| # taz.de -- Statistik zu ehrenamtlichem Engagement: Zu fantastisch, um wahr zu … | |
| > Ein Experte kritisiert „übertriebene Zahlen“ einer Studie des | |
| > Familienministeriums. Wandern und Chorsingen zählen neuerdings auch dazu. | |
| Bild: Ehrenamtliches Engagement zum Erhalt von Waldwegen? Oder einfach nur Wand… | |
| Berlin taz | Früher haben sich rund 36 Prozent der Menschen in Deutschland | |
| ehrenamtlich betätigt. Jetzt sollen es knapp 44 Prozent sein. 20 Prozent | |
| mehr freiwilliges Engagement seit 2009? Zu fantastisch, um wahr zu sein: | |
| Bei vielen Vereinen und Initiativen ist davon aber nichts zu spüren. | |
| „Science-Fiction“ nennt daher der Politik- und Sozialwissenschaftler | |
| Professor Roland Roth in einem für die taz geführten Interview des | |
| Investigativjournalisten Thomas Leif die Zahlen. | |
| Roth war sachverständiges Mitglied der Expertengruppe des zweiten | |
| Freiwilligensurveys von 2004. Er kritisiert die zwei Millionen Euro teure | |
| Umfrage von 2014 scharf. Das Bundesfamilienministerium finanziert die | |
| Freiwilligensurveys, die nun zum ersten Mal vom Deutschen Zentrum für | |
| Altersfragen durchgeführt und im April 2016 veröffentlicht wurde. Die | |
| ersten drei Wellen des Freiwilligensurveys wurden in den Jahren 1999, 2004 | |
| und 2009 erhoben. | |
| Roth bemängelt die aktuellen Ergebnisse, diese hätten „wenig mit der | |
| Realität zu tun“. Sie beruhten eher „auf veränderten | |
| Berechnungsgrundlagen“. Roth sagt: „Die Standards für Tätigkeiten, die als | |
| freiwilliges Engagement gelten sollen, wurden abgesenkt.“ So würden jetzt | |
| selbst „Kicken im Park oder das Wandern und Chorsingen im Altenverein als | |
| Beispiele für freiwilliges Engagement aufgeführt“. | |
| Ein weiterer Kritikpunkt: Die Zahlen von 2014 seien mittlerweile veraltet. | |
| Dementsprechend könne auch höheres Engagement im Zuge der Flüchtlingshilfe | |
| seit 2015 den drastischen Anstieg nicht erklären. Auch andere | |
| Berechnungsgrundlagen und Studien, etwa das Sozioökonomische Panel und die | |
| Shell-Jugendstudie, sehen diesen drastischen Anstieg nicht. | |
| Am meisten ärgert Roth, dass sich die Daten aufgrund eines Methodenwechsels | |
| nicht mit den Vorgängerstudien vergleichen lassen. Dem widerspricht Claudia | |
| Vogel, Mitherausgeberin der Studie: Höhere Lebenserwartung und ein | |
| „Engagement-Hype“ erklärten den Anstieg. Sie räumt jedoch ein, dass die | |
| Definition von Engagement erweitert wurde: So sei Singen im Chor in die | |
| Berechnung eingeflossen, „weil es einen Teamcharakter“ habe. | |
| Roth indessen befürchtet, dass sich Bund und Länder nun auf ihrer | |
| Engagementpolitik ausruhen könnten. „Die Neigung zu Hochglanz, zu | |
| postfaktischer Selbstdarstellung ist keine Erfindung von Donald Trump.“ | |
| Ehrenamtsorganisationen schweigen. „Die direkte Abhängigkeit von | |
| öffentlichen Mitteln begünstigt leider eine Kultur, in der Kritik oft nur | |
| hinter vorgehaltener Hand vorgetragen wird“, sagt Roth. | |
| 5 Dec 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Astrid Ehrenhauser | |
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