# taz.de -- Berliner Verwaltung verbietet Flüchtlingshilfe im Jugendclub: Eine… | |
> Ein Jugendclub hat Flüchtlinge bei sich übernachten lassen – bis sich das | |
> Bezirkamt einschaltete und den Ehrenamtlichen die Hilfe verbot. | |
Bild: Schlafplätze sind bei diesen Temperaturen eigentlich gerne gesehen: Wart… | |
Eigentlich war es einfach: Auf der einen Seite Flüchtlinge, die ohne | |
Schlafplatz bleiben. Auf der anderen Seite ein Jugendclub mit engagierten | |
NutzerInnen, dessen Veranstaltungssaal nachts nicht benötigt wird. Also | |
fand sich eine Gruppe Ehrenamtlicher zusammen und tat, was naheliegend | |
schien: abends zum Lageso fahren und unversorgten Flüchtlingen Schlafplätze | |
anbieten. Bettzeug wurde besorgt, Betreuungsschichten wurden eingeteilt, | |
morgens nahmen Ehrenamtliche die Bettwäsche zum Waschen mit nach Hause. Bis | |
zu 30 Flüchtlinge pro Nacht konnten ab September so versorgt werden. | |
Heute schläft niemand dort. Nicht weil es den Bedarf nicht mehr gäbe oder | |
die Ehrenamtlichen die Lust verloren hätten; sondern weil sich das | |
Bezirksamt einschaltete – und die Hilfe kurzerhand verbot. | |
Dagmar König ist CDU-Stadträtin in Charlottenburg-Wilmersdorf und eine Frau | |
mit Prinzipien. Durch Zufall habe sie erfahren, dass der von den Falken | |
getragene Jugendclub Schloss19 nachts Flüchtlinge bei sich schlafen lässt. | |
Für sie sei die Sache schnell klar gewesen: „Das entspricht weder dem | |
Nutzungsvertrag, noch sind die baurechtlichen und brandschutzrechtlichen | |
Bedingungen erfüllt.“ Seit August hatten Flüchtlinge im Schloss19 | |
übernachtet, im November ließ das Bezirksamt dies untersagen. „Die | |
Unterbringung von Flüchtlingen obliegt allein dem Lageso“, steht dort. | |
„Fast schon zynisch“ findet Jana Slomiany, pädagogische Leiterin im | |
Schloss19, angesichts der Unterbringungssituation diesen Verweis. „Es war | |
ein administrativer Fehler von uns, dass wir das dem Bezirksamt nicht | |
gleich gemeldet haben“, räumt sie ein. „Aber dieses Angebot, das sich durch | |
die Ehrenamtlichen selbst getragen und unsere Arbeit in keinster Weise | |
beeinträchtigt hat, erschien uns einfach menschlich geboten.“ | |
Mit den Übernachtungen ist es seit dem Verbot trotzdem erst mal vorbei: | |
„Das war mir dann haftungsrechtlich zu heikel, uns wurde ja mit rechtlichen | |
Schritten gedroht“, sagt Slomiany. Aufgeben wollten die Ehrenamtlichen | |
trotzdem nicht: Sie brachten das Thema in der Bezirksverordnetenversammlung | |
vor. Dort sah man die Sache anders: Das Bezirksamt solle mit Trägern der | |
Jugendhilfe Gespräche führen, wie sie ihre Räume als temporäre | |
Notunterkünfte zur Verfügung stellen können, beschloss die BVV. | |
„Mit Interesse zur Kenntnis genommen“ habe sie diesen Beschluss, schreibt | |
Dagmar König im Dezember in einer E-Mail an den Jugendclub. Folgen werde | |
sie ihm allerdings nicht: „Sie können das Bezirksamt nicht zu | |
rechtswidrigem Handeln veranlassen.“ Auch den Bitten von Initiativen wie | |
„Charlottenburg hilft“ oder dem Kiezbündnis Klausener Platz, die sich auf | |
die Seite des Jugendclubs stellten, gibt König nicht nach. „Ich verstehe | |
ja, dass die Menschen helfen wollen“, sagt sie. „Aber gerade diese jungen | |
Leute können doch gar nicht abschätzen, was das haftungsrechtlich für sie | |
bedeuten kann.“ | |
Wer sich in anderen Bezirken umhört, erfährt: Es gibt weitere | |
Jugendfreizeiteinrichtungen, die Notübernachtungsplätze für Flüchtlinge | |
anbieten, auch mit Wissen der Bezirksämter. Nur drücken die zuständigen | |
Stellen hier eben ein Auge zu – deshalb will auch niemand offiziell sagen, | |
um welche Fälle es geht. „Wenn ich offiziell über so einen Fall entscheiden | |
müsste, würde mir das auch sehr schwerfallen“, sagt eine | |
Bezirkspolitikerin, die nicht genannt werden will. | |
In Charlottenburg ist die Situation nun komplett verfahren: „Nichts, was | |
wir versucht haben, hat etwas bewegt“, sagt Slomiany. „Es gibt viele Wege, | |
zu helfen, aber dieser ist der falsche“, sagt König. Das Bezirksamt | |
verteidigt ihre Entscheidung mit einer Pressemitteilung, die zumindest | |
ungeschickt erscheint angesichts der Berichte über Flüchtlinge, die ohne | |
ehrenamtliches Engagement auf der Straße schlafen müssten: „Auch wenn der | |
Raum nachts nicht benötigt würde, kann von den Flüchtlingen nicht verlangt | |
werden, dass sie diesen am nächsten Tag – mitten im Winter – wieder | |
verlassen“, heißt es. | |
6 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Malene Gürgen | |
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