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# taz.de -- Österreich vor der Wahl – ein A bis Ö: Wie arg könnt’s werde…
> Norbert Hofer könnte nächster Bundespräsident Österreichs werden. Was der
> FPÖler will. Und was man in dem Amt alles anstellen kann.
Bild: Grinsebacke: Norbert Hofer
## Akademikerball
Jeden Februar protestieren in Wien die Antifa und alle, die es nicht so
gerne sehen, dass in der Hofburg beim „Akademikerball“ Rechtswalzer getanzt
wird – ist doch die Hofburg der Ort, an dem Adolf Hitler einst den
Anschluss an Nazideutschland verkündete. Auf dem Ball geben sich Menschen
mit Schmiss im Gesicht (siehe ▶Schülerverbindung) und der rechte Mief
Europas in den heiligen Hallen der Republik die Klinke in die Hand.
Jährlich kommt es zu Ausschreitungen (siehe ▶Polizeigewerkschaft). Die
Frage ist nun, was passiert, wenn einer dieser Ballgäste in der Hofburg
residiert?
## Brutpflegetrieb
Norbert Hofer hat sich bereits eine gesetzlich verpflichtende „Bedenkzeit“
vor einem Schwangerschaftsabbruch gewünscht und auch die von ihm
herausgegebenen Schrift Für ein freies Österreich offenbart ein
peniszentriertes Weltbild: „Der vom Thron des Familienoberhaupts gestoßene
Mann sehnt sich unverändert nach einer Partnerin, die trotz hipper
den-Mädels-gehört-die-Welt-Journale in häuslichen Kategorien zu denken
imstande ist, deren Brutpflegetrieb auferlegte
Selbstverwirklichungsambitionen überragt. Die vom feministischen
Dekonstruktionsehrgeiz zur selbstverwirklichungsverpflichteten
Geburtsscheinmutter umdefinierte Frau sehnt sich nach einem ganzen Kerl,
der ihr alle die emotionalen und ökonomischen Sicherheiten gibt, die eine
junge Mutter braucht, um sich mit weitgehend sorgloser Hingabe dem
Nachwuchs zuwenden zu können.“
## Chemtrails
Norbert Gerwald Hofer, geboren 1971 in Vorau, Steiermark, ist gelernter
Flugtechniker. Dennoch stellte er 2007 eine parlamentarische Anfrage, die
folgenden Satz enthielt: „Was werden Sie auf nationaler, europäischer und
internationaler Ebene tun, um dem Phänomen der Chemtrails nachzugehen und
zu vermeiden, dass über österreichischem Boden derartige Chemikalien
freigesetzt werden?“
## Demokratie
In einem Interview mit dem Radiosender Ö1 sagte Norbert Hofer, er wolle das
Amt des Präsidenten und des Bundeskanzlers nach vorangegangener
Volksentscheidung zusammenlegen.
## Ernennen und Entlassen
Der Bundespräsident hat das Kabinettbildungsrecht, das heißt er kann die
Bundesregierung ernennen, aber auch entlassen (siehe ▶Ultima Ratio). Nach
der Wahl des Nationalrats, also der österreichischen Abgeordnetenkammer,
ist es zwar Usus, den Kandidaten der Partei, die die meisten Sitze errungen
hat, mit der Regierungsbildung zu beauftragen – aber verpflichtet ist der
Bundespräsident dazu nicht. Er ernennt und entlässt auf Vorschlag des
Bundeskanzlers außerdem Mitglieder der Bundesregierung, Staatssekretäre und
Richter. Er kann Ernennungen verweigern. (siehe ▶Querulant?)
## FPÖ
Einige (ehemalige) FPÖ-Politiker wurden schon mal rechtskräftig verurteilt
– etwa wegen: Verhetzung, Wiederbetätigung (siehe ▶Verbotsgesetz),
Steuerhinterziehung, übler Nachrede, falscher Zeugenaussage, Herabwürdigung
religiöser Lehren und Körperverletzung.
## Gnade
Der Bundespräsident kann in bestimmten Fällen rechtskräftig Verurteilte
begnadigen, die Strafe mildern oder umwandeln und auch im Bundesheer (siehe
▶Oberbefehlshaber) Disziplinarstrafen mildern oder erlassen.
