# taz.de -- Dokudrama zum Boston-Attentat: Die Bilder rücken näher | |
> Schlichte Wucht: Peter Bergs Spielfilm „Boston“ beschäftigt sich mit dem | |
> Anschlag auf den Boston Marathon – und ist verblüffend spannend. | |
Bild: Spielt in „Patriot's Day“ einen Bostoner Polizeibeamten: Mark Wahlberg | |
Patriot’s Day, Tag der Patrioten. Ein Feiertag, wie er in Deutschland wohl | |
undenkbar wäre, in Amerika aber selbstverständlich ist. Besonders im | |
nordöstlichen Bundesstaat Massachusetts wird an diesem Tag einiger | |
Schlachten gedacht, die 1775 in der Nähe von Boston stattfanden und | |
Stationen auf dem Weg zur Unabhängigkeitserklärung markieren. Im | |
Selbstverständnis der Bostoner ist niemand sonst in Amerika so patriotisch | |
wie sie, ihre Opferbereitschaft, ihr Mut und Heldentum einzigartig. | |
Im zeitgenössischen amerikanischen Kino verkörpert kein Schauspieler diese | |
Werte so sehr wie Mark Wahlberg. Er hat eine Karriere daraus gemacht, | |
ungebrochene, aber doch bodenständige amerikanische Helden zu spielen. | |
Insofern ist er nicht nur die ideale, sondern die fast einzig mögliche | |
Besetzung der Heldenfigur in Peter Bergs „Boston“, ein Dokudrama, das auf | |
stringente, aber enorm packende Weise den [1][Anschlag auf den Boston | |
Marathon] nachzeichnet, der im April 2013 Amerika erschütterte. | |
Zwei Bomben zündeten [2][die Attentäter] in der Nähe der Ziellinie des | |
Marathon, töteten drei Menschen, verwundeten und verstümmelten Zahllose und | |
lösten eine massive Polizeiermittlung aus, die den Gouverneur von | |
Massachusetts sogar dazu veranlasste, den Ausnahmezustand auszurufen. | |
Penibel zeichnet Berg – der sich als Regisseur von Real-Life- Dramen wie | |
„Operation: Kingdom“ oder „Deepwater Horizon“ einen Namen gemacht hat �… | |
Momente vor und nach dem Attentat nach, führt anfangs scheinbar willkürlich | |
zahlreiche Figuren ein, die früher oder später den Weg der von Wahlberg | |
verkörperten Hauptfigur Tommy Saunders kreuzen werden. | |
## Vorbilder der Filmfiguren | |
Dieser Saunders ist ein einfacher Polizist, der FBI-Agenten und | |
Regierungsbeamte skeptisch betrachtet und vor allem seinem Instinkt | |
vertraut. Doch wie Berg immer wieder betont: Erst die Zusammenarbeit aller | |
Behörden brachte den Fahndungserfolg, der schließlich zum Tod eines und der | |
Verhaftung des anderen Attentäters führte. | |
Das Verblüffende an „Boston“ ist nun, welche Spannung und Dynamik Berg aus | |
diesem eigentlich ganz einfachen, formalistischen Dokudrama holt. Dass er | |
dabei gerade zum Ende, wenn die realen Vorbilder der Filmfiguren auftreten | |
und auf allzu rührselige Weise den Heroismus der Rettungskräfte beschwören, | |
in allzu schlichte Muster abdriftet, kann man verzeihen. Solch extremen | |
Patriotismus vermisst man im deutschen Kino zwar nicht, vieles andere, das | |
„Boston“ auszeichnet, jedoch unbedingt. | |
Der Zufall wollte es, dass die Pressevorführung von Boston am 20. Dezember | |
stattfand, wenige Stunden nach dem Attentat auf den Berliner | |
Breitscheidplatz. Unweigerlich überlagerten sich dadurch die Filmbilder und | |
die zuvor im Fernsehen und Internet gesehenen Aufnahmen von | |
Rettungskräften, herumstehenden Helfern und Polizisten. | |
Keine vier Jahre liegt der Anschlag von Boston zurück, da ist er schon | |
Grundlage für einen Film. Viel zu früh, meinen selbst in Amerika manche | |
Stimmen, aber warum nicht? Die Beschäftigung mit zeitgenössischen | |
Ereignissen ist eine der vielen Möglichkeiten des Kinos, eine jedoch, die | |
man in Deutschland fast vergeblich sucht. Wann hat es im deutschen Kino | |
zuletzt einen Film gegeben, in dem der Kanzler – oder die Kanzlerin – als | |
reale oder fiktive Gestalt auftaucht, wann einen Film über Bankenkrise, | |
Machtmissbrauch oder gar die Flüchtlingskrise? Warum überlässt der deutsche | |
Filme brennende zeitgenössische Themen dem Fernsehen, statt selber | |
Politdramen zu drehen, die es wagen, den Finger in Wunden zu legen? | |
Ob in vier, fünf Jahren ein Film namens „Breitscheidplatz“ in die deutschen | |
Kinos kommt, darf man bezweifeln. Hält man sich die filmische Wucht eines | |
„Boston“ vor Augen, würde man sich den deutschen Regisseur oder die | |
Regisseurin wünschen, die ein solches Unterfangen wagt. | |
23 Feb 2017 | |
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## AUTOREN | |
Michael Meyns | |
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