Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Verschluckbare Kleinteile
> Hätte man einen Glauben, müsste man wegen der Luther-Devotionalien zum
> Reformationsjubiläum sofort von ihm abfallen.
Bild: Jonathan Meese hat sich selbst eingebuchtet, um den antisemitischen Teufe…
Die katholische Kirche könnte ganze Armeen von Heiligen aufbieten. Dagegen
kann die extremistische Splittergruppe der Protestanten nur komische
Heilige wie Margot Käßmann und Joachim Gauck ins Feld führen. Oder eben
Martin Luther höchstselbst, der vor genau 500 Jahren in Wittenberg die 95
ersten Tweets der Weltgeschichte absetzte und damit das Abendland ins
Wanken brachte.
Aus Gründen, für deren tieferes Verständnis man vermutlich mehrere Semester
angewandtes Beten studiert haben oder in einem entsprechenden Haushalt
aufgewachsen sein muss, feiert die evangelische Kirche dieses Ereignis, wie
nur Gläubische feiern können: derbe, hart und kompromisslos. Man muss nicht
einmal in die Kirche gehen. Die Kirche kommt zu den Menschen, ergreift sie
mit ihren theologischen Tentakeln und wäscht ihnen die Gehirne.
In der Frankfurter Bahnhofsbuchhandlung beispielsweise ächzt ein eigener
Tisch unter Devotionalien, die alleine Luther gewidmet sind. Ganz oben
thront „Luther“ als voluminöses Brettspiel für 29,99 Euro. Dafür gibt’s
Proviantkarten (Käse, Brot, Bier), Erfahrungssteine und ein Spielfeld, auf
dem man als „Zeitgenosse“ in Eisenach, Erfurt oder Magdeburg
„Erfahrungspunkte“ sammeln kann. Im Kleingedruckten wird vor
„verschluckbaren Kleinteilen“ gewarnt, das muss der Antisemitismus sein.
Leider fehlt der Playstation-Egoshooter „Battlefield: Bauernkrieg“, bei dem
sich Luther den Weg von Worms nach Rom frei ballert, wo im Vatikan der
Endgegner wartet. Immerhin gibt’s von Playmobil einen Luther für die
Allerkleinsten, hier sind die verschluckbaren Kleinteile die Schreibfeder
und eine Bibel, die dem Figürchen ständig aus der Hand fällt.
Wem derlei Konsumkitsch noch zu calvinistisch ist, der kann auf das
Daumenkino „Luther haut rein“ zurückgreifen. Inhalt: Ein schelmischer
Luther nagelt Thesen an eine Kirchentür, worauf ein Pfaffe herausschaut und
sich ein Fragezeichen über seinem Kopf formt. Verständlicher lässt sich die
Reformation kaum auf den Punkt bringen. Vergleichsweise unterkomplex
hingegen ist das als Luther herausgeputzte Entchen für die Badewanne. Es
gibt Lutherlutscher und Luthersocken („Hier stehe ich, ich kann nicht
anders“), vielleicht sogar Lutherpenisringe („Gott helfe mir, Amen“) und
Lutherkondome mit Tintengeschmack zur gottgefälligen Familienplanung.
Regelrecht lutherlocker gibt sich Leipzig, das für Veranstaltungen mit der
These wirbt: „Johann Sebastian Bach und Martin Luther wären vermutlich
beste Freunde gewesen, wenn sie nicht 200 Jahre voneinander getrennt gelebt
hätten.“ Das Plakat dazu zeigt den Komponisten mit Ray-Ban-Sonnenbrille und
„Luther Rules“-T-Shirt, was die These hinreichend belegt. Wer weiß, mit wem
Luther sich noch alles hätte anfreunden können – hätte er in irgendeiner
anderen Zeit gelebt? Mit Pontius Pilatus vielleicht, mit Martin Luther
King? Vielleicht sogar … mit mir?
Gott allein wird wissen, warum einer so würdevollen Glaubensgemeinschaft
seit Jahren die Schäfchen weglaufen.
31 Mar 2017
## AUTOREN
Arno Frank
## TAGS
Martin Luther
Reformation
Evangelische Kirche
Martin Luther
Flughafen
Antisemitismus
Vögel
Bahnreisende
Reformation
Klassik
Nutella
Donald Trump
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kunstausstellung zu Luther in Wittenberg: Die Avantgarde in den Gefängniszellen
Reinste Teufelsaustreibung: Die Ausstellung „Luther und die Avantgarde“
setzt der Euphorie über den Reformator etwas entgegen.
Die Wahrheit: Ich Flugzeugentführer
Beim Sicherheitscheck am Flughafen fiel mir plötzlich das Messer in meiner
Tasche ein. Und da waren auch noch die Mitbringsel aus dem Urlaub …
Martin Luther im Nationalsozialismus: Zwei deutsche Führer
Der „Stürmer“ pries Martin Luther als einen der größten deutschen
Antisemiten. Eine Ausstellung zeigt die Verbindungen zum Reformator.
Die Wahrheit: Vom Vergrätzen der Vögel
Nestbau auf dem Balkon: Tauben! Die ihre Familienplanung in Angriff nehmen!
Da hilft nur eins: härteste Gegenmaßnahmen.
Die Wahrheit: Der grüne Zimtplauderer
Im ICE. In der ersten Klasse. Ein vormals weltbekannter Spitzenpolitiker
vertreibt sich die Fahrtzeit und redet und redet und redet …
Ausstellung „Sankt Luther“ in Berlin: Ein Fetzen vom Rock des Reformators
Mit der Ausstellung „Sankt Luther“ will das Stadtmuseum Berlin den Kult um
den berühmten Wittenberger aufarbeiten.
Die Wahrheit: Funky Beethoven
Alles im musikalischen Bereich kann mit Gewinn gehört werden. Nur in der
Klassik gibt es stets die immergleichen vorgestrigen Altmeister.
Die Wahrheit: Die braune Droge
Nutella happens: Einer der gefährlichsten Stoffe der Welt wird jeden Morgen
auf flache Scheiben Brot geschmiert. Das Suchtpotenzial ist immens hoch.
Die Wahrheit: „Ich brauche gar keinen Spiegel!“
Die schönsten Anekdoten über den sympathischen Goldschopf Donald Trump.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.