## Heil
Im Mai wurden im burgenländischen Neusiedl am See Hakenkreuze mit dem
Schriftzug „Heil Hofer“ an eine Wand geschmiert. Im gleichen Monat
berichtete die Tech-Nachrichtenseite [1][futurezone.at], dass ein Nutzer
der Plattform Reddit die geleakten Nutzerdaten des Netzwerks LinkedIn nach
Accounts von Politikern durchsucht hat. Dabei sei er auf den des
FPÖ-Politikers und Wiener Vizebürgermeisters Johann Gudenus gestoßen. Sein
Passwort lautete demnach „heilheil“.
## Intervention
Der Bundespräsident kann das Parlament nur auf Vorschlag der Regierung
auflösen. Das gilt deshalb als unwahrscheinlich. Theoretisch könnte er aber
erst den Kanzler entlassen, einen Nachfolger ernennen, dann könnte die neue
Regierung die Auflösung des Nationalrats beantragen. Dann müsste neu
gewählt werden – allerdings nur, wenn der Nationalrat es nicht rechtzeitig
geschafft hat, der Regierung das Misstrauen auszusprechen. Bisher kam das
noch nie vor – und wäre eine handfeste Staatskrise. (siehe ▶Wundern)
## Jessy
Der First Dog Jessy war ein wichtiger Teil von Hofers Wahlkampf. FPÖ-Wähler
sind bekanntermaßen tierlieb, das fängt bei Haustieren an, geht über die
Verabscheuung des Schächtens, hört aber genau da auf, wo man ihnen das
Schweineschnitzel wegnehmen oder besteuern will.
## Kaiserkomplex
Die Österreicher haben eine Art Kaiserkomplex, weswegen der Machtumfang des
Präsidentenamtes historisch bedingt zu groß ist für einen Menschen, der die
Republik nur repräsentieren soll. (siehe ▶Macht)
## Lopatka und Co.
Der ÖVP-Fraktionsvorsitzende Reinhold Lopatka sagte in der vergangenen
Woche, dass er Norbert Hofer für den besseren Kandidaten hält. Das heißt
allerdings nicht viel, weil Lopatka generell der Typ Politiker ist, der
dazu neigt in der falschen Schlange anzustehen. Doch auch aus der SPÖ hört
man Stimmen, die zu Koalitionen mit der FPÖ aufrufen, wie es im Burgenland
bereits der Fall ist.
## Macht
Bislang haben Österreichs Bundespräsidenten bewusst auf die vollumfängliche
Anwendung ihrer Macht verzichtet. In seiner Form besteht dieses Amt seit
1929 und ist geprägt von autoritären Zeiten. Man hätte natürlich nach 1945
das Amt überdenken können, muss aber irgendjemand vergessen haben.
## „Nazi“
So darf man Norbert Hofer nicht nennen, hat das Oberlandesgericht Innsbruck
geurteilt. Falls Sie nun nach Worten ringen, schlagen wir vor: Völkischer,
Nationalist, Rechtspopulist, Deutschnationaler, Rechtskonservativer,
Rechtsnationaler, Kornblumenträger – oder auch: „Herausgeber eines Buches,
das vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands als
rechtsextrem eingestuft wurde“.
## Oberbefehlshaber
Der Präsident ist Oberbefehlshaber des Bundesheeres. Kein Scherz.
## Polizeigewerkschaft
Neben den etablierten Fraktionen Christlicher Gewerkschafter (FCG) und
Sozialdemokratischer Gewerkschafter (FSG), ist die von der FPÖ gegründete
Fraktion der Aktionsgemeinschaft Unabhängiger und Freiheitlicher (AUF)
inzwischen die drittstärkste. Bei Demos (siehe ▶Akademikerball) ist die AUF
oft zugegen und verpflegt diensthabende Polizisten.
## Querulant?
Der Bundespräsident wird direkt gewählt, für sechs Jahre Amtszeit. Er ist
Staatsoberhaupt, aber nicht Regierungschef. Er ist also unselbstständig und
wird größtenteils auf Vorschlag der Bundesregierung tätig. Er repräsentiert
die Republik nach außen und soll dem Land überparteiliche Balance und
moralischen Rückhalt geben. Er kann Staatsverträge schließen,
Volksabstimmungen über Gesetzesbeschlüsse anordnen und Gesetze beurkunden.
