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# taz.de -- Film über Psychologie von Beziehungen: So nah und doch so fern
> Ein Seelenleben, das Schaden genommen hat: In „Ana, mon amour“ erkundet
> Regisseur Călin Peter Netzer die Psyche zweier Liebender.
Bild: Was geht in ihren Köpfen vor?
Es gibt in „Ana, mon amour“ von Călin Peter Netzer ein süßes Lied der Ba…
Future Islands, das gewissermaßen den Kern dieses Films ausmacht. Sein Name
lautet „Like the Moon“, und dies sind ein paar Zeilen: „And she looks like
the moon / So close and yet, so far / She says everything / She knows me
too well“. Es ist, als würde Toma (Mircea Postelnicu) singen, und zwar über
Ana (Diana Cavallioti), die er liebt und die er doch nicht verstehen kann.
Mehrmals ist „Like the Moon“ in „Ana, mon amour“ zu hören, obwohl es s…
immer um dieselbe Einstellung handelt, in der es aus dem Radio kommt. Das
liegt daran, dass Netzer zwar über einen langen Zeitraum hinweg erzählt
(etwa zehn Jahre), dabei aber nicht chronologisch vorgeht. So springt man
mehrmals in die gleiche Zeitperiode, die allerdings immer anders wirkt,
nachdem bereits in der Zukunft unterwegs war.
„Ana, mon amour“ verarbeitet die Geschichte eines Paars, das sich in einem
Literaturstudiengang an einer rumänischen Universität kennengelernt,
Schweres miteinander durchgestanden und ein Kind bekommen hat. Ein Paar,
das am Ende vielleicht dennoch scheitert, obwohl es wie irre geschuftet
hat. Toma bei einer Psychoanalyse etwa (einmal sieht man seinen
schweißnassen Rücken nach der Sitzung); Ana beim Fertigwerden mit ihren
Panikanfällen, von welchen Toma sie wiederum zu befreien versucht. Bald
bekommt man ein Gespür für die Stellen, an denen es in der späteren
Beziehung knacken könnte, wird sozusagen selbst Fallanalytiker im
Kinosessel.
Călin Peter Netzers neuer Film nach „Poziția Copilului“, der in Deutschla…
unter dem Titel „Mutter & Sohn“ 2013 in die Kinos kam und für den der
Regisseur im selben Jahr den Goldenen Bären erhielt, ist wieder eine
Abhandlung über Abhängigkeiten und (un)versuchte Emanzipationsprozesse.
Betraf es in „Poziția Copilului“ eben Mutter und Sohn, die in einer engen
bis übergriffigen Beziehung zueinander standen (unvergessen die Szene, in
welcher Luminiţa Gheorghiu den Rücken von Bogdan Dumitrache zu massieren
begann und sich daraufhin eine inzestuöse, grenzüberschreitende Stimmung
einstellte), sind es jetzt Toma und Ana.
## Schwache, gewalttätige Väter
Wieder widmet sich Netzer dem Porträt eines modernen Rumäniens, obschon es
anders akzentuiert ist als noch in „Poziția Copilului“, der auch Korruption
thematisierte und der um eine Gegenüberstellung zwischen Oberschicht und
weniger Privilegierten bemüht war. „Ana, mon amour“ nun ist die Erkundung
von Seelenleben, die Schaden genommen haben, und vielleicht ist es sogar so
etwas wie eine kollektive rumänische Seele, nach der Netzer in seinen
Filmen sucht.
Bei ihm verschwinden Väter oder verhalten sich seltsam (Ana), seine
Männerfiguren schlagen auch mal die Frauen, wobei die dennoch in einer
überlegenen Position zu sein scheinen; hier verbrüdert sich Tomas Mutter
mit ihrem Sohn, steckt ihm Geld zu, damit er eine Analyse machen kann.
Ohnehin verbringt man im Film viel Zeit bei Ärzten, bei solchen, die Pillen
verschreiben oder einem bloß zuhören, bei Frauenärzten, die wiederum
Therapeuten empfehlen, und andere, die Priester empfehlen.
Denn auch die Kirche spielt eine wesentliche Rolle, und wenn die einen zur
Beichte auffordern und die anderen nach Träumen horchen, dann ergeben sich
interessante Gemeinsamkeiten. „Ana, mon amour“ ist ein Kino, das nach der
Psyche fragt, das eine lange Zeitspanne untersucht, um bestimmte Prozesse
und Verstrickungen aufzuzeigen. Călin Peter Netzer bohrt und beobachtet.
Die Gesichter, die er zeigt, sind manchmal von Tränen aufgequollen und
müde.
18 Feb 2017
## AUTOREN
Carolin Weidner
## TAGS
Psychologie
Beziehung
Rumänien
Schwerpunkt Berlinale
Spielfilm
Kino
Martin Heidegger
Film
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