# taz.de -- Kolumne: Labsal für die geschundene Radfahrer-Seele | |
> Endlich gibt einer den Autofahrern mal Kontra: Verkehrs-Staatssekretär | |
> Jens-Holger Kirchner. Der Grüne, nominell nur die Nr. 2, ist gerade | |
> präsenter als seine Senatorin. | |
Bild: Für Radfahrer soll künftig nicht nur am Moritzplatz in Kreuzberg mehr R… | |
Da ärgert man sich Jahre, ja, jahrzehntelang über Raser, Falschparker, | |
Tempo-30-Ignorierer. Schreibt einen Brief ans Bezirksamt, auf den ein | |
SPD-Stadtrat sinngemäß und kenntnisfrei antwortet, in der betreffenden | |
Straße werde nicht zu schnell gefahren. Muss all das Hupen, all das | |
höhnische Grinsen von SUV-Fahrern erdulden, die mangels ausreichender | |
Polizeikontrollen alle Vorschriften ignorieren. Frisst alles in sich rein, | |
vergrätzt, verhärmt innerlich – oder droht jedenfalls so zu werden. Und | |
plötzlich ertönt eine Stimme in der Wüste, nein, kündigt da ein | |
Staatssekretär der neuen rot-rot-grünen Regierung an, die Autofahrer | |
müssten sich jetzt mal warm anziehen. „Stellen Sie sich in den Stau“, sagt | |
er ihnen und prägt den noch schöneren Satz: „Wer in Berlin Auto fährt, hat | |
zu viel Zeit.“ | |
Halleluja, die – verkehrspolitische! – Erlösung ist da. Jens Holger | |
Kirchner hat all diese Dinge gesagt, die einen aus der Rad-Tristesse | |
reißen. Der Grüne ist nominell die Nummer zwei in der | |
Senatsverkehrsverwaltung und der Mann, bei dem man sich manchmal fragt, wie | |
noch mal seine Senatorin heißt. Anfang Januar hatte die mal die spannende | |
Idee aufgeworfen, Straßen vor Schulen morgens schlicht eine halbe Stunde zu | |
sperren. Wow, das wäre was. Weil nämlich sonst nix hilft gegen die | |
renitenten und Schülerlotsen ignorierenden Autofahrer, die | |
schiozophrenerweise oft selbst Eltern sind. Doch diese Idee ist jetzt auch | |
schon fünf Wochen her. | |
Die Konstellation ist nicht ganz neu: Als Kirchner noch Baustadtrat in | |
Pankow war, war er gleichfalls bekannter als die nominelle Nummer eins, der | |
Bezirksbürgermeister. Sein jüngster Vorstoß von dieser Woche ist, | |
Hauptstraßen auf eine Spur pro Richtung zu verengen, um daneben mehr Platz | |
für Radler zu schaffen, probeweise auf der Frankfurter Allee. Genau so | |
eigentlich, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht. | |
Aber Papier ist schon viel beschrieben worden, tolle Ideen für Radwege | |
lagen auch unter SPD-Führung in mancher Schublade der Senatsverwaltung für | |
Verkehr. Bloß blieben sie da oft. Allein, dass einer das Aufgeschriebene | |
auch öffentlich ausspricht, ist ein Fortschritt, Labsal für die geschundene | |
Radler-Seele. Wahr machen muss Kirchner es allerdings trotzdem noch. | |
22 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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