# taz.de -- Unsichere Schulwege: Risikofaktor: die anderen Eltern | |
> Schulen klagen über Verkehrschaos zu Unterrichtsbeginn. Teil des | |
> Problems: Eltern, die ihre Kinder bis vors Schultor chauffieren. | |
Bild: An vielen Grundschulen regeln SchülerlotsInnen den Verkehr – und werde… | |
Morgens um acht Uhr ist Rushhour an der Gneisenaustraße Ecke | |
Schleiermacher: Unterrichtsbeginn an der Kreuzberger | |
Reinhardswald-Grundschule, stoßweise stauen sich die Schüler vor der | |
Kreuzung. Gleichzeitig schiebt sich ein Rechtsabbieger, ein Vater mit Kind | |
auf dem Rücksitz, in die Schleiermacherstraße hinein. Schülerlotsin Stella | |
winkt ihn durch, dann nutzt sie die Lücke und gibt die Kreuzung für die | |
Schüler frei. | |
Nicht immer sind die Autofahrer geduldig: Im Januar zogen zwei | |
Grundschulen, die Schule an der Pulvermühle in Spandau und die | |
Werbellinsee-Grundschule in Schöneberg, öffentlichkeitswirksam ihre | |
Verkehrshelfer von den Lotsenpunkten ab. | |
Der größte Risikofaktor für die Kinder: Eltern, die ihre Kinder mit dem | |
Auto bis vor das Schultor fahren, dabei Rettungswege blockieren – oder sich | |
auch mal mitten durch die Schülerlotsen drängeln, wie kurz vor Weihnachten | |
an der Werbellinsee-Grundschule geschehen. | |
„Seit Jahren“, schrieb Schulleiterin Sabine Schirop daraufhin in einer | |
Pressemitteilung, beobachte man „eine zunehmende Ignoranz gegenüber den | |
Schülerlotsen.“ Konkret: Die Bringe- und Abholsituation in der Eisenacher | |
Straße sei, obwohl immer wieder mit den Eltern thematisiert, | |
„katastrophal“. | |
## Wildparken vorm Schultor | |
Auch Karin Saremba, an der Reinhardswald-Grundschule für die derzeit 14 | |
Schülerlotsen zuständig, erzählt von Eltern, die die ohnehin | |
herausfordernde Situation an der viel befahrenen Gneisenaustraße durch | |
Wildparken vorm Schultor noch unübersichtlicher gestalteten. Zudem habe es | |
vergangenes Jahr zwei Fälle gegeben, bei denen Autofahrer die Lotsen | |
missachtet hätten. Die Schule zeigte die Fahrer an: Gefährdung anderer | |
Verkehrsteilnehmer durch mangelnde Sorgfalt. Das Bußgeld dafür liegt im | |
niedrigen zweistelligen Bereich. | |
Auch aus Spandau heißt es: Rasende Autofahrer, wie zunächst in | |
Zeitungsberichten zu lesen war, seien nicht das Hauptproblem, sagt der | |
Stadtrat für Ordnungsangelegenheiten Stephan Machulik (SPD). Vielmehr | |
machten die elterlichen Kurzparker vor dem Schultor im Grützmacherweg die | |
Situation völlig unübersichtlich. „Da können Sie zu den Stoßzeiten nicht | |
mal 30 fahren“, sagt Machulik, der mit Schulleitung und Polizei seit Januar | |
die Verkehrslage rund um die Schule an der Pulvermühle begutachtet hat. | |
Ein Phänomen, das sich unter Eltern zudem zunehmender Beliebtheit erfreue: | |
Die Kinder nicht nur schnell vor dem Schultor rauszulassen, „mitunter sogar | |
auf der Fahrbahnseite“ –, sondern noch bis vors Klassenzimmer zu begleiten. | |
„Da werden absolute Parkverbote ignoriert und am Ende behindern sich da 20 | |
Autos gegenseitig und gefährden auch noch die Kinder“, sagt Machulik. | |
Sibel Demir, Gesamtelternvertreterin an der Schule, differenziert indes: | |
„Die Helikoptereltern sind morgens das Problem“, sagt sie. Da gebe es | |
inzwischen eine AG, die dafür werbe, die Kinder zu Fuß zur Schule zu | |
bringen. “Ab mittags haben wir auch Schüler vom benachbarten | |
Oberstufenzentrum, die gerne zu schnell fahren“, sagt sie. Ein Problem, | |
weil das Hortgebäude der Grundschüler ein paar Straßen vom Schulgebäude | |
entfernt liegt. | |
## Spandau: „Kiss-and-go-Haltestellen“ | |
Stadtrat Machulik sagt, man bemühe sich nun vor allem um eine „Verbesserung | |
der Parksituation“. Vorbild könnte die Mary-Poppins-Grundschule im Bezirk | |
sein: Dort hatte man letztes Jahr „Kiss-and-go-Haltestellen“ vor der Schule | |
ausgewiesen – Haltezonen für Eltern, die kurz ihre Kinder rauslassen | |
wollen. | |
An der Reinhardswald-Grundschule heißt dasselbe Prinzip | |
„Elternhaltestelle“. Zwei Bereiche für jeweils acht bis zehn Fahrzeuge in | |
der Baerwaldstraße und der Blücherstraße wurden im Rahmen eines | |
Pilotprojekts der Senatsbildungsverwaltung eingerichtet. Als Kennzeichnung | |
dient die Beschilderung „Eingeschränktes Halteverbot“, das kurzes Halten | |
bis zu drei Minuten erlaubt, plus einem Zusatz: „Elternhaltestelle. Mo-Fr | |
7-9 Uhr. Bitte freihalten“. Erzieher Axel Clemens, der das Projekt mit | |
betreut hat, schätzt, dass etwa 90 Eltern jeden Morgen ihre Kinder mit dem | |
Auto bringen – und davon rund 24 die „Haltestellen“ nutzen. | |
Allerdings: An diesem Montagmorgen um halb neun sind die „Haltestellen“ | |
zugeparkt – die Fahrer nicht in Sicht. Lehrerin Saremba sagt: „Die Eltern | |
wollen ohnehin was anderes. Die wollen ihre Kinder nicht in der | |
Baerwaldstraße rauslassen und dann über die Doppelampel auf der | |
Gneisenaustraße schicken. Die wollen vorm Schultor parken.“ | |
Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos) hatte im Januar zeitweilige | |
Straßensperrungen vor Schulen zu Unterrichtsbeginn für diskussionswürdig | |
erklärt. Inzwischen rudert ihr Haus zurück: Man wolle sich doch lieber, wie | |
bisher, auf „bauliche Maßnahmen“ – Zebrastreifen, Mittelinseln – | |
beschränken. Selbiges ist laut Schulleiterin Schirop nun auch an der | |
Werbellinsee-Schule angedacht. Der Spandauer Stadtrat Machulik hält | |
Sperrungen ohnehin für den falschen Weg: „Die Eltern müssen kooperieren | |
wollen.“ | |
15 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
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