# taz.de -- Gefährlicher Weg zur Schule in Berlin: Wo, bitte, ist der Zebrastr… | |
> Am heutigen Montag geht die Schule wieder los und damit auch der Kampf um | |
> sichere Schulwege – und gegen die Helikopter-Eltern. | |
Bild: Karin Hieronimus (links) und Birgit Adolph kämpfen für sichere Schulweg… | |
An einem Nachmittag wenige Tage vor Beginn des neuen Schuljahres steht | |
Karin Hieronimus in der beschaulichen Wilhelm-Wolff-Straße im Pankower | |
Ortsteil Niederschönhausen und stemmt die Arme in die Hüften. „Sie können | |
sich das jetzt vielleicht nur schwer vorstellen – aber ab Montag herrscht | |
hier wieder Wildwest.“ | |
Hieronimus, Mutter eines Drittklässlers, steht vor der Zufahrt zum Schulhof | |
der Grundschule Unter den Buchen. Gemeinsam mit anderen Eltern kämpft sie | |
dafür, dass der Schulweg ihrer Kinder sicherer wird. Denn momentan sähe die | |
Lage hier an jedem Schulmorgen in etwa so aus: wild im Halteverbot parkende | |
und in der Feuerwehrzufahrt rangierende Autos von Eltern, zudem nirgends | |
eine Querungshilfe in Form eines Zebrastreifens oder eines vorgezogenen | |
Gehwegs – und dazwischen die Kinder, die sich irgendwie durchwursteln. | |
„Elterntaxi“ heißt der mütterliche oder väterliche Bringedienst, und an … | |
Pankower Grundschule ist er – wie auch an vielen anderen Schulen – zum | |
echten Sicherheitsproblem geworden. Zuletzt hatte es im Winter 2017 einen | |
öffentlichen Aufschrei gegeben, als die Schöneberger | |
Werbellinsee-Grundschule wegen der katastrophalen Bringe- und | |
Abholsituation ihre SchülerlotsInnen abzog. | |
Dann wurde es wieder still um das Thema. Hieronimus und ihre Mitstreiterin | |
Birgit Adolph wollen das ändern: „Wir brauchen einen Paradigmenwechsel beim | |
Thema Schulwegsicherheit“, sagt Adolph. Die Eltern wollen, dass im neuen | |
Berliner [1][Mobilitätsgesetz] – der Teil für den Fußverkehr wird derzeit | |
verhandelt – das Recht auf einen sicheren Schulweg festgeschrieben wird. | |
„Es kann doch nicht sein, dass wir mühsam jahrelang um jeden Zebrastreifen | |
kämpfen müssen“, sagt Adolph. | |
## Es wäre ein wichtiges Signal | |
Nun sind die im Mobilitätsgesetz vereinbarten Rechte nicht einklagbar – ein | |
Verbandsklagerecht wurde von der rot-rot-grünen Koalition nicht mit | |
eingebaut. Dennoch glaubt Tino Schopf, verkehrspolitischer Sprecher der | |
SPD, dass es ein wichtiges Signal wäre. „Wir würden uns natürlich | |
verpflichten, die Schulwege dann viel mehr aus Sicht der Kinder zu planen.“ | |
Der Abgeordnete für Prenzlauer Berg Ost und Weißensee sitzt im | |
Mobilitätsbeirat, der das Mobilitätsgesetz mit auf den Weg bringt und will | |
sich für das Anliegen der Pankower Elterninitiative einsetzen. | |
Denn die Sicht der Kinder an der Grundschule Unter den Buchen ist vor allem | |
eins: zugeparkt. 48 [2][Elterntaxis] habe man im Winter frühmorgens zur | |
Bringezeit gezählt, sagt Adolph. Die Wilhelm-Wolff-Straße ist eine | |
Nebenstraße, der Gehweg relativ schmal. „Wenn innerhalb von 20 Minuten hier | |
460 SchülerInnen ankommen und dann noch die Elternautos dazwischen | |
rangieren, herrscht schnell Chaos“, sagt die Mutter. | |
Bereits 2017 gab es im Bezirksparlament auf Initiative der Eltern einen | |
Grünen-Antrag, der eine Gehwegvorstreckung vor der Schule forderte. Denn | |
auch die eigentlich vorgesehene Querungsstelle an der nahen Kreuzung mit | |
der Friedrich-Engels-Straße sei gefährlich: die Straßenbahn in der Mitte, | |
sichtbehindernde Büsche und Bäume – und auch hier Elterntaxis, die 100 | |
Meter weiter vor der Schule keinen Platz mehr finden. Der Bezirk lehnte den | |
Antrag jedoch ab. Die Begründung: Eine Querungshilfe löse nicht das Problem | |
der Elterntaxis. | |
Nun könnte man allerdings auch annehmen: Weniger Eltern werden das | |
Bedürfnis haben, ihre Kinder vors Schultor zu kutschieren, wenn es erst | |
eine vernünftige Querungsmöglichkeit gibt. Der zuständige Stadtrat Vollrad | |
Kuhn (Grüne), der auch die AG Schulwegsicherheit im Bezirk leitet, | |
bezweifelt das. Er glaubt, man erreiche die Eltern vor allem mit | |
Aufklärungsarbeit. | |
Tatsächlich übernehmen das Hieronimus und Adolph bereits seit einiger Zeit | |
selbst, stehen mit einem Infostand auf dem Schulfest oder tingeln an den | |
Elternabenden durch die Klassenzimmer. Immerhin, sagt Hieronimus, zählten | |
sie an einem Morgen vor den Ferien nur noch rund 16 Elterntaxis. „Aber | |
jetzt ist Sommer. Im Winter, wenn es morgens auch noch dunkel ist, werden | |
es wieder mehr sein.“ | |
Die Polizei sei zwar immer mal wieder mit Kontrollen vor Ort. Gerade in den | |
kommenden Wochen zu Schulbeginn werde man wieder verstärkt die | |
Parksituation auch an der Grundschule unter den Buchen kontrollieren, sagt | |
ein Sprecher. Doch die punktuellen Maßnahmen bringen auf Dauer nicht viel, | |
sagen die Eltern. Für SchülerlotsInnen schätzt die Polizei die Situation an | |
der Schule übrigens als zu gefährlich ein. | |
Die Eltern konzentrieren sich nun auf die Kreuzung Friedrich-Engels-Straße. | |
Sie wollen sich in den ersten Schulwochen mit einem Ideenkonzept an die | |
Senatsverwaltung für Verkehr wenden, die für die Hauptstraßen zuständig | |
ist. Sie fordern einen [3][Zebrastreifen], sagen Hieronimus und Adolph, | |
vielleicht auch eine Bedarfsampel für die Straßenbahn. Stadtrat Kuhn findet | |
das Engagement der Eltern „ehrenwert“, sagt aber auch: „Man muss gucken, | |
was überhaupt machbar ist.“ | |
Gucken, was machbar ist: Den Job erledigen an der Grundschule Unter den | |
Buchen gerade die Eltern. Auch deshalb hofft Adolph auf das | |
Mobilitätsgesetz: Eigentlich, sagt sie, „müssen sichere Schulwege doch | |
Aufgabe des Staates sein“. | |
20 Aug 2018 | |
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## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
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