Historisch ist es seine Aufgabe zu kooperieren, nicht zu regieren. Aus
politischen Gründen kann er Gesetze nicht ablehnen, aber er kann formell
oder inhaltlich verfassungswidrige Gesetze blockieren, indem er seine
Unterschrift verweigert. (siehe ▶Zwei-Drittel-Mehrheit)
## Retter Europas
Der Untergang Europas ist nicht nur bei Pegida ein wichtiges Thema, auch
der FPÖ-Politiker Herbert Kickl sprach vergangenen Monat bei einem Kongress
in Linz zur „Verteidigung Europas“. Mit dabei: Jürgen Elsässer.
## Schülerverbindung
Hofer nennt es „Schülerverbindung“. Wir nennen es Burschenschaft: Hofer ist
Ehrenmitglied bei Marko Germania, wo man sich für das „deutsche Volkstum“
einsetzt. Man sieht „das deutsche Vaterland unabhängig von bestehenden
staatlichen Grenzen“ – im Grunde sind das also reiche Reichsbürger mit
eigener Tanzveranstaltung (siehe ▶Akademikerball)
## Trump
Hofer will Trump und Putin im Fall eines Sieges zum Gipfel nach Wien laden,
sagt er. Als Vermittler auf „neutralem Boden“. Das wäre eine besondere Art
der Selbstüberschätzung – wenn es nicht sogar vorstellbar wäre, dass die
beiden schon kommen würden, um Merkel ans Bein zu pinkeln.
## Ultima Ratio
Das letzte Mittel sei die Entlassung der Regierung, wenn sie dem Land denn
Schaden zufügt, hat Norbert Hofer im Wahlkampf gedroht. Die Frage ist
freilich, was er unter Schaden versteht. Den Vorarlberger Nachrichten sagte
er im März: „Wenn die Regierung bei ihrem Kurs bleibt, in der
Flüchtlingsfrage, bei der Pflege, der Wirtschaft und den Spitälern, würde
ich ein Gespräch mit ihr führen. Wenn das nicht taugt, steht am Ende die
Entlassung an.“ (siehe ▶Intervention und ▶Wundern)
## Verbotsgesetz
In Österreich spricht man beim Verstoß gegen das NS-Verbotsgesetz von
„Wiederbetätigung“. Norbert Hofer hat mal gesagt, dass dieses Gesetz in
seinen Augen die Meinungsfreiheit beschneide. Aktuell hat er aber einen
anderen Plan: Er will das Verbotsgesetz auf Sympathisanten des IS
ausweiten. Interessanter Vorschlag, wenngleich verwunderlich, handelt das
Gesetz doch ausdrücklich von der NSDAP.
## Wundern
Zu Beginn des Wahlkampfes sagte Norbert Hofer: „Sie werden sich wundern,
was alles gehen wird!“
## Xenophobie
Die FPÖ spielt seit Jahren streng nach einer Provokationsstrategie mit
Opferfaktor, mit der sie immer wieder xenophobe, islamfeindliche,
homophobe, antisemitische und sexistische Inhalte erst verbreitet und dann
theatralisch jammert, dass alle total grundlos mit der jeweiligen „Keule“
auf sie losgingen.
## Yolo
Norbert Hofer im Interview mit Woman zum Jugendwort Yolo: „Nie gehört.“ –
„Die Abkürzung steht für „You only live once“. – „Ah, super! Glaub …
nicht.“
## Zweidrittelmehrheit
Ein Präsident, der sich weigert Gesetze zu unterschreiben, kann mit einer
Zweidrittelmehrheit der Bundesversammlung beim Verfassungsgerichtshof
angeklagt werden oder mit einer vom Nationalrat (mit Zweidrittelmehrheit)
eingeleiteten Volksabstimmung abgesetzt werden. Wenn die Mehrheit nicht
zustande kommt, ist das Parlament automatisch aufgelöst.
## Öxit
Wenn die „Union sich falsch entwickelt“ möchte Hofer die Österreicher zum
Verbleib in der EU befragen. Ob der Lage und Größe des Landes wäre der Öxit
aber ein einziges Himmelfahrtskommando.
3 Dec 2016
## LINKS
[1] https://futurezone.at/
## AUTOREN
Saskia Hödl
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