# taz.de -- ZDF-Dreiteiler „Der gleiche Himmel“: Nur ein paar Knöpfe drüc… | |
> „Der gleiche Himmel“ zeigt einen Romeo-Spion bei der Arbeit. Die | |
> Produktion soll den Weltmarkt erobern – reproduziert aber ein krudes | |
> Frauenbild. | |
Bild: Guckt er noch oder spioniert er schon? Tom Schilling als Agent | |
Die Agenten der DDR wussten genau, was Frauen wollen: „Andauernder | |
Blickkontakt verursacht tiefgreifende sexuelle Erregung bei der Frau“, | |
erklärt der Ausbilder den angehenden männlichen Spionen. „Blicken sie ihr | |
vor allem ins linke Auge. Durch das linke Auge führt ein direkter Draht zur | |
weiblichen Emotion.“ Diese kuriosen Weisheiten gibt es gleich in der ersten | |
Szene des [1][ZDF-Dreiteilers „Der gleiche Himmel“] zu hören. Hält man das | |
anfangs noch für eine humoristische Auseinandersetzung mit einem | |
steinzeitlichen Frauenbild, kann man sich darüber im Laufe der Handlung | |
nicht mehr so sicher sein. Aber dazu später mehr. | |
Die Geschichte beginnt damit, dass der 25-jährige Lars Weber (Tom | |
Schilling) im Jahr 1974 als sogenannter Romeo-Agent im Dienste des | |
Sozialismus nach Westberlin geschickt wird. Er soll dort eine Beziehung mit | |
der 15 Jahre älteren Lauren Faber (Sofia Helin) eingehen, die für den | |
britischen Geheimdienst arbeitet. Unterstützt wird Weber von einem | |
schmierigen Führungsoffizier (Ben Becker). | |
Außerdem geht es um einen homosexuellen Lehrer (Hannes Wegener), der die | |
Flucht in den Westen plant, sowie eine Mutter (Anja Kling), die aus ihrer | |
Tochter (Stephanie Amarell) eine DDR-Olympia-Schwimmerin machen will – auch | |
wenn das Kind dafür mit Dopingmitteln gemästet wird. Dazu kommt noch eine | |
Patchworkfamilie aus Westberlin, bestehend aus einer Deutschen (Claudia | |
Michelsen), die mit einem amerikanischen NSA-General (Steven Brand) sowie | |
mit ihrer Tochter (Friederike Becht) aus erster Ehe zusammenlebt. Ganz | |
schön viel Personal. Zumindest in dieser Hinsicht wird das Publikum nicht | |
unterfordert. | |
„Der Trend geht weg vom klassisch erzählten Linearprogramm mit einer | |
Hauptfigur, die etwas erleidet“, sagt der mitverantwortliche Produzent Nico | |
Hofmann von der UFA Fiction: „Heute ist das Publikum auch durch viele | |
internationale Serien gut geschult und erwartet ein komplexes Erzählen auf | |
mehreren Ebenen.“ | |
## In mehr als 100 Länder verkauft | |
Mit dem Film „Der gleiche Himmel“ haben Hofmann und sein Kollege Jan Mojto | |
von Beta Film mehr im Sinn, als in Deutschland gute Quoten zu holen: „Bei | |
diesem Projekt haben wir von Anfang an alles darangesetzt, den Weltmarkt zu | |
erobern“, sagt Hofmann. 455 amerikanische Serien seien letztes Jahr auf dem | |
Markt gewesen, erzählt Hofmann, „und niemand kauft ein Produkt, das nicht | |
mindestens genauso gut ist wie die anderen 455“. Der Plan scheint | |
aufgegangen: „Der gleiche Himmel“ wurde an Netflix in den USA und | |
Großbritannien sowie in mehr als 100 Länder verkauft. | |
Das Drehbuch schrieb die britische Autorin Paula Milne, die Regie übernahm | |
Oliver Hirschbiegel. Der gebürtige Hamburger feierte 2004 mit dem | |
fragwürdigen Hitler-Epos „Der Untergang“ einen internationalen Erfolg | |
inklusive einer Oscar-Nominierung. Anschließend war er in den USA und | |
Großbritannien tätig sowie für einige Episoden der europäischen | |
Koproduktion „Borgia“ verantwortlich. | |
Nach der von den Produzenten geforderten internationalen Ausrichtung | |
gefragt, sagt der 59-Jährige: „Es ist schwer zu sagen, was genau überhaupt | |
ein internationaler Stil ist. Es bedeutet jedenfalls nicht, dass man gute | |
amerikanische Serien kopiert. Ein Film oder eine Serie werden nur dann | |
international akzeptiert, wenn sie sich glaubwürdig in ihrer Welt bewegen | |
