# taz.de -- Weniger Kohlekraftwerke in Asien: Abschied vom Dreckschleudern | |
> Der Bau von Kohlekraftwerken geht weltweit zurück, zeigt eine neue | |
> Studie. Damit rücken die Klimaziele der UNO zum ersten Mal in greifbare | |
> Nähe. | |
Bild: Kohlekraftwerk in Shenyang, China | |
BERLIN taz | Positive Meldungen von Umweltschützern und Wissenschaftlern | |
zum Klimawandel sind sehr selten. Hier aber ist eine: „Zum ersten Mal seit | |
Beginn des Kohlebooms vor einem Jahrzehnt scheint es so, als brächten die | |
Entwicklungen in Asien das globale Klimaziel in erreichbare Nähe. Es mehren | |
sich die Hoffnungen, dass die schlimmsten Zustände des Klimawandels | |
vermieden werden könnten.“ Trotz aller Vorsicht gäbe es „guten Grund für | |
Optimismus“. | |
Das schreibt die Autoren des Berichts „Boom and Bust“, den die | |
Umweltverbände Sierra Club und Greenpeace zusammen mit der | |
Wissenschaftlergruppe „CoalSwarm“ regelmäßig über die globale | |
Kohleindustrie erstellen. | |
Und der [1][aktuelle Bericht für 2016 (pdf)], der am Mittwoch | |
veröffentlicht wird, hat eine gute Nachricht für den Klimaschutz: „Der Bau | |
von Kohlekraftwerken sah 2016 einen dramatischen Einbruch, hauptsächlich | |
wegen Entwicklungen in Asien“, lautet das Fazit. Es wurden 62 Prozent | |
weniger Baustellen eröffnet, 48 Prozent weniger Kraftwerke geplant und in | |
China 85 Prozent weniger Betriebsgenehmigungen für die dreckigen Kraftwerke | |
erteilt. | |
Seit etwa zehn Jahren erlebt die Welt einen bislang nie da gewesenen Boom | |
beim Bau von Kohlekraftwerken. Die relativ billige und weit verfügbare | |
Energie aus Stein- und Braunkohle befeuert vor allem das Wachstum in den | |
Schwellenländern wie China, Indien, Türkei, Indonesien oder den | |
Philippinen. Einmal gebaut, werden Kohlekraftwerke etwa 40 Jahre betrieben, | |
was ihre Emissionen für Jahrzehnte festlegt. | |
## Knapp 130 Kraftwerke stillgelegt | |
Weil Kohle von allen Energieformen den höchsten Ausstoß an klimaschädlichem | |
Kohlendioxid bringt, warnen Umweltschützer seit Langem davor, dass hier die | |
dreckigste Energieform für die nächsten Jahrzehnte zementiert wird, allen | |
Schwüren zum Klimaschutz zum Trotz. „Allein die Kraftwerke, die derzeit in | |
Bau und genehmigt sind, würden uns mit ihren Emissionen auf einen Pfad | |
jenseits des 2-Grad-Ziels bringen“, warnten noch 2015 die Experten des | |
„Climate Action Tracker“, die die Wirksamkeit von Klimaschutzbemühungen | |
verfolgen. | |
Dieser Trend ist nun offenbar zumindest erst einmal gebrochen, zeigt der | |
Überblick. Allein in China und Indien, wo im letzten Jahrzehnt fast 90 | |
Prozent aller weltweit gebauten Kohlekraftwerke stehen, ist der Bau von 68 | |
Gigawatt (etwa 120 Kraftwerksblöcken) erst einmal gestoppt. Weltweit sei | |
mehr Kapazität eingefroren als neu ans Netz gegangen, schreiben die | |
Autoren. Und die CO2-Sünder werden so schnell wie noch nie stillgelegt, | |
allein 64 Gigawatt, knapp 130 Kraftwerke, in den vergangenen beiden Jahren. | |
Den Grund für den Rückgang sehen die Experten für China in drastischen | |
Maßnahmen der Behörden: Weil der Strombedarf der Industrie weniger steige | |
als erwartet und die Luftverschmutzung in den Städten immens geworden ist, | |
strichen die chinesischen Planer Dutzende von geplanten Projekten oder | |
legten Baustellen still. „Über 300 Gigawatt (600 Kraftwerksblöcke) Projekte | |
in verschiedenen Entwicklungsstufen wurden auf Eis gelegt bis zum Ende des | |
13. Fünfjahresplans 2020, darunter 55 Gigawatt, die bereits gebaut wurden.“ | |
Experten fürchten daher, dass in China bis zu einer Billion Dollar in | |
Kraftwerke investiert wurden, die nun stillliegen. In Indien, dem anderen | |
Boomland, hat die Regierung 2016 erklärt, man habe genug Kohlekraft gebaut, | |
