# taz.de -- Korruptionsverfahren in Argentinien: Millionen beiseitegeschafft? | |
> Das Verfahren gegen Expräsidentin Kirchner ist eröffnet. 610 Millionen | |
> Euro sind beschlagnahmt. Ihr drohen zehn Jahre Haft. | |
Bild: Cristina Kirchner setzte die Politik ihres verstorbenen Mannes fort | |
BUENOS AIRES taz | Argentiniens Expräsidentin Cristina Kirchner wird vor | |
Gericht gestellt. Am Dienstag erhob Bundesrichter Julián Ercolini Anklage | |
wegen Bildung einer „betrügerischen Vereinigung und Betrug“. Zugleich ließ | |
er Vermögenswerte der ehemaligen Staatschefin von umgerechnet 610 Millionen | |
Euro einfrieren. Auf eine Untersuchungshaft verzichtete der Bundesrichter, | |
da gegenwärtig keine Fluchtgefahr bestehe. Bei einer Verurteilung droht | |
Cristina Kirchner eine bis zu zehnjährige Haftstrafe. | |
Mitangeklagt sind unter anderem ihr früherer Planungsminister Julio De | |
Vido, dessen damaliger Staatssekretär für öffentliche Bauvorhaben, José | |
Lopez sowie der Bauunternehmer Lázaro Báez aus der Provinz Santa Cruz. Die | |
Anklage bezieht sich auf rund 50 öffentliche Bauprojekte, mit dessen | |
Durchführung die Unternehmen von Báez beauftragt wurden. Mit mutmaßlich | |
überteuerten Kostenaufstellungen und fingierten Rechnungen sollen | |
öffentliche Gelder beiseitegeschafft worden sein. Die Bausumme wird auf | |
rund 3 Milliarden Euro geschätzt, von denen gut 450 Millionen als | |
Überteuerungszuschlag gelten. | |
„Es handelt sich um einen kriminellen Plan, der sich über drei | |
Präsidentenmandate erstreckt und der von der Führungsspitze der Exekutive | |
mit dem Ziel entworfen wurde, sich unrechtmäßigerweise Fonds anzueignen, | |
die für Straßenbauprojekte vor allem in der Provinz Santa Cruz bestimmt | |
waren“, so Richter Ercolini in seiner Anklageschrift. Ideell sitzt so auch | |
der im Oktober 2010 verstorbene Néstor Kirchner mit auf der Anklagebank. | |
Er regierte von 2003 bis 2007, Cristina die nächsten zwei Amtsperioden bis | |
2015. Lázaro Báez sitzt bereits seit dem 5. April wegen ähnlicher | |
Anschuldigungen in Untersuchungshaft. Sein Zellennachbar ist seit Mitte | |
Juni Exstaatssekretär José López, nachdem dieser bei einer obskuren | |
Nacht-und- Nebel-Aktion erwischt wurde, als er Koffer und Tüten voller | |
Geldscheine im Wert von rund 8 Millionen Euro über eine Klostermauer warf. | |
## Kirchner hält das Verfahren für politisch motiviert | |
Dass Néstor Kirchner Báez’ immer wieder mit Aufträgen versorgte, ist schon | |
lange bekannt. Die Zusammenarbeit begann in der 1990er Jahren, als Kirchner | |
Bürgermeister in seiner Heimatstadt Río Gallegos war. Sie setzte sich | |
während seiner drei Amtszeiten als Gouverneur der Provinz Santa Cruz fort. | |
Der Verantwortliche für die öffentlichen Bauten war in der Stadt und | |
Provinz auch damals schon immer Julio De Vido. Wie eng die Beziehung | |
zwischen Néstor Kirchner und Lázaro Báez gewesen war, zeigt das große | |
Mausoleum, das der Unternehmer für den Verstorbenen bauen ließ. Für die | |
kirchnerkritische Presse war Báez lediglich Néstors Strohmann. | |
Cristina Kirchner hat sich bisher nur via soziale Medien geäußert. „Die | |
betrügerische Vereinigung ist eine Figur im Strafrecht, die von allen | |
Diktaturen benutzt wurde, um oppositionelle Anführer zu verfolgen“, | |
schreibt sie auf Facebook. Sie hält das Verfahren für politisch motiviert. | |
Jubel dagegen bei ihrer langjährigen Widersacherin Elisa Carrió. Die | |
damalige Oppositionspolitikerin und heutige Abgeordnete der | |
Regierungskoalition hatte das Verfahren 2008 mit ihrer Anzeige gegen Néstor | |
und Cristina Kirchner ins Rollen gebracht. „Nach all den Jahren des Wartens | |
nimmt die Justiz endlich ihren Lauf“, sagt Carrió. In der Ära Kirchner | |
wurden solche Verfahren stets durch politischen Druck abgeblockt. | |
28 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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