scheichun sei | |
„ungeklärt“, ist spätestens seit September nicht mehr haltbar. | |
## Kontroversen über Chan Scheichun werden wohl nicht enden | |
Das Untersuchungsteam JIM (Joint Investigation Mechanism) wurde 2015 | |
einstimmig vom UN-Sicherheitsrat beschlossen. Sein Mandat wurde 2016 für | |
ein Jahr verlängert und läuft am 16. November aus, wenn es nicht abermals | |
ausgedehnt wird. | |
Am 24. Oktober hatte Russland im UN-Sicherheitsrat eine Verlängerung des | |
Mandats der Mission per Veto verhindert. Vorgebrachter Grund dafür war | |
gewesen, dass man erst den Bericht der Mission abwarten müsse. Dieser liegt | |
jetzt vor. Er soll am 7. November im UN-Sicherheitsrat debattiert werden. | |
„Der heutige Bericht sollte die Diskussion über die Verantwortung für den | |
Angriff auf Chan Scheichun beenden“, erklärte am Donnerstag Louis | |
Charbonneau, UN-Direktor der Mnschenrechtsorganisation „Human Rights | |
Watch“. „Die Frage jetzt ist, ob Mitglieder des UN-Sicherheitsrats und der | |
OPCW, einschließlich Russlands, sich bewegen und die syrischen Behörden zur | |
Rechenschaft ziehen werden.“ | |
Es ist aber nicht zu erwarten, dass die Kontroversen über Chan Scheichun | |
mit diesem Bericht enden. Russische Medien kritisieren ihn bereits als | |
methodologisch falsch. Die UN-Vertretungen der USA und Großbritannien | |
hingegen sehen darin eine Bestätigung für ihre Ansicht, dass das | |
Assad-Regime in Syrien keine Zukunft haben darf. | |
## Diplomatisch doppelt heikel | |
UN-Generalsekretär Antonio Guterres bekräftigte in einer Presseerklärung | |
sein „volles Vertrauen in den Professionalismus, die Objektivität und der | |
Neutralität“ des Untersuchungsteams. | |
Der Angriff auf Chan Scheichun ist aus zwei Gründen diplomatisch besonders | |
heikel. Er erfolgte, nachdem Syriens Regierung nach eigener Darstellung | |
ihre C-Waffen-Bestände längst an die OPCW übergeben hatte. Und er führte | |
[6][zum ersten direkten Kampfeinsatz der USA] gegen Syriens Regierung: der | |
damals noch neue US-Präsident Donald Trump ließ [7][als | |
Vergeltungsmaßnahme] eine syrische Luftwaffenbasis bombardieren. | |
27 Oct 2017 | |
## LINKS | |
[1] /!5401092/ | |
[2] /!5401066/ | |
[3] /!5445774/ | |
[4] /!5396022/ | |
[5] /!5421159/ | |
[6] /!5396742/ | |
[7] /!5400350/ | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
## TAGS | |
Sarin | |
Schwerpunkt Syrienkrieg | |
Baschar al-Assad | |
Präsident Trump | |
Giftgas | |
UN-Sicherheitsrat | |
Schwerpunkt Syrienkrieg | |
Syrien | |
Schwerpunkt Syrienkrieg | |
Syrien | |
Schwerpunkt Syrienkrieg | |
Sarin | |
Schwerpunkt Syrienkrieg | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Strafanzeigen gegen Assad-Regime: Die Hoffnung liegt in Karlsruhe | |
Ehemalige politische Gefangene reichen Anzeige gegen 17 Verdächtige in | |
Syrien wegen Folter ein. Für ihre Anwälte ist das ein Zeichen der Hoffnung. | |
Staaten im Pariser Klimavertrag: Syrien will Klima retten, USA ätzen | |
Mit Syrien folgen nun alle Staaten dem Pariser Klimaabkommen – außer den | |
USA. Die kritiseren: Syrien sorge sich ums CO2, nicht aber ums Giftgas. | |
Belagertes Rebellengebiet in Syrien: Späte Hilfe für Ost-Ghouta | |
In der Region nahe Damaskus leiden die Menschen seit Monaten, Kinder | |
verhungern. Wenigstens wurde nun endlich wieder ein Hilfskonvoi genehmigt. | |
UN-Untersuchungsbericht Chan Scheichun: Regime verübte C-Waffen-Angriff | |
Die UNO legt sich fest: Der Giftgasangriff auf den syrischen Rebellenort | |
Chan Scheichun wurde von der Regierung durchgeführt. | |
Syrische Diaspora nach dem Giftgasangriff: „Ich kenne fast alle Opfer persön… | |
Mittendrin, doch so weit entfernt: Wie geflohene Syrer den Giftgasangriff | |
auf Chan Scheichun ohnmächtig von Deutschland aus erleben. | |
Ein geflohener Syrer erzählt: „Das Schlimme überrascht mich nicht“ | |
Seit zwei Jahren lebt Refa’at Yussef in Berlin. Am 4. April erfuhr er, dass | |
19 Verwandte beim Giftgasangriff in Chan Scheichun starben. Ein Protokoll. | |
US-Raketenangriff in Syrien: Viel Schall und Rauch | |
Der US-Raketen trafen eine von Assads wichtigsten Basen. Was richteten sie | |
an? Wie empört ist Russland wirklich? |