und dabei von universellen Konflikten erzählen. Das ist das ganze | |
Geheimnis.“ „Der gleiche Himmel“ müsse deutsch riechen, schmecken und si… | |
deutsch anfühlen – „sonst wird diese Geschichte niemanden überzeugen“. | |
## Nur der Start gelingt | |
Die erste Stunde ist tatsächlich überzeugend. Hohes Tempo, hochwertige | |
Ausstattung, interessante Charaktere, erzählerische Komplexität, moderne | |
Bildsprache, stimmige Musikauswahl. Doch irgendwann treten allzu viele | |
Schwächen hervor. Zum Beispiel berührt es unangenehm, dass für Lacher | |
ausschließlich ein dicker Schwuler zuständig sein soll. Er gehört zu einer | |
Gruppe, die einen Tunnel in den Westen gräbt, und bleibt immer in einem | |
engen Loch stecken. Schadenfreudehumor aus der Mottenkiste. Ab und zu gibt | |
es unpassende Seitenhiebe auf die NSA, die wirken, als wolle man die | |
Zustimmung der Zuschauer erheischen. | |
Im zweiten Teil herrscht nahezu Stillstand. Die zentrale Erzählung beginnt | |
sogar noch mal von vorn: Der Romeo-Agent hat sich im ersten Teil | |
erfolgreich an sein Opfer herangemacht, aber aus Gründen, die hier nicht | |
verraten werden sollen, wird er in Teil zwei auf die Stieftochter des | |
NSA-Generals angesetzt. Genau wie beim ersten Mal funktioniert seine | |
Umgarnung auch bei ihr perfekt. | |
Und spätestens dann dämmert einem: Was der Agentenausbilder in der | |
allerersten Szene über Frauen gesagt hat, war gar nicht lustig gemeint – | |
der Film vermittelt diese Botschaft ernsthaft. Frauen als leichte Beute, | |
bei denen nur ein paar Knöpfe gedrückt werden müssen. Klar gibt es solche | |
Konstellationen, mancher Romeo-Agent war ja tatsächlich erfolgreich, aber | |
dies hier gleich zweimal als todsichere Methode darzustellen, ohne die | |
Möglichkeit des Scheiterns wenigstens anzudeuten oder das Vorgehen des | |
Spions vielleicht ironisch zu brechen, schafft einen unangenehmen Unterton. | |
Der dritte Teil schleppt sich dann schwerfällig dahin, die Charaktere | |
entwickeln sich kaum. Keine der Geschichten wird wirklich zu Ende erzählt, | |
das offene, unbefriedigende Ende lässt einen ratlos zurück. Vermutlich soll | |
das den Wunsch nach einer Fortsetzung auslösen – aber der will sich so gar | |
nicht einstellen. | |
27 Mar 2017 | |
## LINKS | |
[1] https://www.zdf.de/filme/der-gleiche-himmel | |
## AUTOREN | |
Sven Sakowitz | |
## TAGS | |
ZDF | |
Spionage | |
Frauenbild | |
Serien | |
Amazon Prime | |
TV-Dokumentation | |
Film | |
Edward Snowden | |
James Bond | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Ufa-Chef zur Zukunft des Filmgeschäfts: „Der Wettbewerb wird angeheizt“ | |
Gerade hat die Ufa ihren 100. Geburtstag gefeiert. Geschäftsführer Nico | |
Hofmann spricht über die Zeitenwende durch Netflix und Amazon. | |
ZDF-Doku „Das letzte halbe Jahr“: Mit 15 hat man noch Träume | |
Wenn im Ort die Schule nur bis zur 10. Klasse geht, steht früh die erste | |
Trennung an. Im ZDF werden 15-Jährige auf ihrem Weg zum Abschluss | |
begleitet. | |
Zweiter Teil der Film-Komödie: Jagd auf rote Brause | |
Der Film erzählt die Geschichte ohne Romanvorlage fort: „Der | |
Hunderteinjährige, der die Rechnung nicht bezahlte und verschwand“. | |
Geheimdienstthriller „Snowden“: Hier ein Verräter, dort ein Held | |
Das Leben des Whistleblowers Edward Snowden ist verfilmt worden. Doch in | |
Washington scheint sich keiner dafür zu interessieren. | |
Neuer James-Bond-Film „Spectre“: Bond würde David Cameron wählen | |
Spektakel geht nun mal vor Sinn: Der neue James-Bond-Film ist hemmungslos | |
in seiner opportunistischen Anpassung an den Zeitgeist. | |
Europäischer Filmpreis: „La Grande Bellezza“ räumt ab | |
Der Europäische Filmpreis 2013 geht nach Italien. Der mit gleich vier | |
Nominierungen gestartete deutsche Film „Oh Boy“ hat das Nachsehen. |