# taz.de -- Berlin-Blockade vor 70 Jahren: Als die Bomber Rosinen brachten | |
> Am 12. Mai vor 70 Jahren endete die Berliner Blockade. Auf dem | |
> Tempelhofer Feld wird das am Sonntag mit dem „Fest der Luftbrücke“ | |
> gefeiert. | |
Bild: Für den Notfall steht in Tempelhof schon mal der Rosinenbomber bereit | |
Eine „sinnlich-emotionale“ Zeitreise versprechen die Veranstaltenden diesen | |
Sonntag beim „Fest der Luftbrücke“ am ehemaligen Tempelhofer Flughafen. | |
„Das Fest bietet Gelegenheit zum fröhlichen Feiern und zum Informieren über | |
die vielen spannenden Einzelheiten des Geschehens vor 70 Jahren“, kündigte | |
der Regierende Bürgermeister Michael Müller an. | |
50.000 Besucher*innen erwartet Berlin zur Feier des 12. Mai, an dem Stalin | |
vor 70 Jahren die Lieferblockade der Berliner Westsektoren aufgehoben | |
hatte. Dabei gehe es laut Jutta Heim-Wenzler, Geschäftsführerin der | |
Tempelhof Projekt GmbH, auch darum, an die „Menschlichkeit und Solidarität“ | |
zu erinnern, die aus der vom amerikanischen, britischen und französischen | |
Militär organisierten Versorgungsaktion erwachsen sei. | |
Das Geschehen um die Luftbrücke beginnt im Juni 1948. Die Einführung der | |
D-Mark in den von Frankreich, Großbritannien und den USA verwalteten | |
Sektoren der Stadt hat zur Folge, dass sowjetische Truppen die bereits | |
beschränkten Lieferwege nach Westberlin abriegeln. „Wer die Währung hat, | |
hat die Macht“, so die Losung des westorientierten Bürgermeisters Ernst | |
Reuter im „Währungskampf“ um Berlin, der die fortschreitende Teilung | |
Deutschlands in zwei Staaten auch mit unterschiedlichen Währungen markiert. | |
Der Kalte Krieg droht heiß zu werden und die Versorgung der Bevölkerung mit | |
Lebensmitteln und Heizstoff – kurz nach dem Krieg ohnehin karg – wird | |
zusätzlich schwierig. Die Westberliner*innen pflügen den Tiergarten um, | |
bauen Kartoffeln an und gehen in Brandenburg hamstern, was wiederum durch | |
die westliche Gegenblockade erschwert wird. Im Protest gegen die Blockade | |
nutzt aber kaum jemand der über zwei Millionen Menschen in den Westsektoren | |
das propagandistisch erhöhte Versorgungsangebot im Osten der Stadt, | |
berichtet Gerhard Keiderling in seinem Buch „Rosinenbomber über Berlin“. | |
## 278.000 Flüge | |
Über den vertraglich abgesicherten Luftweg sichern die Vereinigten Staaten | |
zunächst die Versorgung ihrer Sektortruppen. Schließlich bringen | |
Militärflugzeuge aber auch für die Bevölkerung Brennstoff, Mehl, Kartoffel- | |
und Milchpulver nach Westberlin. Zwischen dem 26. Juni 1948 und dem 6. | |
Oktober 1949 – also fünf Monate über die sowjetische Liefersperre hinaus – | |
bringen 278.000 westalliierte Flüge mehr als 2,3 Millionen Tonnen Fracht | |
nach Tempelhof, Gatow und zum eigens in 90 Tagen aus dem Boden gestampften | |
Flughafen Tegel. Die Piloten werden zu Helden der Freiheit Westberlins. | |
Auch für die Schokolade, die sie den Berliner Trümmerkindern bringen, | |
werden die Flieger der „Rosinenbomber“ verehrt. | |
Als die Blockade nach diplomatischen Verhandlungen am 12. Mai endet, | |
erklärt Bürgermeister Ernst Reuter sofort, dass es für die über 70 bei | |
Abstürzen umgekommenen Luftbrückensoldaten eine bleibende Erinnerung in der | |
Stadt geben soll: „Das Denkmal, das wir ihnen errichten wollen, wird | |
bescheiden sein, aber es wird ein Denkmal des Friedens und nicht eine | |
Verherrlichung kriegerischer Leistungen sein.“ | |
Im Hintergrund von Reuters Denkmalrede steht die Einweihung des | |
sowjetischen Ehrenmahls im Treptower Park, vier Tage vor Beendigung der | |
Blockade, am 8. Mai 1949. Die gigantische Anlage, für deren Bau in der | |
zerstörten Stadt eigentlich weder Material noch Arbeitskraft vorhanden | |
sind, soll unvergesslich machen, dass die sowjetische Armee Berlin von den | |
Nazis befreit hat. | |
Ein muskulöser sowjetischer Held überragt das Mahnmahl, das zerbrochene | |
Hakenkreuz zu seinen Füßen, das aus Trümmern gerettete Kind auf dem Arm. | |
## Kein Muskelprotz | |
Im Westen – so berichtet Axel Drieschner in seiner „Chronik eines | |
Wettbewerbs“ – gewinnt die Skulptur eines abgestürzten Piloten den | |
künstlerischen Wettbewerb für das Luftbrückendenkmal. Als Gegenstück zum | |
sowjetischen Muskelprotz ist sie aber unannehmbar. Bescheiden soll das | |
Denkmal angesichts des allgemeinen Mangels sein, aber nicht demütigend. | |
Am neuen „Platz der Luftbrücke“ in Tempelhof stellt man schließlich einen | |
schlichten, nach Westen weisenden Betonbogen auf, den die Berliner*innen | |
bald „Hungerkralle“ taufen. | |
Wer am Sonntag jenseits von Denkmälern, Militärmusik und Oldtimerromantik | |
am Flughafen Tempelhof dem Ende der Berliner Blockade „sinnlich-emotional“ | |
gedenken will, sei auf die Gemüsebeete am ruhigeren Ostrand des ehemaligen | |
Flugfeldes verwiesen. Erinnern sie doch – wenn auch von ihren hippen | |
Gärtner*innen unbeabsichtigt – an das frühe Urban Gardening der | |
Berliner*innen in der hungrigen Nachkriegszeit. | |
11 May 2019 | |
## AUTOREN | |
Stefan Hunglinger | |
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