| # taz.de -- Türkischer Wahlkampf in Deutschland: Hannover sagt Nein | |
| > Ein hochrangiger AKP-Politiker darf nicht in Hannover auftreten. | |
| > Niedersachsens Innenminister macht Sicherheitsbedenken geltend. Andere | |
| > Städte prüfen noch. | |
| Bild: Begeisterte Erdogan-Fans auf einer Wahlveranstaltung am 6. März im hessi… | |
| Hannover/Wien dpa/epd/rtr/afp | Die Stadt Hannover bleibt bei ihrer Absage | |
| für den Auftritt eines Vizechefs der türkischen Regierungspartei AKP an | |
| diesem Freitag. Die Zusage zur Vermietung eines Saals in einem städtischen | |
| Freizeitheim wurde nach dpa-Informationen von der Stadt zurückgezogen. | |
| Mehmet Mehdi Eker, einer der 13 AKP-Vizechefs, hatte am Freitagabend auf | |
| einer Informationsveranstaltung der AKP-nahen Union Europäisch-Türkischer | |
| Demokraten (UETD) für die umstrittene türkische Verfassungsreform werben | |
| wollen. | |
| Nach dem Nein aus Hannover prüfen jetzt auch andere Städte Absagen | |
| ähnlicher Veranstaltungen am Samstag. „Bei uns liegt zwar keine offizielle | |
| Anmeldung vor, dennoch klären wir die genaue Art des Treffens und die | |
| mögliche Teilnehmerzahl“, sagte die Sprecherin der Stadt Salzgitter, Simone | |
| Kessner. Auch in Braunschweig prüfe die Stadtverwaltung eine Veranstaltung | |
| in einem Restaurant, bestätigte Pressesprecher Rainer Keunecke. Zuvor schon | |
| [1][war in Bremerhaven der geplante Auftritt einer AKP-Politikerin abgesagt | |
| worden.] | |
| Dass der AKP-Politiker Eker auf der UETD-Veranstaltung in Hannover | |
| auftreten wollte, war zunächst verschwiegen worden und der Stadt erst | |
| kurzfristig bekanntgeworden. Die Stadt sei über den wahren Charakter der | |
| Veranstaltung getäuscht worden, hieß es zur Begründung für die Absage. „I… | |
| wende mich entschieden dagegen, dass ein innertürkischer Streit in diese | |
| Stadt hineingetragen wird“, sagte Oberbürgermeister Stefan Schostok (SPD) | |
| am Donnerstag. | |
| Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) begrüßte die | |
| Entscheidung der Stadt. Die Art der Anmeldung deute darauf hin, dass der | |
| wahre Zweck der Veranstaltung „verschleiert“ werden solle, sagte er. „Wer | |
| Wahlkampf in Deutschland machen will, der muss sich auch an die Regeln | |
| halten.“ Eine solche Veranstaltung müsse ausreichend gesichert werden | |
| können. In Interviews habe sich Eker einer drastischen Wortwahl bedient, | |
| die geeignet sei, das politische Zusammenleben zu gefährden. | |
| Der niedersächsische Innenminister plädierte bei NDR Info gegen ein | |
| generelles Verbot türkischer Wahlkampfveranstaltung in Deutschland. Er | |
| appellierte zudem an die Bundesregierung, Länder und Kommunen nicht mit der | |
| Regelung solcher Veranstaltungen alleine zu lassen. | |
| ## Graue Wölfe in Österreich | |
| In Österreich wurde jetzt sogar ein türkisches Konzert in der Innsbrucker | |
| Olympiahalle abgesagt. Eine Prüfung habe ergeben, dass die für Samstag | |
| geplante Veranstaltung „auf einen parteipolitischen Inhalt ausgerichtet | |
| sei“, erklärte die Betreibergesellschaft OSVI am Donnerstag. „Bei Kenntnis | |
| der Sachlage wäre eine derartige Mietvereinbarung seitens der OSVI nie | |
| abgeschlossen worden.“ | |
| Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) begrüßte die Absage. Er werde | |
| „nicht zulassen, dass der polarisierende türkische Wahlkampf von außen nach | |