sie legt derzeit ein riesiges Solarprojekt auf. Privates Kapital für | |
Kohlekraft sei dort immer schwerer aufzubringen, heißt es. | |
## Japan plant eine Zukunft mit Kohle | |
Beide Staaten haben ihre Kohlepläne seit Anfang 2016 zusammengestrichen – | |
direkt nach dem Abschluss des Klimavertrags von Paris im Dezember 2015, der | |
weltweit ein Ende der fossilen Brennstoffe rund um 2050 fordert. Das Ende | |
dieser Planungen bringe „die Möglichkeit eines globalen Kohleausstiegs in | |
den kommenden Jahrzehnten, eine Vorbedingung, um den Klimawandel | |
einzuschränken“, so die Studie. | |
Klimawissenschaftler fordern seit Langem, bis 2020 müssten die weltweiten | |
CO2-Emissionen ihren Höhepunkt erreichen und danach drastisch fallen, um | |
die Erdatmosphäre bis 2100 nicht um mehr als 2 Grad Celsius zu erwärmen. | |
Gerade am Wochenende verkündete die Internationale Energieagentur IEA neue | |
Zahlen, nach denen die globalen Emissionen aus der Verbrennung von Kohle, | |
Gas und Öl bei etwa 32 Milliarden im dritten Jahr stabil geblieben sind. | |
„Drei Jahre die gleichen Emissionen bei wachsender Wirtschaft | |
signalisieren, dass sich hier ein Trend anbahnt“, sagte Fatih Birol, Chef | |
der IEA, der Energiebehörde der OECD-Länder. | |
In anderen Staaten aber geht der Kohleboom bisher weiter. Vor allem | |
Schwellenländer mit stark steigender Bevölkerung und hoher Nachfrage nach | |
Strom wie die Türkei, Indonesien, Vietnam, Südkorea, die Philippinen oder | |
Ägypten setzten weiter auf die dreckige Industrie. Auch Japan plant eine | |
Zukunft mit Kohle – als Ersatz für die nach Fukushima abgeschalteten | |
Atomkraftwerke. | |
Zwar gibt es auch in vielen dieser Länder starke Opposition gegen neue | |
Kraftwerke, die die Luft verschmutzen und Wasser verbrauchen, und die | |
Finanzierung der Großprojekte werde international schwieriger, aber bislang | |
stehen diese Planungen in den Büchern. Der Report „Boom and Bust“ rechnet | |
allerdings auch hier mit Streichungen – nur 20 Prozent dieser Projekte | |
würden wahrscheinlich realisiert, heißt es. Oft seien Wind- und | |
Solarkraftwerke inzwischen deutlich billiger. | |
## Sorgen über Entwicklung in Afrika | |
Der Klima-Ökonom Ottmar Edenhofer vom Mercator-Institut MCC warnt | |
allerdings davor, jetzt schon den Anfang vom Ende der Kohlekraft zu sehen. | |
„Das ist ein großer Erfolg – aber noch keine Trendwende“, sagt Edenhofer. | |
Auch mit den gestrichenen Projekten stießen die Kohlekraftwerke für | |
ernsthaften Klimaschutz weltweit immer noch viel zu viel CO2 aus. Allein | |
die restlichen Kraftwerke brauchten schon die Hälfte des Budgets auf, das | |
die Menschheit noch in die Atmosphäre blasen dürfe, wenn die | |
Zwei-Grad-Grenze bei der Klimaerwärmung gehalten werden solle. | |
„Selbst wenn kein einziges neues Kraftwerk gebaut wird, würden die alten | |
Kraftwerke über ihre Lebenszeit immer noch ein Viertel des gesamten Budgets | |
verbrauchen“, so Edenhofer. Besondere Sorgen macht ihm die Entwicklung in | |
Afrika, wo viele Staaten jetzt stark auf Kohle setzten: „Wenn diese Pläne | |
verwirklicht werden, entsteht dort ein Kraftwerkspark, der die Emissionen | |
für die nächsten 40 Jahre festschreibt.“ | |
Die Behörden in China und Indien hätten „zu viele Bauprojekte als | |
Verschwendung von Ressourcen“ betrachtet, kommentierte Ted Nace, Direktor | |
von CoalSwarm. 2016 sei wegen der Menge der gestoppten Projekte ein | |
ungewöhnliches Jahr gewesen. Und für Nicole Ghio vom Sierra Club ist mit | |
den Zahlen deutlich: „Die Märkte wollen saubere Energie. Keine Rhetorik von | |
Donald Trump wird den Absturz der Kohle in den USA und weltweit stoppen.“ | |
22 Mar 2017 | |
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## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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