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# taz.de -- Kolumne „Nach Geburt“: Wissenschaftlich bewiesen!
> Warum versuchen die Anhänger des Familienbetts so krampfhaft, diese Form
> des Schlafens als überlegen zu verkaufen?
Bild: Ich möchte doch nur einmal in Ruhe schlafen
„Nein.“ Kurze Antwort meiner großen, zwei Jahre alten Tochter auf die
Frage, ob ich ihr zum Einschlafen noch ein Lied vorsingen soll. Als ich mal
an einem anderen Abend beim Zubettbringen „Weißt du wie viel Sternlein
stehen?“ anstimmte, meinte sie trocken: „Ja.“ Zu meiner Freundin sagte sie
vor Kurzem: „Mama, rausgehen!“
Unsere Tochter schläft – Warnung: Folgende Worte können Spuren seelischer
Grausamkeit enthalten – in ihrem eigenen Zimmer. Ganz allein. Licht aus.
Sie schläft durch. Und anscheinend ganz gern für sich allein.
Sie sagen jetzt: Das ist mir doch egal, wie und wo sie schläft.
Und ich antworte dann voller Empörung: Ja, versteh ich gut.
Aber: Unter Eltern hat das Thema höchste Priorität. Und am wertvollsten –
so hat die Konferenz der sich kümmernden Eltern entschieden – ist das
Familienbett: Kinder, Mama und Papa pennen in einem Bett.
Schön. Kann jede und jeder gerne so machen. Das ist mir wumpe. Doch was mir
nicht egal ist, ist, wenn mit pseudowissenschaftlichem Gequatsche versucht
wird, andere zu dieser Schlafmethode zu bekehren. Das US-amerikanische
„Natural Child Poject“ hat auf seiner Seite [1][„Ten Reasons to Sleep Next
to Your Child at Night“] veröffentlicht. Das Blog Rabeneltern.org hat den
[2][Text übersetzt]. Und ich hab da mal ein paar Anmerkungen:
Grund 2: Der Schlafforscher James McKenna sei der Meinung, dass Eltern nur
durch das gemeinsame Schlafen mit den Kindern im Familienbett in die Lage
versetzt würden, die Kleinen „aktiv vor dem plötzlichen Kindstod zu
bewahren“.
Viele Forscher sehen das anders. Die [3][Deutsche Gesellschaft für
Kinderheilkunde und Jugendmedizin] empfiehlt, Kinder im eigenen Bett
schlafen zu lassen. Ihre Begründung? Schutz vor plötzlichem Kindstod.
Grund 4: „Babys und Kinder sind verbrannt, sexuell missbraucht worden von
Verwandten, die zu Besuch waren, sind aus dem Bett entführt worden, wurden
von Haustieren attackiert, sind am eigenen Erbrochenen erstickt, sind
gestorben oder wurden schwer verletzt auf die unterschiedlichste Art und
Weise. All dies hätte verhindert werden können, wenn ihre Eltern in
unmittelbarer Nähe gewesen wären.“
Viele Unfälle würden verhindert, wenn wir unsere Kinder an der Leine
führten.
Grund 7: Das Familienbett schütze Kinder vor gewalttätigen Eltern, „weil
auf diese Weise am ehesten gewährleistet ist, dass alle ausreichend Schlaf
bekommen“, ergo niemand übermüdet und angespannt sei.
Auf die Studie, die belegt, dass das Familienbett am ehesten gewährleiste,
dass alle ausreichend Schlaf bekommen, warte ich noch.
Grund 10: „Studien über Patienten im Koma beweisen, dass die Anwesenheit
von einer anderen Person im Raum, Herzschlagfrequenz, Herzrhythmus und
Blutdruck des Patienten positiv beeinflussen. Es erscheint vernünftig
anzunehmen, dass bei Babys und Kindern ähnliche gesundheitliche Vorteile
hervorgerufen werden.“
Es erscheint genauso vernünftig, das Gegenteil anzunehmen. Und noch
vernünftiger erscheint es, erst einmal gar nichts anzunehmen, was man nicht
belegen kann.
Noch mal: Jede/r soll so schlafen, wie es ihm oder ihr gefällt. Aber, liebe
FamilienbettapologetInnen, bitte erhebt eure Überzeugungen nicht zur
Wissenschaft. Das verunsichert junge Eltern nämlich wirklich.
20 Oct 2016
## LINKS
[1] http://www.naturalchild.org/jan_hunt/familybed.html
[2] http://www.rabeneltern.org/index.php/wissenswertes/schlafen-wissenswertes/1…
[3] http://www.dgkj.de/eltern/dgkj_elterninformationen/
## AUTOREN
Jürn Kruse
## TAGS
Nach Geburt
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