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# taz.de -- 70 Jahre Luftbrücke: Der Horizont weitet sich
> Mythos Tempelhof: Wie erinnert man 70 Jahre nach der Berlin-Blockade an
> die Luftbrücke? Das ist Thema einer Tagung im AlliiertenMuseum.
Bild: Kinder sitzen 1948 auf dem Zaun des Flughafens Tempelhof, während ein Ro…
Für Cineasten ist die Szene legendär: Ein Flughafen, es ist Nacht, auf dem
Rollfeld verabschiedet sich eine Frau von einem Mann. Humphrey Bogart und
Ingrid Bergman sind mit dieser Szene unsterblich geworden, der Film
„Casablanca“ (1942) ist weltberühmt.
Gut 50 Jahre nach dem Filmklassiker spielen Isabella Rossellini (die
Tochter der Bergman) und Anthony Hopkins eine gleiche Szene. Wieder dröhnen
Propeller, wieder geht es um Liebe und Abschied. Diesmal ist der Flughafen
Tempelhof der Ort der Handlung. „The Innocent“ (1993) ist ein Melodram im
Nachkriegs-Berlin und – wie seit „The Big Lift“ (1949) – ein Streifen a…
einer ganzen Reihe von Filmen, in welcher die historische Rolle von
Tempelhof und die Zeit der „Luftbrücke“ (1948/49) als Mythos überhöht wi…
Der Flughafen Tempelhof als Filmmotiv bildet den Auftakt in der langen
Themenliste der internationalen Tagung „Die Berliner Luftbrücke. Ein
Erinnerungsort des Kalten Krieges?“ vom 12. bis 14. März im
AlliiertenMuseum Berlin. Das Fragezeichen am Ende des Titels steht dort
nicht ohne Grund: Gehörte bis 1989 die Luftbrücke klar zu den
Pathos-Formeln westlicher Identitätsstiftung, wie die Kuratoren aus Berlin
und Metz meinen, so scheint es knapp 70 Jahre nach der Berlin-Blockade und
fast 30 Jahre nach dem Mauerfall notwendig, den Stellenwert der Erinnerung
an jene Zeit zu hinterfragen und die Rezeption durch zusätzliche Aspekte
neu zu bewerten.
Ohne die Hommage an den Westberliner Airport und seine historische
Dimension als „Tor zur freien Welt“ kommt freilich keine Tagung zur
Luftbrücke aus. Auch diese nicht. „Bis heute gehört die Luftbrücke zu den
faszinierendsten Episoden der Nachkriegsgeschichte. Die Versorgung
Westberlins aus der Luft war eine logistische Meisterleistung ohne Vorbild.
Der Rosinenbomber wurde zum Symbol“, wie Bernd von Kostka, Leiter des
AlliiertenMuseums, anführt.
Was stimmt. Nachdem die Sowjets als Reaktion auf die westdeutsche
Währungsreform im Juni 1948 alle Zufahrtswege nach Westberlin blockiert
hatten, war die Stadt nur aus der Luft zu versorgen. Bis September 1949
flogen Amerikaner und Briten in 277.560 Flügen rund 2,1 Millionen Tonnen
Fracht in die Frontstadt. Die Rettung Berlins aus der Luft gebar die
legendären „Candy-Bomber-Piloten“ wie Gail Halvorsen sowie die Geschichten
vom Durchhaltewillen der Bevölkerung gegen den Kommunismus.
## Mehrschichtiger Luftbrückenkomplex
Während das Thema Luftbrücke gut in der – besonders Westberliner –
Erinnerungskultur verortet ist, es Gedenktage, Denkmäler und museale
Institutionen gibt, existieren dennoch inhaltliche „Lücken“, die oft
ideologischen Prämissen geschuldet sind, wie der Historiker in der
Mauergedenkstätte Gerhard Sälter findet. So sei etwa die Geschichte der
sowjetischen Blockade und die Rolle der entstehenden Westberliner
Verwaltung noch nicht gut aufgearbeitet worden. Ebenso müsse der Beginn des
Ostberliner Grenzregimes, das seinen Anfang in der Blockade nahm, noch
beleuchtet werden.
Der Luftbrückenkomplex ist also „mehrschichtiger“. Einen weiteren Bogen
spannen will darum die Tagung in Richtung USA, Frankreich und Polen, um die
dortige Presse unter die Lupe zu nehmen. Schließlich sollen die Konferenz
zwei Themenbereiche abrunden: Gatow als zweiter wichtiger
Luftbrückenstandort und der Flughafen Tempelhof als Wiege
deutsch-amerikanischer Nachrichtendienste.
Bis dato sei im Gedächtnis der Berliner hauptsächlich der Flughafen in
Tempelhof als Luftbrücken-Erinnerungsort präsent, sagt Doris Müller-Toovey,
wissenschaftliche Leiterin des Militärhistorischen Museums Flugplatz
Berlin-Gatow. Dies gelte nur „in einem sehr eingeschränkten Maße für den
Flugplatz Berlin-Gatow, trotz seiner wichtigen Rolle für den ‚Air Lift‘.
Hier war bis 1994 die Royal Air Force (RAF) stationiert.“ Kaum bekannt
sei, dass zur Zeit der Berliner Luftbrücke ein gutes Drittel der gesamten
Fracht über Gatow eingeflogen wurden. Das Ausfliegen von Zivilisten,
darunter viele Kinder, aber auch Kranke, geschah größtenteils durch die RAF
über Gatow.
Und spannend wie ein Thriller dürfte der Beitrag des Historikers Bodo
Hechelhammer werden: Die Luftbrücke könne man nicht nur als Beginn der
„deutsch-amerikanischen Freundschaft“ bezeichnen, ist sich der BND-Forscher
sicher. „Sie gilt historisch als erste gelungene Bewährungsprobe des neu
geschaffenen westdeutschen Auslandsgeheimdienstes für die USA nach
Kriegsende.“ Während der Blockade übernahm die „Organisation Gehlen“ ei…
„wichtige nachrichtendienstliche Aufgabe für die USA: die Funkaufklärung
der sowjetischen Luftwaffe“ – womit wir wieder bei den anfänglichen
Filmmotiven wären.
11 Mar 2017
## AUTOREN
Rolf Lautenschläger
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