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# taz.de -- Hacker und das Internet der Dinge: Meine Zahnbürste erpresst mich!
> Telekom-Kunden müssen drei Tage ohne Internet leben? Harmlos. Zumindest
> gegenüber dem, was mit dem Internet der Dinge passieren kann.
Bild: Noch sind wir stärker als unsere Haushaltsgeräte. Noch!
Als Mark Rittman versucht, seinen Wasserkocher in Betrieb zu nehmen, sieht
die Welt zu. Elf Stunden lang arbeitet der britische IT-Spezialist daran,
in seinem smarten Home den iKettle, den der Hersteller als weltweit ersten
WLAN-Wasserkocher bewarb, dazu zu bringen, ihm per Sprachbefehl eine Tasse
Wasser zu erhitzen. Neukalibrierung, WLAN-Basisstation neu starten, aus
Verzweiflung Wasser im Topf kochen, noch eine Neukalibrierung, und
irgendwann laden dann erst mal die smarten Lampen ein Firmware-Update
herunter, und deshalb gibt es das Abendessen bei Kerzenschein.
Ja, mit dem Internet der Dinge hat die ganze Familie Spaß. Und die Welt,
die Rittmans Anstrengungen bei Twitter mitverfolgt, auch.
Schön, solange man noch darüber lachen kann. Denn der jüngste Ausfall von
900.000 Routern bei Telekom-Kunden zeigt: Die Kombination aus Internet und
Dingen muss nicht lustig ausgehen.
Es sind nicht nur Wasserkocher. Pfannen und Waschmaschinen, Waagen und
Matratzen, Spiegel und Heizungsanlagen – was sich nicht rechtzeitig hinter
dem Router versteckt hat, wird ans Internet angeschlossen.
Toilettenschüsseln? Super, machen wir. Spülen und Geruchsbeseitigung per
App. Ob die Welt darauf gewartet hat, ist nicht so wichtig. Hauptsache, man
kann den Hinweis anbringen, dass es eine App dazu gibt, dann verkauft es
sich bestimmt besser.
## Nebenwirkungen? Welche Nebenwirkungen?
Die App für die smarte Toilettenschüssel entpuppte sich schon bald als
hackbar. Risiko und Schaden überschaubar, aber der Fall ist symptomatisch:
Das Internet der Dinge gilt für die meisten Nutzer als nettes Spielzeug
oder als Komfortgewinn – und für die Industrie als Goldgrube.
Nebenwirkungen? Welche Nebenwirkungen?
Na ja, die eine oder andere. Angriffe natürlich, die könnten bei der
smarten Waschmaschine weniger nett enden – deren Hersteller werden übrigens
jede Verantwortung für überschwemmte Wohnungen von sich weisen. Trojaner,
die die eigenen Daten verschlüsseln und nur gegen Lösegeld wieder
zugänglich machen? War gestern. Demnächst bleibt einfach das Garagentor –
inklusive Auto darin – so lange zu, bis der Besitzer Bitcoins überwiesen
hat.
Dagegen mag es vernachlässigbar sein, wenn die vernetzte Zahnbürste
ausfällt. Doch das Problem ist die Gesamtheit: Die Hürden dafür, dass
Geräte funktionieren, werden immer höher. Strom ist nötig, das Smartphone
für die Bedienung, die zugehörige App, die Internetverbindung.
Und die ist alles andere als stabil, auch wenn nicht gerade Hacker die
Router angreifen. Drahtlose Netzwerke brechen zusammen, Router müssen neu
gestartet werden, Funkmasten versagen spontan ihren Dienst, und wer es
wagt, den Anbieter zu wechseln – reden wir nicht drüber. Mitunter, egal ob
per Kabel oder Funk, funktioniert einfach so nichts, und niemand weiß,
warum. Unpraktisch, wenn man gerade aus der Ferne den Herd abstellen
wollte.
## Wenn das Smart Home nicht mehr smart ist
Was passiert, wenn das Smart Home nicht mehr smart ist, konnten 2015
ausgerechnet Telekom-Kunden erleben: Es gab ein Problem im Rechenzentrum
des Smart-Home-Systems Qivicon, das die Telekom nutzt. Da blieben im
Eigenheim die Rollläden unten, Lichter und Heizung aus. Wo waren noch mal
die Kerzen?
Beim aktuellen Angriff war die Schwachstelle wohl bereits bekannt: eine
Lücke im TR-069-Protokoll, verwendet für die Fernwartung. Die Telekom sagt
selbst, dass die Software, die die Angreifer nutzten, eher schlampig
programmiert war. Da geht noch was. Für die Angreifer. Aber auch für die
Industrie.
Warum er nicht einfach einen ganz normalen Wasserkocher nehme, fragte
jemand Rittman mit seinem smarten Wasserkocher irgendwann. Geantwortet hat
er nicht, klar, rhetorische Frage. Aber einen Monat später war dann die
kabellose Lautsprecherbox in Rittmans Küche dran: Sie verband sich
unaufgefordert mit der WLAN-Basisstation des – nun funktionierenden –
Wasserkochers. Heißes Wasser gab es immer noch. Nur keine Musik mehr.
30 Nov 2016
## AUTOREN
Svenja Bergt
## TAGS
Telekom
Internet der Dinge
Internet
Hacker
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
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Schwerpunkt Überwachung
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