Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Presse- und Meinungsfreiheit in Spanien: Knebel fürs Netz
> Die spanische Regierung reguliert mit ihrem Gesetz das Verbreiten von
> Inhalten über soziale Medien. Das trifft nicht nur Journalisten.
Bild: „Miedo“, übersetzt Angst, hat vor allem die Bevölkerung vor dem Ges…
Madrid taz | „Der Regierung geht es darum, systematisch Angst zu
verbreiten“, erklärt die Sprecherin der Bürgerrechtsorganisation
„NoSomosDelito“ (Wir sind kein Verbrechen), Mónica Hidalgo. Dieser Tage
wird das spanische „Gesetz zur Sicherheit der Bürger“ zwei Jahre alt.
„Knebelgesetz“ nennt es der Volksmund. Denn das Werk des konservativen
Ministerpräsidenten Mariano Rajoy verfolgt unliebsame Geister mit
Bußgeldbescheiden. Aufruf und Teilnahme an spontanen Demonstrationen,
Proteste, die wichtige Infrastrukturen blockieren, oder Verbreitung von
Fotos von Polizeibeamten beim Einsatz können zwischen 100 und 600.000 Euro
kosten.
Ein ebenfalls 2015 mit den Stimmen der beiden großen Parteien
verabschiedetes Anti-Dschihadisten-Gesetz dient dazu, die sozialen
Netzwerke auf mutmaßliche „Verherrlichung des Terrorismus“ zu durchsuchen.
„Ständige Repression auf niedriger Ebene“, nennt es Hidalgo. Allein in den
ersten sieben Monaten nach Inkrafttreten des „Knebelgesetzes“ wurden 40.000
Bußgelder verhängt. Und Dutzende Spanier mussten wegen ihrer
Onlineaktivitäten vor Gericht.
## Strafe für Witze
Für Schlagzeilen sorgen vor allem Strafen und Gerichtsverfahren gegen
Journalisten, Musiker oder Twitteraktivisten. Der jüngste Fall ist der von
Cassandra Vera Paz. Die 21-jährige Geschichtsstudentin verbreitete auf
Twitter Witze über den 1973 von ETA getöteten Nachfolger des spanischen
Diktator Francisco Franco, Admiral Luis Carrero Blanco. Die Bombe
schleuderte damals das gepanzerte Fahrzeug von Carrero Blanco über ein
fünfstöckiges Gebäude in der Madrider Innenstadt. „Kissinger schenkte
Carrero Blanco ein Grundstück auf dem Mond. ETA zahlte ihm die Reise“,
lautete einer der Witze, die Vera Paz vor der Audiencia Nacional ein
Verfahren wegen „Verherrlichung des Terrorismus“ einbrachten.
Die Staatsanwaltschaft forderte anfänglich zwei Jahre und sechs Monate
Haft. Mittlerweile wurde das geforderte Strafmaß auf ein Jahr gesenkt.
„Dass ich wegen schwarzem Humor vor dem gleichen Sondergericht stehe wie
mutmaßliche Terroristen, Drogenbosse oder die der Korruption im großen
Stile Angeklagten ist unbegreiflich. Witze über Carrero Blanco sind in
Spanien total normal“, erklärt die junge Frau. Sie ist nicht die Einzige,
auf die das Anti-Dschihadisten-Gesetz angewandt wird.
Der Rapper Valtónyc wurde wegen seiner Texte gegen die Monarchie zu
dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. In Madrid wurden Puppenspieler
verhaftet, die sich satirisch mit der Polizei und ETA auseinandersetzten.
Der Sänger der Band Def con Dos, César Strawberry, erhielt eine einjährige
Haftstrafe. „Das Urteil verstößt gegen meine elementarsten Rechte“,
beschwert sich der Sänger, der für seine sarkastischen und ironischen Texte
bekannt ist.
Auch die Presse geht bei so viel Verfolgungswut nicht leer aus. Axier López
war der erste Journalist, der mit dem „Knebelgesetz“ Bekanntschaft machte.
Der Redakteur der ältesten Zeitschrift in baskischer Sprache, Argia,
veröffentlichte auf Twitter ein Foto, das zeigt, wie Mitglieder einer
baskischen Jugendorganisation abgeführt werden. Im Bußgeldbescheid über 601
Euro wird ihm vorgeworfen, mit dem Foto das Leben der Polizeibeamten und
deren Familien zu gefährden. „ETA hat vor fünf Jahren den bewaffneten Kampf
beendet“, wundert sich der Journalist über die Begründung. „Die Presse ist
unter anderem dazu da, darüber zu wachen, was die Autoritäten machen.“
López legte Widerspruch ein. „Eine Woche vor dem Gerichtstermin zogen die
Behörden das Bußgeld zurück mit der Begründung, es sei ihnen ein
Verfahrensfehler unterlaufen“, sagt López.
28 Mar 2017
## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Spanien
Journalismus
Soziale Netzwerke
Spanien
Spanien
Spanien
Mariano Rajoy
Mariano Rajoy
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kommentar Entwaffnung der ETA: Ohne Weitblick und Großzügigkeit
Die Waffenabgabe der ETA ist ein starkes Signal für friedliche
Konfliktlösung. Die spanische Regierung handelt jedoch nicht mit gleicher
Größe.
Knebelgesetz in Spanien: Strafzettel schnell gezückt
Das umstrittene „Gesetz zur Sicherheit der Bürger“ macht Alltagsdelikte
schnell teuer. Die Nationalpolizei ist mit der Neuerung zufrieden.
Protest in Spanien: Hologramme für Meinungsfreiheit
Tausende kamen in der spanischen Hauptstadt Madrid zusammen – als
Hologramme. Sie demonstrierten gegen das neue „Knebelgesetz“.
Kommentar Antidemogesetz in Spanien: Angst verbreiten, mundtot machen
Das „Gesetz zur Sicherheit der Bürger“ bedeutet das Ende der wichtigsten
demokratischen Freiheiten. Es geht darum, Proteste im Keim zu ersticken.
Spaniens neues Knebelgesetz: 1.000 Euro Strafe für eine Demo
Das Demonstrieren wird in Zukunft teuer. Die Polizei kann jetzt nach
Gutdünken empfindliche Geldbußen verhängen, „zur Sicherheit der Bürger“.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.