# taz.de -- Kolumne Nach Geburt: Süchtig nach Gebrauchtwerden | |
> Müttern wird oft unterstellt, sie könnten nicht loslassen. Sie wollten | |
> lieber allein die Kinder hüten. Aber warum können die Männer das so | |
> einfach? | |
Bild: Der komplette Rollentausch funktioniert nicht immer reibungslos | |
Mutter sein wird oft als Job bezeichnet. Und für fast alle Frauen ist es | |
der erste Job, in dem sie positive Diskriminierung erfahren. Sie haben | |
körperliche Vorteile gegenüber Vätern (Brüste zum Beispiel), strahlen mehr | |
natürliche Autorität aus (der Kinderarzt/die Erzieherin/die Verkäuferin | |
wendet sich eher der Mutter zu) und sie nehmen diese Rolle meist mit | |
erstaunlichem Selbstverständnis an. | |
Viel ungewohnte Bestätigung für die Mutter: Alle halten sie für die beste | |
Person für diesen Job, dazu wird sie auch noch bedingungslos geliebt und | |
gebraucht. Dieses erhebende Gefühl kann süchtig machen – und zu dem führen, | |
was manche maternal gatekeeping nennen: Wenn die Mutter keinen so richtig | |
ranlässt, weil sie glaubt, alles besser zu können. | |
Ich bin inzwischen recht gut darin, loszulassen, und es gibt nichts in der | |
Kinderbetreuung, das ich meinem Freund nicht zutraue. Wir haben ja vor ein | |
paar Wochen die Rollen getauscht, ich arbeite Vollzeit, er kümmert sich um | |
Kinder und Küche. Das klappt ganz wunderbar und doch ertappe ich mich immer | |
wieder dabei, dass ich ein bisschen eifersüchtig bin. Denn so ganz | |
getauscht haben wir die Rollen doch nicht. | |
Als er gearbeitet hat, habe ich ihn morgens immer so lang wie möglich | |
schlafen lassen, danach durfte er duschen (allein! Andere Mütter verstehen, | |
was das für ein Luxus ist). Er bekam dann Tochter eins satt und angezogen | |
überreicht, um sie in die Kita zu bringen. Nach Hause kam er zur | |
Abendbrotzeit und setzte sich zu uns an den gedeckten Tisch. | |
## Zeit für mich? | |
Jetzt könnte ich das Modell umgekehrt genauso leben. Mein Freund wäre der | |
Erste, der mich darin unterstützt. Aber ich schaffe es nicht. Sobald es | |
gegen 5.30 Uhr im Kinderzimmer knarzt, stehe ich immer noch sofort auf. | |
Denn ich will ja so viel Zeit wie möglich mit den Mädchen haben, bevor ich | |
ins Büro muss. | |
Ich sehe zu, dass ich früh am Schreibtisch sitze, um spätestens um 17 Uhr | |
den Stift fallen lassen zu können, damit ich schnell wieder bei den Kindern | |
bin. Ein Feierabendbier mit den Kollegen? Direkt nach der Arbeit zum | |
Boxtraining? Zeit für mich? Mein Kopf sagt mir, dass mir das guttäte. Die | |
Sehnsucht und mein Bauch sagen mir: überflüssiger Luxus, ab nach Hause | |
jetzt! | |
Wie schaffen die Männer das nur, dieses latente Schuldgefühl | |
beiseitezuwischen? Wenn ich in meinem Freundeskreis rumfrage, erzählen fast | |
alle Väter das Gleiche: Sie würden ja wirklich auch gerne mal pünktlich | |
Feierabend machen, aber jetzt in ihrem speziellen Fall, da gehe das einfach | |
nicht. Die Dinge müssten ja getan werden, von ihnen, denn sie wüssten ja am | |
besten Bescheid und könnten das am effizientesten erledigen. Die | |
Kunden/Mandanten/Auftraggeber würden ja leiden, wenn sie das nicht | |
übernähmen. | |
Je länger ich zuhöre, desto mehr wird mir klar: auch das ist eine Form von | |
gatekeeping, nennen wir es professional gatekeeping: Keiner kann meinen Job | |
so machen wie ich. Das erhebende Gefühl, unersetzbar zu sein, haben die | |
meisten Männer schon lange: im Büro. | |
29 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Imke Ankersen | |
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