| # taz.de -- Debatte Religion und Sexismus: Der Salafismus der katholischen Kirc… | |
| > Die Frauenfeindlichkeit des Katholizismus wird sehr selten skandalisiert. | |
| > Im Vergleich leisten sich Islam und Judentum viel mehr Vielfalt. | |
| Bild: Kein Platz für Frauen: katholische Priester in Erfurt | |
| Die Nachricht, dass die römisch-katholische Kirche den Frauen weiterhin den | |
| Zugang zur Priesterweihe verwehren wird, hat erstaunlich wenig öffentliche | |
| Kritik hervorgerufen. Erstaunlich, weil einer anderen Weltreligion, deren | |
| Name hier kaum genannt werden muss, ohn’ Unterlass die Benachteiligung von | |
| Frauen vorgehalten wird. | |
| Für all jene, die geglaubt hatten, der gegenwärtige Papst sei ein Reformer | |
| und er werde im 21. Jahrhundert zumindest Diakoninnen zulassen (eine Art | |
| Priester-Vorstufe), wurde kürzlich eine altbekannte Argumentation | |
| ostentativ entstaubt. Nennen wir sie: Salafismus. Das ist nicht hergeholt, | |
| sondern sprachlich präzise. Im Arabischen sind die Salaf die geehrten | |
| Altvorderen, wir nennen sie Apostel, und unter ihnen waren eben keine | |
| Frauen. Die Kirche – sagt Rom – müsse es halten wie Jesus. Und dass jener | |
| sich in anderen Fragen durchaus über die Sitten seiner Zeit hinwegsetzte, | |
| sei ein Grund mehr, den Frauen-Ausschluss als veritables Gebot Gottes | |
| anzusehen. | |
| Wenn Muslime in Bezug auf Mohammed so argumentieren, windet man ihnen | |
| daraus einen Strick. | |
| Bei der kleinen Minderheit der Altkatholiken, die sich vor einem | |
| Jahrhundert von Rom getrennt haben, können Frauen übrigens Priesterinnen | |
| werden, jedenfalls in der deutschen Sektion. Für alle anderen Katholikinnen | |
| gilt: Sie dürfen keine Sakramente erteilen, keine Ehe schließen, keine | |
| Beichte hören. Sie dürfen nicht einmal die Kinder, die sie gebären, taufen | |
| – was die römischen Salafisten sogar verheirateten männlichen Diakonen | |
| erlauben. | |
| Zu Gottes Heilsplan für die Welt stehe der Ausschluss der Hälfte der | |
| Menschheit nicht im Widerspruch, sagt Rom. So blasphemisch ist nicht einmal | |
| Charlie Hebdo. Die Frauen und das Heilige – wer sich damit beschäftigt, | |
| blickt in einen zivilisatorischen Abgrund. | |
| ## Ähnlichkeiten bei der Diskriminierung | |
| In keiner Religion sind Frauen als spirituelle Wesen gleichberechtigt. Jede | |
| Religion hat dafür ihre theologischen Begründungen, die einander | |
| verblüffend ähneln, denn sie handeln alle von Unreinheit, von sexueller | |
| Verführungskraft und von häuslichen Pflichten, sie handeln von der Angst | |
| der Männer vor dem Weiblichen, das sie nicht verstehen, vor der | |
| Menstruation zumal. So ist es vom buddhistischen Bergkloster bis zum | |
| Petersplatz, und es ist nicht dadurch anders geworden, dass wir nun auf | |
| kathTube die Papal Audience liken können. | |
| Auf keinem anderen Feld sind die Weltreligionen so verwandt, vor allem die | |
| abrahamischen. Das Kopftuch kam vom Judentum über das Christentum zum | |
| Islam, allein den Reiz unserer Haare zu bändigen hat Zeitalter und | |
| Landschaften verbunden. | |
| Der weltweite Bildungsaufstieg der Frauen hat heute allerorten | |
| Theologie-Professorinnen hervorgebracht. Wissen ist Macht, hieß es früher, | |
| und das Wissen vom Heiligen war stets eine besondere Macht. Da hat sich | |
| etwas verschoben. Nun verteidigen die Männer den Bezirk des Heiligen nur | |
