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# taz.de -- Virtual-Reality-TV: Komplett neue Art der Fiktion
> Bisher bedient Virtual Reality vor allem die Bereiche Porno, Sport und
> Naturdokus. Eine erzählerische Anwendung erfordert komplett neue Formate.
Bild: Die Wirkung aufs Gehirn, das VR-Reize als real erfasst, ist noch nicht ge…
Vielleicht war für manch einen Weihnachten doch nicht so kuschelig. Oder
vielleicht lagen diesmal besonders viele neue Virtual-Reality(VR)-Brillen
unterm Baum: Die großen Pornoportale jedenfalls [1][vermelden unisono einen
extremen Anstieg] der Nutzung von VR-Inhalten auf ihren Seiten über die
Festtage.
Das Webangebot „VRPorn“ zum Beispiel [2][berichtet von einem Zuwachs von
300 Prozent]. Aber nicht nur hier, sondern vor allem bei den klassischen
Fernsehanbietern und Medienkonzernen weltweit laufen die Vorbereitungen, um
bei dieser neuen Art der Mediennutzung direkt vorne mit dabei zu sein.
RTL etwa möchte sein Publikum aktuell im Rahmen eines Games mit der
Technologie in den Dschungel beamen. Dafür haben die Kölner eine App
entwickelt, die die Zuschauer auf ihr Smartphone laden können. Jeder
Smartphone-Nutzer kann mithilfe von VR-Brille oder eines „Cardboard“
(Sehvorrichtung, in die das Handy eingefügt wird) in den virtuellen
Dschungel eintauchen.
Der Geschäftsführer von ZDF Enterprises, Alexander Coridaß, ist ebenfalls
begeistert von den Möglichkeiten: „360-Grad-Inhalte sind eine eigene
Mediengattung und haben eine übergreifende Funktion, angefangen im Bereich
Wissenschaft über Tourismus oder Gaming bis hin zur Erweiterung
herkömmlicher audiovisueller Inhalte.“
Mittlerweile haben die Mainzer einige Zusatzangebote aufgesetzt, etwa für
einige Terra-X-Formate. Damit erhält das Publikum beispielsweise die
Möglichkeit, im alten Rom herumzuspazieren. „Die Grenzen verschwimmen, der
Nutzer wird zum Akteur“, stellt der ZDF-Manager fest.
## Historische Orte zum Leben erwecken
Zurzeit werden beim öffentlich-rechtlichen Sender Räume mit Lasertechnik
vermessen. Aus diesem Material wird anschließend ein Foto zusammengesetzt.
Das ist die Grundlage für fotorealistische virtuelle Umgebungen, in denen
sich der Nutzer mit einer VR-Brille frei bewegen kann. Historische Orte
können so zum Leben erweckt werden.
Spannend ist VR vor allem für den Sportbereich. „Wir können über 100.000
Downloads unserer Sky-VR-App verzeichnen“, freut sich der Kreativdirektor
der SKY VR Studios Richard Nockles. Die App gibt es erst seit letztem
Oktober.
„Es ist unglaublich, welche Momente mit VR hautnah eingefangen werden
können“, sagt Nockles, „unsere Nutzer waren praktisch nur zwei Meter
entfernt, als der Boxer Anthony Josua seinen Schlag landete, der ihn zum
Weltmeister machte.“
Eine Test-Live-Übertragung des DFB-Pokals 2016 gönnte der englische
Medienkonzern Sky seinen Nutzern in Deutschland. Mit drei Kameras versetzte
der Sender die Fußballfans mitten ins Geschehen. Per Kopfbewegung
wechselten die Zuschauer zwischen den einzelnen Perspektiven am Tor oder im
Publikum und riefen zusätzlich Team-Informationen und Statistiken ab.
## Wirkung auf das Gehirn noch nicht erforscht
Was über das bloße Berichten hinaus gehende Erzählformen angeht, beginnt
die Medienbranche aber praktisch bei null. „Man muss diese neuen
Möglichkeiten verstehen, ein entsprechendes Konzept erarbeiten, um dann
etwas zu entwickeln, was zuvor noch nie existierte“, sagt Marc Dorcel,
quasi die französische Version von Beate Uhse.
Er startete vor einem Jahr ein VR-Angebot und verfügt inzwischen über
20.000 zahlende Kunden. 135.000 Euro investierte er für eine 30-minütige
Erotikproduktion, die acht Kameras benötigte. Das sei drei bis fünfmal so
teuer wie eine herkömmliche Produktion.
Auch die Wirkung auf das Gehirn, das die virtuelle Umgebung als real
erfasst, ist noch nicht erforscht. Verwirrung kommt zum Beispiel auf, wenn
die virtuelle Bilderwelt nicht mit dem aktuellen Standort des Körpers
übereinstimmt. Beispielsweise wenn der Körper sich nach rechts bewegt, dem
Gehirn aber in der künstlichen Bilderwelt suggeriert wird, er bewege sich
nach links: Manchen Nutzern wird da übel.
## „Pornografie allein schafft das nicht“
Der weitverbreiteten Annahme, Erotikinhalte seien Treiber technischer
Innnovationen, widerspricht Dorcel übrigens: „Unsere Branche ist zwar schon
so etwas wie ein technologischer Leader. Aber um einen funktionierenden
Markt aufzubauen, müssen zunächst die großen Produzenten genügend
attraktive Inhalte liefern. Pornografie allein schafft das nicht.“
Sender und Medienkonzerne experimentieren jetzt intensiv, wie Formate, die
eine Handlung wiedergeben, aussehen könnten. Es wäre etwas ganz anderes als
„fernsehen“ im herkömmlichen Sinne: Es würde eine komplett neue Art von
Fiktion erfordern, die den Betrachter zum Teil der Geschichte macht.
15 Jan 2017
## LINKS
[1] https://vrodo.de/virtual-reality-ueber-die-feiertage-stieg-das-interesse-an…
[2] http://vrscout.com/news/new-data-shows-post-christmas-vr-porn-boom/
## AUTOREN
Wilfried Urbe
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