| # taz.de -- Antisemitismus an Berliner Schule: „Jude“ ist oft ein Schimpfwo… | |
| > An einer Friedenauer Schule wird ein Schüler angegriffen, weil er Jude | |
| > ist. Die Täter sind arabisch-türkischer Herkunft. Ein Einzelfall? | |
| Bild: Eine Kundgebung gegen Antisemitismus 2014 vor dem Brandenburger Tor | |
| Ein Schüler wird an einer Schule drangsaliert, beleidigt, schließlich an | |
| der Bushaltestelle in den Schwitzkasten genommen und gewürgt – weil er Jude | |
| ist. Nach vier Monaten an der Schule, nach dem Vorfall an der | |
| Bushaltestelle, nehmen die Eltern ihren 14-jährigen Sohn von der Schule – | |
| auch, weil die Schulleitung nur zögerlich reagiert habe, so ihr Vorwurf, | |
| über den Ende März zunächst die jüdische Wochenzeitung The Jewish Chronicle | |
| berichtete. | |
| Der Fall an der Friedenauer Gemeinschaftsschule zieht nun eine | |
| Grundsatzdebatte über Antisemitismus an Berliner Schulen nach sich. Sollten | |
| die Vorwürfe stimmen, sei das ein „erschütternder Vorgang“, ließ sich am | |
| Montag der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef | |
| Schuster, zitieren. Hier gehe es „um Antisemitismus übelster Art“. | |
| Laut der Mutter des jüdischen Jungen soll ein Mitschüler unter anderem | |
| gesagt haben: „Eigentlich bist du ein ganz netter Kerl. Aber wir können | |
| nicht befreundet sein, weil alle Juden Mörder sind.“ Schulleiter Uwe Runkel | |
| mochte dem Tagesspiegel den letzten Halbsatz nicht bestätigen. Inzwischen | |
| äußert sich die Schulleitung nicht mehr öffentlich zu dem Fall. | |
| In einem offenen Brief auf ihrer Homepage verteidigt sie sich aber dagegen, | |
| die Vorfälle nicht ernst genommen zu haben. Als man von den verbalen | |
| Attacken gehört habe, habe man die Großeltern des Schülers, Zeitzeugen des | |
| Holocaust, in die Klasse eingeladen, „um dort das Thema aufzuarbeiten.“ | |
| Nach dem Angriff an der Bushaltestelle habe man dann Strafanzeige gegen die | |
| Täter erstattet, die von der Schule verwiesen werden sollen. | |
| ## Der Fall ein Einzelfall? | |
| Ist der Friedenauer Fall nun ein Einzelfall? In seiner Heftigkeit schon, | |
| sagt Derviş Hizarcı, Vorstandsvorsitzender der Kreuzberger Initiative gegen | |
| Antisemitismus (KIgA). Laut Senatsbildungsverwaltung wurden im letzten | |
| Schuljahr zehn Fälle von Antisemitismus zur Anzeige gebracht. Das klinge | |
| nicht besonders viel. „Aber dass Eltern ihr Kind nun wegen antisemitischer | |
| Anfeindungen von der Schule nehmen müssen, ist schon heftig.“ | |
| Der KIgA bietet Workshops an, die SchülerInnen für das Thema Antisemitismus | |
| sensibilisieren sollen. Laut Hizarcı tun sich vor allem pubertierende | |
| SchülerInnen oft schwer mit der Frage nach Identität und Zugehörigkeit. In | |
| den Workshops setze man sich daher viel mit Biografien auseinander – der | |
| eigenen, der von Angehörigen. „Es geht darum, den Schülern beizubringen: Es | |
| gibt nicht den Prototyp Jude oder den Klischee-Muslimen“, sagt Hizarcı. | |
| ## Appell an die muslimische Gemeinschaft | |
| 65 Prozent der SchülerInnen an der Friedenauer Schule sind nichtdeutscher | |
| Herkunft, die meisten haben einen türkisch-arabischen Hintergrund – auch | |
| die Täter. Zentralratspräsident Schuster appellierte insbesondere an die | |
| Adresse der muslimischen Gemeinschaft, „den antisemitischen Tendenzen in | |