| noch durch bloße Regeln; sie stehen an Schlagbäumen, die sich auch mit | |
| schlechteren Schulnoten bewachen lassen, jedenfalls solange der Schlagbaum | |
| als solcher nicht verlacht wird. | |
| Es ist erhellend, beim Thema Frau den öffentlichen Umgang mit Islam und | |
| Katholizismus zu vergleichen. Roms Frauenpolitik wird nicht jedem | |
| Katholiken zum Vorwurf gemacht, schon gar nicht der Katholikin. Sie muss | |
| sich nicht ständig rechtfertigen, wird auch nicht aufgefordert, der Würde | |
| ihres Geschlechts wegen vom Glauben abzurücken. Dass sie des Priesteramts | |
| unwürdig ist, wird als etwas Singuläres betrachtet, während die rechtliche | |
| Schlechterstellung der Muslimin für den gesamten Islam und seine Misere | |
| steht. | |
| Katholiken genießen ungeachtet ihrer theologischen Frauenangst das | |
| Attribut, sinnenfroh und dem Leben zugewandt zu sein, während man dem Islam | |
| im selben Atemzug Sexualfeindlichkeit und Verklemmtheit attestiert. Mann | |
| und Frau hätten in Kirche und Gesellschaft sich ergänzende Aufgaben, lese | |
| ich auf manchen katholischen Webseiten. Als die tunesischen Islamisten der | |
| Ennahda-Partei einen ähnlichen Satz in der Verfassung unterbringen wollten, | |
| ging die dortige Frauenbewegung auf die Straße, unter dem Applaus des | |
| Westens. | |
| ## Religiosität verloren | |
| Der Islam und mehr noch das Judentum leisten sich heute eine Vielfalt, die | |
| es bei den zentralistisch verfassten Katholiken nicht geben darf. Den | |
| liberalen Juden ist gelungen, durch Interpretation vieles aus dem Weg zu | |
| räumen, was spiritueller Gleichberechtigung entgegenstand – ohne dabei das | |
| dogmatischere alte Schrifttum zu verbrennen. Das könnte MuslimInnen Vorbild | |
| sein. | |
| In meiner katholischen Grundschule riefen wir einst zu den evangelischen | |
| Kindern auf dem benachbarten Pausenhof „Effkes, Effkes“ hinüber, in der | |
| örtlichen Mundart stand es für Äffkes, kleine Affen. Es gab noch | |
| Stammesbewusstsein, wir waren in der Gegend die Mehrheit und die Affen die | |
| Minderheit. Später hielten Nonnen uns Mädchen Einmachgläser mit Föten vor | |
| die Nase, auf dass wir durch Albträume lernten, das Ungeborene zu schützen. | |
| Noch ein wenig später verließ ich diese Kirche, weil sie mir als Frau | |
| untragbar erschien. | |
| Ist das heute noch dieselbe Institution wie vor drei, vier Jahrzehnten? Die | |
| Kirche hat viel gesellschaftlichen Einfluss eingebüßt, und sie hat, genauso | |
| wichtig, an Religiosität verloren. Seltsam: Den Islam drängt man, endlich | |
| Kirche im deutsch-rechtlichen Sinne zu werden, während der Katholizismus | |
| immer weniger Kirche ist. Eher ein Unternehmen: 650.000 Angestellte, | |
| daneben eine schmale Riege von 14.000 Priesterlein. Und die Basis, | |
| respektive Kunden, eilen davon: jährlich 100.000 Austritte, in jüngster | |
| Zeit noch weitaus mehr. | |
| Zwischen wankenden Wänden wird nur der Machtbezirk des Heiligen verteidigt | |
| wie ehedem. Das Sakrament als Privileg eines schrumpfenden Männerbundes. | |
| Die sich leerenden Reihen deutscher Priester werden mit Indern und Polen | |
| verstärkt – alles besser als Frauen. | |
| Und wer könnte gegenwärtig nach dem Einschalten der Abendnachrichten noch | |
| bezweifeln, dass Gottes Heilsplan für die Welt bei den Männern in besten | |
| Händen ist? | |
| 25 Dec 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Charlotte Wiedemann | |
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