| # taz.de -- Knebelgesetz in Spanien: Strafzettel schnell gezückt | |
| > Das umstrittene „Gesetz zur Sicherheit der Bürger“ macht Alltagsdelikte | |
| > schnell teuer. Die Nationalpolizei ist mit der Neuerung zufrieden. | |
| Bild: Mundtot: Teilnehmer gegen die „Ley Mordaza“ in Madrid. | |
| Madrid taz | Zwei Monate ist das umstrittene „Gesetz zur Sicherheit der | |
| Bürger“ in Spanien in Kraft. Was Bürgerrechtler „Knebelgesetz“ tauften, | |
| zeigt seine ersten Auswirkungen. Die Polizei erlässt Bußgelder wie nie | |
| zuvor. Ob „fehlender Respekt gegenüber Ordnungskräften“, „Eingriff in d… | |
| Verkehr“ oder die Veröffentlichung von Fotos und Videos von Polizeibeamten | |
| bei Einsätzen führen zu Bußgeldbescheiden, die je nach Schwere des | |
| Vergehens von 100 bis 600.000 Euro betragen können. Was ursprünglich als | |
| Gesetz gegen soziale Proteste gedacht war, kommt auch in alltäglichen | |
| Situationen zum Einsatz. | |
| So wurde in Südspanien ein Betrunkener mit einem Bußgeld von 300 Euro | |
| belegt, nachdem er den Polizeibeamten „Kumpel“ nannte. Eine Clique, die auf | |
| einem Platz Pizza verspeiste, wurde ebenfalls mit 600 Euro pro Kopf belegt. | |
| Ihr Delikt: „Illegale Versammlung“. Ein Pärchen an der Mittelmeerküste | |
| wartet ebenfalls auf den Bußgeldbescheid. Betrunken hatten die beiden auf | |
| einem öffentlichen Platz Sex miteinander. Neben „Behinderung des | |
| Straßenverkehrs“ werden sie des „fehlenden Respekts“ bezichtigt. Sie hat… | |
| den Beamten gebeten, sie bitte nicht zu stören. | |
| Ein junger Mann in Teneriffa warf den Gemeindepolizisten auf Facebook vor, | |
| „sich vor der Arbeit zu drücken“. Der „fehlende Respekt“ kostet ihn 600 | |
| Euro. Einer Frau in einer Kleinstadt wurde ein Posting bei Facebook zum | |
| Verhängnis. Sie hatte einen Streifenwagen fotografiert, der auf einem | |
| Behindertenparkplatz stand. Nach zahlreichen Protesten wurde der | |
| Bußgeldbescheid über 800 Euro zurückgezogen. In Madrid verhängt die Polizei | |
| Bußgelder gegen Prostituierte auf einem Straßenstrich wegen Gefährdung des | |
| Straßenverkehrs. | |
| Auch politische Aktivisten trifft das Gesetz, wie ein Mitglied der Bewegung | |
| gegen Zwangsräumungen und Pressesprecher der Protestpartei Podemos im | |
| nordwestlichen Kantabrien. Er beteiligte sich an Protesten in einer | |
| Bankfiliale und hatte keinen Ausweis dabei. 600 Euro soll das kosten. In | |
| Galizien traf es eine Kandidatin der dortigen Bürgerliste bei den | |
| Gemeinderatswahlen in Ourense. Sie konnte sich nachts auf dem Heimweg nicht | |
| ausweisen. | |
| Mónica Hidalgo von der Bürgerrechtsorganisation „Wir sind kein Delikt“, d… | |
| gegen das Gesetz mobil macht, spricht „von Rechtsunsicherheit“. Die bekannt | |
| gewordenen Fälle zeigten, dass es „auf den jeweiligen Beamten ankommt, ob | |
| ein Bußgeld verhängt wird oder nicht“. Hidalgo fürchtet, dass zunehmend | |
| Bußgelder gegen Demonstranten verhängt werden, wenn nach der Sommerpause | |
| die Proteste gegen die Sparpolitik wieder beginnen. | |
| Für den Generalsekretär der Nationalpolizei, Ignacio Cosidó, garantiert das | |
| Gesetz hingegen die Bürgerrechte: „Die Polizei agiert heute mit mehr | |
| Freiheit und mehr Respekt für die Menschenrechte.“ Das Gesetz war von der | |
| konservativen Regierung unter Mariano Rajoy durchs Parlament gepeitscht | |
| worden. | |
| 1 Sep 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Reiner Wandler | |
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