| # taz.de -- Kolumne Nach Geburt: Passivsportler unter sich | |
| > Wenn die eigenen Kinder nur beim Essenfassen in Bewegung geraten, kann | |
| > das auch ganz gemütlich sein. Oder muss man sich sorgen? | |
| Bild: Und sie bewegen sich doch! | |
| Die erste „Nach Geburt“-Kolumne meines Freundes erschien vor einem Jahr und | |
| handelte davon, wie sich Tochter eins weigert, die Treppe zu benutzen. | |
| Daran hat sich seitdem nichts geändert. „Ich bin faul“, sagt sie, und | |
| streckt ihre Arme aus. „Ich kann dich nicht auf den Arm nehmen. Ich muss | |
| deine kleine Schwester und den Einkauf tragen“, sage ich. Sie denkt kurz | |
| nach und erwidert: „Auf deine Schultern?“ Und wieder trage ich rund 30 kg | |
| in den dritten Stock. | |
| Ich habe keine Ahnung, warum meine Töchter so bewegungsscheu sind. Sie | |
| krabbeln, laufen, rennen oder greifen nur so viel wie gerade nötig. Wenn es | |
| nach ihnen ginge, bekämen sie sämtliches Spielzeug angereicht. | |
| Am Vorbild kann es nicht liegen, ich selber nutze jede freie Minute zum | |
| Laufen, Schwimmen oder Boxen. Wir haben kein Auto, fahren immer Rad und | |
| gehen viel raus. Ich war für Nichten und Neffen immer die Tobe-Tante. | |
| Irgendwie war ich davon ausgegangen, auch eine Tobe-Mama zu werden, | |
| schließlich reden doch alle immer von dem unstillbaren Bewegungsdrang der | |
| Kleinkinder. | |
| Aber weit gefehlt. Stattdessen sitze ich im Schneidersitz auf dem Boden und | |
| empfange präzise Instruktionen von einer Zweijährigen. Meine Tochter liebt | |
| Rollenspiele. Sie stillt ihre Dinosaurier, hilft ihrer Puppe beim Rutschen | |
| und verkauft uns völlig überteuerte Waren aus ihrem Kaufmannsladen. So | |
| weit, so süß. Aber wehe, wenn es heißt: „Wir sind in der Musikschule!“ D… | |
| wird es anstrengend, denn der kleine Diktator teilt uns Namen zu und gibt | |
| exakt vor, was zu tun ist. Jede Abweichung vom Skript wird mit mahnenden | |
| Worten bestraft. | |
| Besonders nervig ist es, dass sie sich die ausgedachten Namen merkt und | |
| auch Tage später in anderen Situationen darauf besteht, dass Mama und Papa | |
| eigentlich Eva und Jan heißen, während die kleine Babyschwester auf den | |
| Namen Bruno zu hören hat. Mich würde es nicht wundern, wenn Tochter zwei | |
| inzwischen glaubt, dass das ihr richtiger Name sei. | |
| ## Vierschanznetournee | |
| Und überhaupt Tochter zwei, das liebste und pflegeleichteste Baby auf der | |
| Welt: immer fröhlich, immer zufrieden. Und dafür braucht sie nicht mehr als | |
| zwei Quadratmeter Platz. Am liebsten liegt sie vorm Kühlschrank und fummelt | |
| die Magneten ab. Wenn ihr das zu langweilig wird, dreht sie sich um und | |
| tritt ins Pfannenregal. Rollt ein Flummi vorbei, guckt sie interessiert | |
| auf, aber hinterherkrabbeln? Viel zu anstrengend. | |
| „Wo ist eigentlich Euer Papa?“, frage ich und finde ihn vorm Fernseher, wie | |
| er gebannt die Vierschanzentournee verfolgt, weil gerade Winterpause beim | |
| Fußball ist. Es gibt wirklich keine Sportart, die er nicht perfekt | |
| beherrscht. Passiv natürlich. Ich gucke mir meine kleine Familie an, alle | |
| sind völlig versunken in das, was sie gerade tun. Und ich nehme mir vor, in | |
| Zukunft ein bisschen fauler zu sein, denn das sieht wahnsinnig gemütlich | |
| aus. | |
| Abendbrotzeit: Noch bevor ich den dampfenden Topf mit Gnocchi auf dem Tisch | |
| abgestellt habe, schreit Tochter eins: „Ist schon abgekühlt!“, und Tochter | |
| zwei hüpft vor Aufregung beinahe aus ihrem Hochstuhl. Wenigstens beim Essen | |
| kommen sie nach ihrer Mutter. | |
| 12 Jan 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Imke Ankersen | |
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| arbeiten – und übernimmt die Kolumne von Papa Jürn Kruse. |