# taz.de -- Vorwahl in Frankreich: Rechte Lust und linke Unlust | |
> Eitel Freude herrscht derzeit bei der konservativen Opposition in | |
> Frankreich. Im linken Lager findet man dagegen nur tiefen Frust. | |
Bild: Der Sieger am Sonntagabend: François Fillon könnte der nächste Präsid… | |
Paris taz | Selten hat man im französischen Fernsehen Dany Cohn-Bendit so | |
konsterniert gesehen. „Va te faire voir!“ (Geh zum Teufel!), erwiderte er | |
entnervt dem Chef der Linkspartei, Jean-Luc Mélenchon. Eigentlich wollte | |
der Grüne dem selbsternannten Präsidentschaftskandidaten mit dem Etikett | |
„France insoumise“ (das ungehorsame Frankreich) nur eine harmlose Frage zur | |
eventuellen linken Vorwahl stellen, dabei duzte er diesen kollegial – wie | |
üblich. | |
Doch Mélenchon fuhr ihn gleich an: „HERR Cohn-Bendit, ich ersuche Sie, mich | |
nicht mit dem Vornamen anzusprechen, wir sind nicht befreundet, wie Sie | |
wissen, lassen wir die Komödie!“ Die im Studio anwesenden Journalisten | |
waren über diesen aggressiven Ton und Mélenchons herablassende Reaktion | |
ebenso verdutzt wie vermutlich die meisten Zuschauer. Nach einer | |
Schrecksekunde konterte Cohn-Bendit: „MONSIEUR Mélenchon, Sie sind | |
unglaublich lächerlich, Sie nehmen sich zu wichtig.“ | |
Diese Karambolage wäre bloß eine kleine Anekdote am Rand eines | |
Fernsehabends zum Sieg von François Fillon bei der bürgerliche Vorwahl | |
gewesen, wenn dieser peinliche Zwischenfall nicht so charakteristisch wäre | |
für den Zustand und die Stimmung in der französischen Linken. | |
Während die bürgerliche Rechte nach diesem triumphalen Sieg von Fillon so | |
geschlossen ist wie schon lange nicht mehr, liefert das gespaltene linke | |
Lager ein desolates Bild. „Die Rechte schließt die Reihen, die Linke | |
zerreißt sich“, kommentierte Le Figaro am Montag das Landschaftsbild der | |
französischen Politik. | |
## Umfrage: Fillon vor Le Pen | |
Während die konservative Opposition jetzt ihre Kräfte gemeinsam in den | |
Wahlkampf werfen kann, um im Mai 2017 in einer Stichwahl gegen Marine Le | |
Pen die Macht zurückzuerobern, verausgaben sich Sozialisten, Grüne, | |
Radikale, Linkspartei und Kommunisten in internen Rivalitäten, die den | |
LinkswählerInnen noch lächerlicher vorkommen müssen als das Gehabe von | |
Mélenchon. | |
Eine neueste Wahlumfrage illustriert die unweigerliche Folge: die | |
Abwesenheit der Linken in der Entscheidungsrunde um die | |
Staatspräsidentschaft. Selbst wenn François Fillon noch Konkurrenz vom | |
bürgerlichen François Bayrou erhält, der derzeit 6 Prozent der Stimmen | |
erhalten würde, läge er dennoch mit 26 Prozent vor Marine Le Pen vom Front | |
National mit 24 Prozent. | |
Weit dahinter folgen Exwirtschaftsminister Emmanuel Macron (14), Jean-Luc | |
Mélenchon (13), der Grüne Yannick Jadot (3), der Nationalkonservative | |
Nicolas Dupont-Aignan (3) und diverse Vertreter der extremen Linken. Der | |
amtierende Präsident François Hollande oder sein Premierminister Manuel | |
Valls müssten sich dagegen mit geradezu lächerlichen 9 Prozent abfinden! | |
## Sozialistisches Dilemma | |
Am Sonntag hatte Valls öffentlich erklärt, er sei in den Startlöchern und | |
halte sich für eine Kandidatur an Hollandes Stelle bereit. Dieses | |
Vorpreschen seines Regierungschefs hat den in Madagaskar weilenden Hollande | |
fürchterlich geärgert, aber seine Karten hat er deswegen nicht aufgedeckt. | |
Für die Sozialisten, die sich bereits halbwegs mit einer vernichtenden | |
Niederlage bei der Präsidenten- und den anschließenden Abgeordnetenwahl | |
abgefunden haben, wird das Gerangel in der Chefetage unerträglich. | |
Regierungssprecher Stéphane Le Foll konnte ihnen nur versichern, es werde | |
„auf keinen Fall“ eine Vorwahl Hollande gegen Valls geben. Mit diesen | |
Szenen der Zerrissenheit angesichts einer drohenden Wahlschlappe | |
kontrastiert die gegenwärtige Euphorie im bürgerlichen Lager. | |
Noch am Wahlabend hat Alain Juppé dem Sieger seine Unterstützung | |
zugesichert. Er konnte dabei nicht ganz verbergen, wie schmerzlich für ihn | |
die Niederlage sein muss, nachdem ihm die Umfragen in den letzten Monaten | |
einen klaren Sieg vorausgesagt hatten. Den aus dem Hintergrund gestarteten | |
Fillon, der von einer rechtskonservativen Grundwelle getragen wurde, hat er | |
übersehen und unterschätzt. | |
Die Vorwahl hat es der konservativen Rechten erlaubt, die politische | |
Debatte in den Medien über Monate fast vollständig zu dominieren. Selbst | |
von der sonst so selbstsicheren Marine Le Pen hörte man nichts mehr. | |
François Fillon hat indes nur eine Etappe gewonnen. | |
Die Entscheidung fällt erst im Frühling, wenn nicht nur die Rechtswähler, | |
sondern alle Wahlberechtigten entscheiden. Um dann eine Mehrheit zu | |
bekommen, muss Fillon seine Wählerbasis nach rechts und zur Mitte hin | |
erweitern. Das ist ein taktischer Hochseilakt. Fillon verkündet deshalb, er | |
wolle als Präsident tatsächlich das umsetzen, was er verspreche. | |
28 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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