# taz.de -- Bürokratie und Flüchtlinge: Amt verursacht Wohnungsnot | |
> Flüchtlinge, die eine Wohnung finden, müssen zu lange auf die Überweisung | |
> von Miete und Kaution warten, kritisiert der Flüchtlingsrat. Viele | |
> Vermieter sprängen deshalb ab. | |
Bild: Das neue Amt ändert, beschleunigt Prozesse aber nicht unbedingt. | |
Noch immer leben in Berlin über 33.000 Geflüchtete in Heimen. Das dürfte | |
sich auch so schnell nicht ändern: Selbst wer eine eigene Wohnung finde, | |
könne diese oft nicht beziehen, weil das zuständige Landesamt für | |
Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) zu lange für die Bearbeitung von | |
Wohnungsangeboten brauche, klagt der Berliner Flüchtlingsrat. | |
Für Geflüchtete ist es schwer, überhaupt an Wohnungen zu kommen. Nicht | |
jeder Vermieter schließt gerne Mietverträge mit ihnen ab – vor allem, wenn | |
das Asylverfahren noch nicht beendet und ihre Aufenthaltsdauer damit unklar | |
ist. Umso ärgerlicher, wenn der rechtsgültige Abschluss eines Mietvertrags | |
an der Bearbeitungsdauer der zuständigen Behörde scheitert, weil selbst die | |
freundlichsten Eigentümer irgendwann die Geduld verlieren. | |
Sieben Wochen dauere es derzeit, bis das LAF nach Erhalt eines | |
Wohnungsangebots die erste Miete sowie Kautionen an Eigentümer überweise, | |
berichtet der Flüchtlingsrat – eine Frist, die viele Vermieter nicht | |
abwarten wollen oder können. | |
Dabei hatte das Amt erst zu Jahresbeginn die Aufgaben zwischen Behörde und | |
der zwischengeschalteten Beratungsstelle des EJF (Evangelisches Jugend- und | |
Fürsorgewerk) neu verteilt und mehr Aufgaben wieder selbst übernommen. Die | |
Abläufe verbessert habe das jedoch nicht, kritisiert der Flüchtlingsrat: | |
Geflüchtete hätten stattdessen nun mehr Termine an verschiedenen | |
Anlaufstellen. | |
Früher sammelte das EJF alle nötigen Unterlagen für den Abschluss eines | |
Mietvertrags mit den potenziellen MieterInnen und leitete sie an das LAF | |
weiter. Dort wurde dann später nur der so genannte „Leistungstermin“ zur | |
Regelung der Finanzierung fällig. | |
Seit der Neuordnung müssen Geflüchtete nun selbst alle Unterlagen beim LAF | |
einreichen – und dafür oft ganztägige Wartezeiten einkalkulieren. Dann wird | |
eine mietrechtliche Pflichtberatung beim EJF fällig, die beim LAF | |
nachgewiesen werden muss. Danach folgt der Leistungstermin beim LAF – laut | |
Flüchtlingsrat wieder ohne individuelle Terminvergabe, sondern mit langen | |
Wartezeiten. Sollte der potenzielle Mieter beim ersten Termin nicht alle | |
Unterlagen parat haben, kann er diese nicht einfach per Post oder Mail | |
nachreichen, sondern muss erneut persönlich beim Amt vorsprechen. | |
Laut der Pressestelle des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten könne | |
zwar eine Mietübernahmezusicherung bereits bei der ersten Vorsprache des | |
Geflüchteten ausgestellt werden, sollten alle nötigen Papiere vorhanden | |
sein. Viele Vermieter wollten aber den nötigen „Vertrauensvorschuss“ nicht | |
leisten und wochenlang auf Mieteingänge warten, so der Flüchtlingsrat. | |
Um das im Koalitionsvertrag verankerte Ziel, Geflüchteten den Bezug | |
normaler Mietwohnungen zu ermöglichen, umzusetzen, müsse das LAF dringend | |
mit mehr Personal ausgestattet werden, fordert der Rat deshalb. Es entstehe | |
sonst der Eindruck, „dass Teile der Verwaltung ein Interesse daran haben, | |
Flüchtlingen den Zugang zu Mietwohnungen zu verwehren und sie statt dessen | |
dauerhaft in Sammellager einzuweisen“, heißt es in der Presserklärung vom | |
Freitag. | |
## Eingefahrene Abläufe | |
Canan Bayram, flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im | |
Abgeordnetenhaus, vermutet, dass selbst langjährig erfahrene | |
Verwaltungsleiterinnen wie die neue LAF-Chefin Claudia Langeheine „bei der | |
Veränderung eingefahrener Abläufe manchmal an ihre Grenzen stoßen“. | |
17 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Alke Wierth | |
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