| ihren Reihen mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten“. | |
| Mohamad Hajjaj, Vorsitzender des Landesverbands des Zentralrats der | |
| Muslime, findet es bedauerlich, dass die Debatte damit nun „gleich so | |
| ethnisiert“ werde. Auch Hizarcı hält das „für den Dialog und eine sachli… | |
| Aufarbeitung des Falls nicht förderlich“. Insbesondere „der salonfähige | |
| Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft“ gerate dabei aus dem Blick. | |
| Hajjaj hat die Erfahrung gemacht: „Auch auf Schulhöfen, wo mehrheitliche | |
| deutsche Kinder sind, ist ‚Jude‘ ein Schimpfwort.“ | |
| Hajjaj, dessen Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit | |
| ebenfalls Antirassismusarbeit an Schulen macht, sagt ähnlich wie auch sein | |
| Kollege Hizarcı: Oft sei Unsicherheit der muslimischen Jugendlichen Grund | |
| für antisemitische Ausfälle. „Da schaut die Familie zu Hause Al-Dschasira | |
| und äußert sich der Vater vielleicht beim Thema Gazakonflikt noch abfällig | |
| über Juden, und dann wird das nachgeplappert.“ In der Schule hingegen | |
| treffen sie dann auf einen netten Mitschüler – der aber eben Jude ist. „Das | |
| ist ein Zwiespalt, den viele dann mit einer Art theologischem | |
| Analphabetismus begegnen.“ Denn natürlich, sagt Hajjaj, habe Antisemitismus | |
| im Islam keinen Platz. | |
| Zentralratspräsident Schuster hat die Senatsbildungsverwaltung | |
| aufgefordert, den Fall aufzuarbeiten. „Wir setzen alles daran, den Vorfall | |
| aufzuklären“, sagte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) am Montag. Dazu | |
| sei die Antidiskriminierungsstelle des Senates eingeschaltet worden, die | |
| jetzt Gespräche mit allen Beteiligten führen soll. | |
| Ein bundesweites Phänomen | |
| Inzwischen äußern sich auch Bundespolitiker zu dem Berliner Fall: Der | |
| religionspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, | |
| forderte von der Senatsschulverwaltung Aufklärung über den Fall und sagte: | |
| „An dieser Art Alltagsantisemitismus darf man nicht schulterzuckend | |
| vorübergehen.“ Beck erklärte, die Politik habe beim Thema Antizionismus | |
| zulange weg- oder vorbeigeschaut: „Gerade mit der Verbreitung des Hasses | |
| auf Israel wird auch Antisemitismus verbreitet und salonfähig gemacht.“ | |
| Die im Berliner Stadtteil Neukölln gegründete Initiative Salaam-Schalom | |
| bezeichnete Antisemitismus in Schulen als ein bundesweites Phänomen. So | |
| würden viele Kinder und Jugendliche „Jude“ als Schimpfwort einsetzen, ohne | |
| Juden oder das Judentum selbst zu kennen, sagte der Koordinator der | |
| interkulturellen Initiative, Armin Langer, am Montag. | |
| Langer bestätigte, dass Salaam-Schalom bereits Ende 2016 wegen des Falles | |
| um Hilfe gebeten worden sei. Allerdings sei dann auf das Angebot der | |
| Initiative nicht eingegangen worden. Salaam-Schalom schickt beispielsweise | |
| ein muslimisches und ein jüdisches Mitglied gemeinsam in Schulen. | |
| Auf der Homepage der Friedenauer Schule bewirbt ein Logo die Mitgliedschaft | |
| in einem bundesweiten Netzwerk: Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage. | |
| Ersteres stimmt leider nicht, Letzteres muss die Schule nun beweisen. | |
| (mit dpa) | |
| 3 Apr 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Anna Klöpper | |
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