| Tirol hereingetragen wird“, erklärte Platter gegenüber der österreichischen | |
| Agentur APA. Die für die Veranstaltung angekündigten Musiker seien „ganz | |
| klar dem türkisch-nationalistischen und rechtsextremen Lager zuzuordnen und | |
| stehen den ‚Grauen Wölfen‘ nahe“. | |
| Die „Grauen Wölfe“ sind ein Arm der türkischen Nationalistenpartei MHP, | |
| welche die von Präsident Recep Tayyip Erdogan angestrebte Verfassungsreform | |
| unterstützt. Die Abstimmung in der Türkei findet am 16. April statt. In | |
| Österreich leben rund 360.000 Menschen türkischer Herkunft; 117.000 von | |
| ihnen sind türkische Staatsbürger. In Österreich waren bislang vier | |
| geplante Veranstaltungen in Zusammenhang mit dem Referendum abgesagt | |
| worden. | |
| ## Kein generelles Verbot | |
| Der Berliner Regierungssprecher Steffen Seibert hatte nach einem Telefonat | |
| von Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande am | |
| Donnerstag mitgeteilt, dass die beiden Politiker Wahlkampfauftritte | |
| türkischer Politiker im jeweiligen Land nicht generell verbieten wollten. | |
| Die Genehmigung gelte aber nur, wenn präzise Voraussetzungen und Vorgaben | |
| erfüllt seien: „So müssen sie rechtzeitig und transparent angemeldet werden | |
| und deutsches beziehungsweise französisches Recht und Gesetz strikt | |
| einhalten.“ Nazi-Vergleiche aus der türkischen Regierung wiesen Merkel und | |
| Hollande als „inakzeptabel“ zurück. | |
| Präsident Recep Tayyip Erdogan warf dagegen Deutschland vor, eine gegen | |
| sein Land gerichtete Kampagne in Europa anzuführen. Zudem stellte er das | |
| Kopftuch-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) auf eine Stufe mit | |
| mittelalterlichen Kreuzzügen: „Die haben einen Kampf zwischen dem Kreuz und | |
| dem Halbmond angefangen, es gibt keine andere Erklärung.“ | |
| ## Religionskriege in Europa | |
| Auch sein Außenminister Mevlüt Cavusoglu sieht Europa auf den Weg in einen | |
| islamfeindlichen Block. „Sie sind alle gleich“, sagte er bei einer | |
| Wahlkampfveranstaltung in Antalya mit Blick auf den niederländischen | |
| Rechtspopulisten Geert Wilders, der den Islam für eine Gefahr hält. „Diese | |
| Mentalität wird Europa an den Abgrund führen. Bald könnten und werden | |
| Religionskriege in Europa beginnen.“ | |
| „Ich habe nicht die Absicht, mich an diesem Wettlauf der Provokationen zu | |
| beteiligen“, sagte Merkel der Saarbrücker Zeitung. Mit Blick auf Vergleiche | |
| Deutschlands und der Niederlande mit der Nazi-Diktatur durch türkische | |
| Regierungsmitglieder forderte sie aber auch: „Die Beschimpfungen müssen | |
| aufhören.“ Vorwürfe Erdogans, sie unterstütze „PKK-Terroristen“ seien | |
| abwegig. | |
| Auch Außenminister Sigmar Gabriel und Bundesfinanzminister Wolfgang | |
| Schäuble mahnten, sich nicht provozieren zu lassen. „Wir sollten klug sein: | |
| Wir schütten kein Öl ins Feuer, wir begeben uns nicht auf ein | |
| vergleichbares Niveau, wir beschimpfen keinen“, sagte Schäuble in einem | |
| Reuters-Interview. Er zog allerdings auch Grenzen, indem er der von der | |
| Türkei gewünschten Wirtschaftshilfe erneut eine Absage erteilte: „Klar ist: | |
| Solange die Lage so ist wie momentan, ist es illusorisch zu meinen, man | |
| könnte Schritte zur engeren wirtschaftlichen Zusammenarbeit vereinbaren.“ | |
| 17 Mar 2017 | |
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